Hitler-Attentäter Georg Elser:Eine Minute Gedenken

Der Mann, der Hitler vor 71 Jahren im Alleingang töten wollte: In Berlin wird der Widerstandskämpfer Georg Elser groß gefeiert. Nur in München, am Ort des historischen Geschehens, tut man sich mit der Würdigung schwer.

Robert Probst

Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz war begeistert: "Dies ist ein später Triumph für den Hitler-Attentäter." Vor drei Wochen wurde in Berlin das Ergebnis eines Künstler-Wettbewerbs präsentiert - und ein spektakulärer Entwurf gekürt. Von November 2011 an soll die Silhouette des Gesichts von Georg Elser hoch über den Wipfeln der Bäume im Bezirk Mitte schweben.

Bürgerbräukeller nach dem Hitler-Attentat, 1939

Aufräumarbeiten nach dem gescheiterten Bombenattentat im Bürgerbräukeller im November 1939: Während anderswo das Gedenken an Georg Elser boomt, tut sich München damit immer noch schwer.

(Foto: dpa)

Als 17 Meter hohes, filigranes "Denkzeichen" aus grobem Stahl wird er die Wilhelmstraße dominieren, in der Nähe jener Stelle, an der einst Hitlers Reichskanzlei stand. 200.000 Euro lässt sich der Berliner Senat diese späte Würdigung kosten - und dieses Zeichen wird bereits das zweite Elser-Denkmal in der Hauptstadt sein. Seit 2008 ziert eine Plastik der Ernst-Freiberger-Stiftung das Spreeufer.

Man kann derzeit fast von einem kleinen Elser-Boom sprechen. Jüngst wurden auch in Konstanz und Königsbronn Denkmäler enthüllt, Schulen und Plätze wurden nach dem schwäbischen Schreiner benannt. Fast ein kleines Wunder, nach Jahrzehnten des Vergessens und Verdrängens. Nur in München - immerhin der Ort des historischen Geschehens - ist man mit der Würdigung des einsamen Attentäters noch immer nicht recht zufrieden. Von einem "zähen Gedenken" spricht Hella Schlumberger von der Georg-Elser-Initiative.

71 Jahre sind nun seit dem misslungenen Attentat am 8. November 1939 auf den Diktator im Münchner Bürgerbräukeller vergangen. Im September hatte Adolf Hitler den Zweiten Weltkrieg begonnen, der sechs Jahre später mit Millionen Toten und dem Zivilisationsbruch des Holocaust ein katastrophales Ende nahm. Vieles davon hätte vielleicht verhindert werden können, wenn der "Führer" an diesem Abend 13 Minuten länger gesprochen hätte.

Die Bombe, die Elser in monatelanger Arbeit in einer Säule des Wirtshauses verborgen hatte, explodierte exakt zum berechneten Zeitpunkt - doch Hitler hatte den Saal unerwartet früh verlassen. Der Attentäter, der in einer Armaturenfabrik in Heidenheim gearbeitet hatte, wurde bald gefasst, verhört, gefoltert und im KZ Sachsenhausen eingesperrt. Mit Verwunderung mussten die Nazis zur Kenntnis nehmen, dass Elser ohne Hintermänner agiert hatte - als Begründung gab er an, er habe durch "meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern" wollen. Kurz vor Kriegsende wurde er im KZ Dachau ermordet.

Es dauerte Jahrzehnte, ehe man Elser in der Öffentlichkeit den ihm zustehenden Rang in der Geschichte des deutschen Widerstands zubilligte - gleich neben den Attentätern vom 20. Juli 1944 und der "Weißen Rose" um die Geschwister Scholl. Das Erinnern war auch deshalb so schwer, weil man ja an Elser gut studieren konnte, dass man auch als Einzelner etwas gegen das Regime hätte unternehmen können und dass beileibe nicht nur Wehrmachtsoffiziere oder Staatsbeamte die Gelegenheit zum Widerstand gehabt hatten.

"Statuen, die rumstehen, haben wir genug."

München tut sich noch immer schwer, einen angemessenen Platz für Elser zu finden. In Haidhausen erinnert seit 1989 eine Bodenplatte vor dem Gasteig an die mutige Tat. Die Gedenkplatte bezeichnet exakt den Ort, an dem die Säule des einstigen Bürgerbräukellers stand - nur übersieht man sie leicht oder findet sie als Ortsunkundiger nur schwer.

Seit 1997 existiert ein Georg-Elser-Platz in der Türkenstraße, in der Nähe der Wohnung, in der Elser seine Pläne austüftelte. Und seit einem Jahr gibt es ein Denkmal an der Fassade einer Schule am Elserplatz. Die Neon-Installation der Künstlerin Silke Wagner wird freilich nur jeden Tag genau für eine Minute sichtbar - pünktlich um 21.20 Uhr, dem Zeitpunkt des Attentats, wird die stilisierte Form einer Explosion beleuchtet. Mit dieser Entscheidung der Stadt München sind nicht viele Elser-Kenner zufrieden, bereits vor der Einweihung gab es massive Proteste. Und auch der Umfang des 35.000 Euro teuren Projekts kann mit den großzügigen Berliner Plänen nicht mithalten.

Hella Schlumberger sagt, die Installation sei keine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie hätte "lieber eine gescheite Plastik". Noch immer sei sie "verdrossen", dass die Stadt das Angebot des inzwischen verstorbenen österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka nicht angenommen habe, zusammen mit einem Schüler ein Elser-Denkmal in München zu realisieren. Doch die Politiker in Stadtrat und Bezirksausschuss waren mehrheitlich der Meinung: "Statuen, die rumstehen, haben wir genug."

Trotz allem, sagt Schlumberger, müsse die Arbeit weitergehen. Die Initiative plant eine Broschüre über Elser; München denkt über einen Elser-Pfad nach, der über die Stationen des Attentäters in der Stadt informiert. Auch die Tradition des Georg-Elser-Preises, der alle zwei Jahren an Menschen mit besonderer Zivilcourage verliehen wird, werde weiter gepflegt. Schlumberger wünscht sich, dass die Münchner zur Erkenntnis kommen: "Wir sind stolz auf Georg Elser."

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