Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Feindbild Bürgermeisterin

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Sinn für Humor: In der Rathausgalerie hängt eine Karikatur, die Bernhard Prinz von Ursula Mayer gemalt hat.

Sinn für Humor: In der Rathausgalerie hängt eine Karikatur, die Bernhard Prinz von Ursula Mayer gemalt hat.

(Foto: Claus Schunk)

Die Rathauschefin muss sich im 15. Jahr ihrer Amtszeit Kritik von vielen Seiten anhören, neuerdings sogar aus den eigenen Reihen. Ursula Mayer bleibt gelassen und gibt sich kämpferisch.

Von Stefan Galler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Auf der Internetseite der Gemeinde begrüßt die Bürgermeisterin Besucher zurzeit "mal zur Abwechslung", wie sie schreibt, mit einem Arztwitz. Die, nun ja, Pointe: Gegen Kopfweh helfen Regenwürmer, die sich von einem Ohr zum anderen durcharbeiten. Allerdings nur, wenn man keinen Vogel hat.

Passend zur Faschingszeit hat Ursula Mayer (CSU) diesen Scherz gepostet und damit gezeigt, dass sie ihren Humor noch nicht verloren hat. Denn so richtig lustig ist es momentan nicht in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Der Gemeindesäckel ist leer, entsprechend umstritten war der Haushalt für das laufende Jahr. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der finanziellen Situation der Kommune ging sogar so weit, dass sich Bürger dazu genötigt sahen, sich mit insgesamt zwei anonymen Briefen an die Öffentlichkeit zu wenden.

Dass diese Schreiben keine Absender trugen, mag damit zusammenhängen, wie Mayer mit Kritikern umzugehen pflegt: In der Vergangenheit hatte sie politische Gegner oft rustikal kritisiert. "Ich bin halt niemand, der rumeiert", sagt die Bürgermeisterin. "Bei mir ist ein Ja ein Ja und ein Nein ein Nein." Dass jemand sich mit seiner Kritik in der Anonymität versteckt ist für Mayer dennoch ein Unding: "Ich finde das ein bisserl schwach. Schließlich kommt bei uns keiner ins Gefängnis und wird auch nicht gelyncht, wenn er eine andere Meinung hat als ich."

Andererseits ist es aber offenbar auch nicht besonders gerne gesehen, wenn offensiv eine andere Meinung vertreten wird. Als Beispiel wird in der Gemeinde immer wieder der Umgang Mayers mit der CSU-Gemeinderätin Martha Braun genannt. Diese hatte im Dezember 2016 gegen die aus ihrer Sicht zu dichte Bebauung eines 17 000-Quadratmeter-Grundstücks mit Kinderhaus und 40 Mietwohnungen gestimmt und sich damit den Zorn der Rathauschefin zugezogen. Mayer kanzelte Braun, die seit 2014 im Gemeinderat sitzt, als unerfahren ab und warf ihr vor, den Überblick verloren zu haben.

"Frau Mayer ist nicht in der Lage Alternativen zu ihrer Politik zu durchdenken."

Vermutlich auch ein Grund dafür, dass es gar nicht so einfach ist, Gesprächspartner zu finden, die frank und frei über das politische Höhenkirchen-Siegertsbrunn reden möchten. Dirk Wöhling ist einer jener Kritiker, die sich nicht verstecken. Er gehörte ursprünglich der Bürgerinitiative "Verkehr" an, hat sich mittlerweile aber auch in zahlreiche andere Themen eingearbeitet. Sein Urteil über die Arbeit der Bürgermeisterin fällt vernichtend aus: "Frau Mayer ist nicht in der Lage oder nicht willens, Alternativen zu ihrer eigenen Politik zu durchdenken."

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Ursula Mayer ist seit 2002 Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Ursula Mayer ist seit 2002 Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

(Foto: Claus Schunk)

Wöhling, der seit fast 20 Jahren in der Gemeinde lebt, wirft der CSU-Politikerin vor, den Gemeinderat immer wieder vor vollendete Tatsachen zu stellen und Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Als Beispiel führt er Brandschutzmaßnahmen im gemeindlichen Seniorenheim an: "Dass dort etwas gemacht werden musste, kam ja nicht über Nacht. Als die Maßnahmen unumgänglich waren, gab es eine bürgermeisterliche Anordnung - ohne dass die Kosten diskutiert worden wären." Wöhling ist bei jeder Rats- oder Ausschusssitzung anwesend. Früher habe die Bürgermeisterin bei seinen Nachfragen geantwortet, er solle sich erst mal informieren. "Das tut sie jetzt nicht mehr, sie weiß, dass ich mich auskenne", sagt der selbständige Unternehmer, der jedoch auch ein Thema anspricht, das Mayer seiner Meinung nach vorbildlich löst: "Ich will nicht alles schlecht reden. Wie sie das Thema Asyl und Integration angeht, ist einfach nur super."

Fakt ist jedoch: In keiner Landkreisgemeinde bilden sich so viele Bürgerinitiativen wie hier: Jene Gruppe, der Dirk Wöhling angehört, hatte sich zum Thema Verkehr zusammengefunden, diskutiert aber längst auch alle anderen relevanten Themen wie Kinderunterbringung oder die aus ihrer Sicht dringend notwendige Ansiedlung von Gewerbe. Eine andere hat sich zur Überplanung des Ruf-Geländes gebildet ("Bürgerinitiative für ein besseres Familienzentrum"), auch der Wohnsiedlung "Am Hart" widmet sich eine Bürgerinitiative - sie will das seit mittlerweile fast zehn Jahren geplante Gewerbegebiet im Norden der Gemeinde verhindern, weil es ihrer Meinung nach eine zu große Lärmbelastung mit sich bringt. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie fühlen sich von der Verwaltung und deren Chefin nicht ausreichend informiert, beklagen mangelnde Transparenz und Kooperation.

In diesen Tagen dreht sich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn wieder einmal viel um die Feuerwehren. Die beiden Ortsteile wurden erst 1978 zu einer Kommune zusammenmontiert. Deshalb, heißt es auf der Gemeinde-Homepage, gebe es eben viele Dinge "im Doppelpack", von Burschenvereinen und Kirchen bis hin zu den Freiwilligen Feuerwehren. Und, so ehrlich muss man sein, die große Liebesheirat war es nicht, als die beiden Gemeindehälften zusammenschmolzen. Noch heute gibt es bei alteingesessenen Bürgern Ressentiments gegen den jeweils anderen Ortsteil.

Kann sich die Gemeinde überhaupt zwei Feuerwehren leisten?

Die derzeit wieder heiß diskutierte Frage ist nun, ob sich die Gemeinde überhaupt zwei Feuerwehren leisten kann und sogar 4,5 Millionen Euro in den Neubau der Siegertsbrunner Wache investieren soll. Der Verfasser eines der beiden anonymen Briefe wirft Bürgermeisterin und Gemeinderat vor, "Steuergelder mit vollen Händen auszugeben". Anstatt soziale Projekte wie ein Bürgerhaus, Kinderkrippen, den Bau bezahlbaren Wohnraums oder Reparaturen maroder Spielplätze voranzutreiben, investiere man in ein neues Feuerwehrhaus plus Grunderwerb in Siegertsbrunn. In einer Gemeinde wie Höhenkirchen-Siegertsbrunn mit etwa 10 000 Einwohnern seien zwei Feuerwehren mit einem Jahresetat von jeweils etwa 70 000 Euro "Luxus pur", schreibt der "interessierte Siegertsbrunner". Er wirft den Verantwortlichen "Vetternwirtschaft" vor und fragt rhetorisch, ob das "einfach nur Wahlkampf unserer Siegertsbrunner Bürgermeisterin Mayer" sei.

Im Gemeinderat soll in dieser Woche darüber befunden werden, ob man vor dem endgültigen Beschluss noch einen runden Tisch einberuft mit Politikern, Vertretern der Feuerwehren und aus dem Landkreis, wie es die Grünen beantragt haben. "Man kann so eine Entscheidung nicht schnell, schnell treffen", sagt Luitgart Dittmann-Chylla, Dritte Bürgermeisterin (Grüne). Sie bestätigt, dass Kreisbrandinspektor Andreas Englberger bereits beide Feuerwehren in Augenschein genommen hat. Ein abschließendes Urteil habe er nicht abgegeben. "Aber wir müssen eine Entscheidung für die nächsten Jahrzehnte treffen", sagt Dittmann-Chylla.

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Dritte Bürgermeisterin Luitgard Dittmann-Chylla von den Grünen.

Dritte Bürgermeisterin Luitgard Dittmann-Chylla von den Grünen.

(Foto: Claus Schunk)

Das Hauptargument für zwei Feuerwehren ist die Bahnschranke am Höhenkirchener Gymnasium, die derart lange geschlossen bleibt, dass die Retter wertvolle Zeit verlieren würden, wenn sie vom einen in den anderen Ortsteil fahren müssen. Für Mayer gibt es keine Alternative zu den beiden Wehren: "Wir haben nun einmal das Problem mit der Schranke und den langen Standzeiten. Der Gedanke, dass es womöglich irgendwann einen 15- oder 10-Minuten-Takt gibt, lässt mich frieren."

"Die Gemeinden bleibt hinter ihren Möglichkeiten."

Nicht die einzige Kontroverse in der Gemeinde. Auch der schon lange anhaltende Streit um die Ansiedlung von zusätzlichem Gewerbe polarisiert. "Wir brauchen unbedingt die Ausweisung neuer Gewerbegebiete", sagt beispielsweise Ulrich Bug, Vorsitzender der Gemeindefraktion der Unabhängigen Bürger (UB) und erhält dabei Unterstützung von Florian Keil, dem Vorsitzenden der Jungen Union Höhenkirchen-Siegertsbrunn: "Die Einnahmeseite ist alles andere als gut. Seit über acht Jahren wird über ein vier Hektar großes Gewerbegebiet im Norden der Gemeinde diskutiert und prozessiert", sagt Keil. "Darin, dass wir hier so große Defizite haben, liegt das Grundproblem des Haushaltes."

Die Kritik betrifft auch die Bürgermeisterin. "Keine Gemeinde im Landkreis bleibt so weit hinter ihren Möglichkeiten wie Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wir stehen im Landkreisvergleich bei Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen auf den letzten Plätzen", sagt Otto Bußjäger, der früher Bürgermeister von Grasbrunn war und heute in Höhenkirchen wohnt. "Ständig werden Wohngebiete ausgewiesen, aber nichts dafür getan, dass wir unsere finanzielle Situation verbessern", so der stellvertretende Landrat (Freie Wähler). "Wir stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand."

Das sieht auch Luitgart Dittmann-Chylla so: "Reihenhäuser und Einfamilienhäuser gibt es in unserer Gemeinde mittlerweile genug. Was wir brauchen ist Gewerbe und Unterkünfte für Senioren und Geringverdiener." Und JU-Chef Keil äußert ebenfalls seine Unzufriedenheit: "Es geht nicht um Befindlichkeiten, sondern um Zahlen: Pro 1000 Einwohner gibt es in unserer Kommune nur 130 Arbeitsplätze. Wir sind zu einer Pendlerkommune geworden."

Die Bürgermeisterin bleibt auch in dieser Frage gelassen und verweist auf die Schwierigkeiten, die man schon bei der Installation des relativ kleinen Gebiets im Norden mit den Anwohnern hat: "Es ist immer eine Frage der Durchsetzbarkeit. Jeder Bürger hat nun einmal das Recht, ein hartnäckiger Gegner zu sein." Erst im Herbst sollen die Bagger rollen. Mayer selbst hätte zwar auch gerne mehr Einnahmen, verweist aber auf die Verhältnismäßigkeit: "Es ist der Wille des Gemeinderates, ein mittelständisches Gewerbegebiet anzusiedeln und nicht so etwas zu planen wie in Brunnthal."

"Schuld hat sowieso immer die Bürgermeisterin", sagt Mayer

Die Bürgermeisterin, seit 2002 im Amt, ist Politikerin durch und durch; wie das Geschäft funktioniert, konnte sie unter anderem beim Werdegang ihres Mannes Martin erleben, der früher den Landkreis München im Bundestag vertrat. Und so wirkt sie trotz der Kontroversen keineswegs zerknirscht, schließlich gehört es zur Politik, sich zu streiten. Noch hat sie nicht darüber entschieden, ob sie 2020 noch einmal zur Wahl antritt. "Jetzt ist am 1. Mai erst mal Halbzeit der aktuellen Amtszeit, ich werde doch jetzt nicht den Wahlkampf eröffnen."

Es gibt Beobachter, die glauben, dass sich die 61-Jährige den Stress, den das Bürgermeisteramt mit sich bringt, nicht bis 2026 antun will. "Schuld hat sowieso immer die Bürgermeisterin", sagt Mayer und erwähnt eine Anekdote, die viel lustiger ist als ihr Witz auf der Internetseite der Gemeinde: "Neulich beschwert sich eine Bürgerin über den Lärm vom Gewerbegebiet Nord. Ich habe ihr dann erklärt, dass das noch gar nicht existiert."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: