Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Demenz kann jeden treffen

Höhenkirchner Arbeitskreis wirbt um Verständnis für Betroffene

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Eine Kundin steht verzweifelt am Bankschalter. Sie hat ihre Pin-Nummer vergessen. Und das nicht zum ersten Mal. Oder ein älterer Herr irrt zunehmend aufgeregt durch den Supermarkt, weil er das Regal mit dem Kaffee nicht mehr findet. Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt. Und in Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat sich der Arbeitskreis Demensch zur Aufgabe gemacht, diesen und ihren Angehörigen zu helfen. Und das auch mit Schulungen: Der Bankkaufmann und der Verkäufer im örtlichen Einzelhandel sollen lernen, wie sie mit Demenz-Patienten umgehen.

Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat sich vorgenommen, demenzfreundliche Kommune zu werden und beteiligt sich seit zwei Jahren an einem entsprechenden Förderprogramm. Es gibt Zuschüsse, und im Gegenzug laufen Aktionen, um der wachsenden Zahl an älteren Menschen mit dementiellen Erkrankungen etwas entgegenzusetzen. Wie groß die Herausforderung ist, zeigte Christoph Steidle vom Arbeitskreis Demensch, als er im Gemeinderat Zahlen präsentierte. Demnach sind in Höhenkirchen-Siegertsbrunn - rechnerisch ermittelt - 180 Personen erkrankt. Direkte Angehörige einbezogen leiden unmittelbar und mittelbar etwa 360 Menschen unter der unheilbaren Störung des Gehirns, bei der Menschen in Folge des Absterbens von Nervenzellen zunehmend vergesslich, verwirrt und orientierungslos werden. Steidle sprach von einer "erschreckend hohen Zahl", die weiter stark steigen werde.

Der Arbeitskreis Demensch hat schon einiges auf die Beine gestellt. Es gab Informationsveranstaltungen, aber auch Treffen wie etwa einen Tanztee im Pfarrsaal, bei dem Betroffene und pflegende Angehörige mit anderen Menschen in derselben Situation in Kontakt kamen. Swantje Burmester, Leiterin des Arbeitskreises mit acht Aktiven, schilderte die bedrückende Lage einer mehr und mehr vereinsamenden Ehefrau. Die schwer einzuordnende Erkrankung führe bei vielen zu Irritationen. "Nachbarn und Freunde ziehen sich zurück", erzählte Burmester. Und vom kranken Ehemann bekomme die Frau "keine Antworten mehr". Irgendwann habe sie "niemanden mehr zum Sprechen". Deshalb gelte es aufzuklären, zu sensibilisieren und um Verständnis zu werben.

Der Arbeitskreis hat sich deshalb zuletzt auch mehr der Situation der Angehörigen zugewandt und will insgesamt in die Bürgerschaft hinein wirken. Burmester zeigte sich enttäuscht, dass sich bisher nur wenige Gemeinderäte auf Veranstaltungen gezeigt hätten. Keiner der Ärzte am Ort, die wegen des Themas angeschrieben worden seien, habe sich zurückgemeldet, sagte Burmester. Dabei könnten Ärzte sicher wertvolle Beiträge liefern, schließlich seien sie nah an den Patienten dran. Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) sagte dem Arbeitskreis ihre Unterstützung zu. Sie ist neuerdings Schirmherrin. In Kürze soll vom Rathaus ein Anschreiben an alle Gemeindebürger jenseits der 60 rausgehen, um sie darauf hinzuweisen, dass das Demenzrisiko mit dem Alter steigt. Statistiken sollen beigelegt werden und auch eine Liste mit Hilfsangeboten.

Derweil geht die Aufklärungsarbeit weiter. Celina von Bezold wird am 27. November einen Vortrag im Seniorenzentrum halten und die Erkrankung, die den Menschen im Kern seiner Existenz berührt, aus Sicht der Philosophie betrachten. Eine Sportgruppe soll eingerichtet werden. Burmester wird sich weiter um Schulungen für Personen bemühen, die mit Demenz-Erkrankten zu tun haben. Mitarbeiter einer Praxis für Physiotherapie wurden schon aufgeklärt, weitere Schulungen sind mit Mitarbeitern der Raiffeisenbank und des Edeka-Ladens geplant. Finanziell ist der Arbeitskreis selbst auf Hilfe angewiesen. Mit je 4500 Euro vom Landkreis und der Gemeinde kam er über zwei Jahre. Jetzt hat man auch mit Unterstützung aus dem Hilfsfonds der Spielvereinigung Höhenkirchen noch 3700 Euro zur Verfügung. Für das nächste Jahr kündigte Burmester einen Antrag auf einen Zuschuss von 4000 Euro an.

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