Herlinde Koelbl: Ausstellung in München:Die Intimität des Anderen

Sie hat Angela Merkel porträtiert, Elfriede Jelinek - aber auch Slumbewohner und Prostituierte aus New York: Mit ihren Fotos sucht Herlinde Koelbl den Kern der menschlichen Persönlichkeit. Jetzt sind ihre Bilder in München zu sehen.

Camilo Jiménez

Herlinde Koelbl ist eine zierliche Frau mit feuerrotem Haar, die an diesen Tagen durch die Räume des Münchner Stadtmuseums eilt, sich gerne den Fotografen stellt und mit jedermann über ihr Lebenswerk spricht. "Kennen Sie diese Bilder schon?", fragt sie. Natürlich kennt man die Bilder von Herlinde Koelbl, sie zählt zu den renommiertesten Foto-Künstlern Deutschlands. Die Ausstellung zeigt seit diesem Freitag 300 ihrer Bilder. Die Fotografin, 1939 in Lindau am Bodensee geboren, arbeitete für den Stern, die Zeit und die New York Times.

Herlinde Koelbl, Fotos von Ausstellung im Stadtmuseum München. WICHTIG: NUR FÜR DIE BERICHTERSTATTUNG ZUR AUSSTELLUNG VERWENDEN!!!!!! NUR MIT VORGEGEBENER BU!!!! NACH ENDE DER AUSSTELLUNG MUSS BIGA DEPUBLIZIERT WERDEN!!!!

Die Fotografin Herlinde Koelbl blickt gerne durch offene Türen: das Paar Vincent und Victoria Poklewski im Schlafzimmer in London (2000).

(Foto: Herlinde Koelbl)

Das Museum hat einen großen Raum ohne Türen oder Flure bereitgestellt, was den Besucher mit Leichtigkeit durch Koelbls Werk führt. Dutzende Porträts hängen am Empfang und erklären gleich, wer Herlinde Koelbl ist: eine Künstlerin mit besten Kontakten. Nicht nur, weil es wirkliche Prominente wie Woody Allen und Elfriede Jelinek sind, die einen hier ansehen, sondern auch weil Koelbl oft bis in deren Seele vorzudringen scheint. Das Bild von Elfriede Jelinek zum Beispiel: ein unbekanntes trauriges Gesicht, frei von dem berühmten Haar, die Augen glänzend im Halbdunkel.

In anderen Abschnitten heben sich die obskuren, häufig wie gemalt wirkenden Bilder der vergangenen Jahre - etwa Hunde, die einander in einem Park in Tel Aviv jagen - von den schwarz-weißen, konturreichen Aufnahmen der siebziger Jahre ab. Viele Bilder wirken wie steinerne Skulpturen. Sie weisen kaum Bewegung auf; die Figuren sind wie fixiert.

In mehr als dreißig Jahren hat Herlinde Koelbl die Welt bereist und sich stets auf Menschen konzentriert, Prominente wie Slumbewohner. Hier kauert ein Ex-Soldat in einer Papphütte in Rom, dort versucht eine New Yorker Prostituierte den Betrachter zu verführen. Mal sitzt ein altes, ärmlich gekleidetes Paar reglos auf dem Ehebett in Berlin, mal präsentiert sich ein anderes Pärchen bei Kaffee und Zeitungen im Bett eines luxuriösen Schlafzimmers in London. Koelbl schaut nicht durch das Guckloch, sie blickt durch offene Türen und offenbart die Intimität des Anderen.

So zieht sie manche ihrer Fotografierten schnell aus. Dicke Frauen posieren nackt und lachen, ein Mann kriegt während des Shootings eine Erektion, ein anderer wird glatt rasiert: Die Klinge glänzt an seinem Hals, die Hand des Friseurs könnte ihm jederzeit die Kehle aufschlitzen.

Doch Entblößung heißt nicht immer Entkleidung. Herlinde Koelbl schlüsselt Menschen auf, so auch Gerhard Schröder. 15 Jahre lang hat sie den Politiker begleitet - nun hängen zwanzig Bilder an einer Wand. 1998 strotzt der neue Bundeskanzler vor Selbstsicherheit, eine Hand lässt er in der Tasche. 2005 ist er ein gebrochener Mann, eine steife Figur in einem viel zu großen Anzug, die trauert. "Dies sind meine Lieblingsbilder", sagt Koelbl. Die flammende Künstlerin kann ihren Stolz kaum verbergen.

"Mein Blick - Werkschau 1976-2010" im Münch ner Stadtmuseum, bis 10. April, Katalog, Steidl Verlag 28 Euro, Info: www.muenchner-stadtmuseum.de.

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