Buchhändler:Gütesiegel in schwierigem Metier

Buchhändler: Lutz Nagler weiß um die Bedeutung des persönlichen Kundenkontakts: "Wenn jemand seit Jahren zu Kempter geht, dann weil er weiß, dass er gut beraten wird."

Lutz Nagler weiß um die Bedeutung des persönlichen Kundenkontakts: "Wenn jemand seit Jahren zu Kempter geht, dann weil er weiß, dass er gut beraten wird."

(Foto: Claus Schunk)

Die Buchhandlung Kempter mit ihren drei Filialen in Deisenhofen, Ottobrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn wird für ihre Leseförderung prämiert.

Von Julian Carlos Betz, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Der Einzelhandel hat es heutzutage nicht leicht. Branchenriesen wie Amazon, Zalando und Co. erdrücken das immer spärlicher werdende Angebot in den Ladenzeilen. Wer mit dem Preis nicht heruntergehen oder nicht weiter beim Personal sparen kann, dem bleibt oft nur eines: die Schließung. Auch und vielleicht besonders von dieser Problematik betroffen ist der deutsche Buchhandel. Hier kommt die sinkende Zahl an aktiven Lesern hinzu, was den Absatz weiter schmälert. Doch nicht überall steht es so schlecht, wie der allgemeine Diskurs es suggeriert. Die Buchhandlung Kempter, mit ihren drei Filialen in Deisenhofen, Ottobrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn bemüht sich seit Jahren vor allem um die jungen Leser und wurde dafür erneut vom Börsenverein des deutschen Buchhandels mit einem Gütesiegel für die Leseförderung ausgezeichnet (wie auch "Bücher Silvia Horn" in Grünwald).

Ingrid Hartmann ist seit 2013 in der Höhenkirchener Filiale tätig, damals hat sie den Bereich Kinder- und Jugendbuch übernommen und ist seitdem viel unterwegs. Denn, wie sie sagt, fängt das Lesen bei den Kindern an. Wer früh viel und gerne liest, wird diese Neigung auch später beibehalten und vielleicht sogar ausbauen. Deswegen besucht sie immer wieder Grundschulen und veranstaltet dort Buchpräsentationen, gibt Empfehlungen für die Lektüre in der Klasse und versucht, literarisches Interesse zu wecken. "Natürlich ist das sehr subjektiv, was ich da empfehle, aber wenn ich höre, wie Eltern ihrem Kind in der siebten Klasse Harry Potter zu lesen geben, dann kriege ich einen Föhn."

Beim "Leseklub" stellen Kinder ihre Bücher vor

Hartmann berichtet insgesamt von positiven Eindrücken, ihre Arbeit werde zumeist von Eltern wie Kindern geschätzt. Bekannt ist sie auch für ihren "Leseklub", bei dem sich mittlerweile 16 Kinder regelmäßig treffen und Bücher vorstellen, die sie gelesen haben. Das funktioniere wunderbar und sei mit "viel Spaß verbunden". Inspiriert habe sie die Kinderbuchautorin Silke Schlichtmann mit ihrem "Literarischen Jugendquartett", das im Rahmen des Münchner Literaturfests erstmals stattfinden wird. Dort soll auch ein Mädchen etwas vorstellen, das aus ihrem Klub stammt, erzählt sie. Der nächste Schritt: die Kinder das gleiche Buch lesen zu lassen und dann gemeinsam darüber zu sprechen. Wie bei einem echten literarischen Zirkel also. Aber das ganze solle weiter Spaß machen, fügt sie lachend an. Der Klub fördere zudem die Bereitschaft, sich auch mit langen Texten auseinanderzusetzen und vor anderen Menschen frei und sicher zu sprechen.

Gerade das sei mittlerweile für viele Kinder ein Problem, erklärt Inhaber Lutz Nagler, der tagsüber oft von einer Filiale zur anderen unterwegs ist. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder längere Bücher lesen. Als Inhaber berichtet Nagler auch von den Schwierigkeiten auf dem Markt. Einerseits werden die Aufträge zur Bücherbeschaffung für die Schulen einfach verlost, weil es keine Möglichkeiten der Preisgestaltung gebe und andererseits besuchten die Kunden seltener die Läden auf, gerade an Samstagen bemerke er das. "Es gibt Monate, wo ich eigentlich zumachen müsste", gibt Nagler zu. Das könne nur durch stärkere Monate wieder ausgeglichen werden, wie zur Weihnachtszeit. Aber am Jahresende müsse die Rechnung stimmen, und vorher wisse das niemand.

"Natürlich ist Amazon ein Riesenproblem."

Auch zum Onlinehandel positioniert Nagler sich klar: "Natürlich ist Amazon ein Riesenproblem". Oft wollen die Leute nicht begreifen, dass es so etwas wie eine Buchpreisbindung gibt. Selbst wenn man dem Kunden sagt, dass er das Buch gleich am nächsten Tag abholen könne, würden viele noch den Online-Lieferdienst bevorzugen, obgleich sie dafür zu Hause auf das Päckchen warten müssten. Der Preis sei eh der gleiche, Rabatte dürften nur Verlage geben. Er ist generell pro Buchpreisbindung, aber seiner Einschätzung nach wird zuviel an allen Ecken und Enden "gesägt" in der globalisierten Welt, sodass er diesem starren Modell der Preisfindung in einem offenen Markt keine lange Lebensdauer mehr attestiert. Nagler, der Vorsitzender des Bayerischen Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist, betont, wie wichtig der persönliche Kundenkontakt sei: "Wenn jemand seit Jahren zu Kempter geht, dann weil er weiß, dass er gut beraten wird."

Daher auch die vielen Anstrengungen, die Menschen direkt anzusprechen, und nicht nur die Kinder. Auch für Erwachsene gibt es Veranstaltungen, wie die "Spätlese", wo Bücher vorgestellt werden. Mit Erwachsenen sei es insofern einfacher, erzählt Hartmann, als die meist recht genau wüssten, was sie lesen wollen. Was die Online-Konkurrenz betrifft, sieht sie gar nicht so schwarz. "Es findet ein wenig ein Umdenken statt." Die Kunden würden häufiger bewusst den Einzelhandel unterstützen. Den Satz: "Dann bestell ich das eben bei Amazon", wenn ein Buch gerade nicht vorrätig ist, hofft sie, nicht mehr so oft hören zu müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: