Heizkraftwerk Unterföhring:Protestnote gegen Block 2

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Aus Sicht der Grünen im Landkreis Zeugnis einer antiquierten Technik: Eine Mahlscheibe für Kohle im Block 2 des Heizkraftwerks München Nord. (Foto: Stephan Rumpf)

In einer Resolution fordern die Kreispolitiker eine Optimierung des Kohleheizkraftwerks München Nord in Unterföhring. Die Belastung für die Bevölkerung durch Kohlendioxid und Quecksilber soll deutlich gesenkt werden.

Von Martin Mühlfenzl, Unterföhring

Für den Grünen-Kreisrat Markus Büchler ist die Sache klar: "Unser Auftrag ist, die Gesundheit der Bürger im Landkreis zu schützen." Allerdings weiß Büchler auch, dass die Möglichkeiten der Kreispolitik sehr begrenzt sind, hat sie sich doch mit der Landeshauptstadt und den Stadtwerken München (SWM) mächtige Gegner ausgesucht. Konkret war es der Wunsch der Kreis-Grünen, das Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring, dessen Block 2 mit Kohle befeuert wird, so schnell wie möglich vom Netz zu nehmen; diesen haben sie in einen Antrag gegossen, der nun vom Energieausschuss des Landkreises auch verabschiedet worden ist.

Als Resolution, gerichtet an die Stadt München und die SWM, und nicht mehr mit der Forderung, das Kraftwerk in allernächster Zukunft abzuschalten. Wohl aber mit eindeutigen Postulaten: Die Stadt müsse "alles in ihrer Macht Stehende tun", um die vom Block 2 des Kraftwerks ausgehenden Schadstoffemissionen so schnell und so weit wie möglich zu reduzieren. Zur Strom- und Wärmeerzeugung müsse zudem der Block 1, der mit Erdgas betrieben wird, "bis zur Kapazitätsgrenze" genutzt werden, um die Produktion in Block 2 weiter drosseln zu können. "Wir wissen, dass wir das Kraftwerk nicht selbst abschalten können", sagte Büchler in der Ausschusssitzung. "Denn es gehört nicht uns, sondern den Stadtwerken - auch wenn es bei uns im Landkreis steht." Aber der Kreis müsse weiter Druck aufbauen: "Und das müssen wir auch immer mit dem Verweis darauf, dass wir selbst bei der Energiewende große Anstrengungen unternehmen. Vor allem bei der Geothermie."

Seit 1991 ist der Block 2 des Heizkraftwerks Nord (HKW 2) am Netz - einem Stadtratsbeschluss der Landeshauptstadt zufolge soll die Anlage sogar bis zum Jahr 2035 in Betrieb bleiben. Und nicht zuletzt die Laufzeit von noch mindestens zwei Jahrzehnten verärgert die Bewohner und politisch Handelnden in den Nordgemeinden des Landkreises.

Im Widerspruch zu den Bemühungen um den Klimaschutz

Die Grünen kritisieren, dass das Festhalten der Stadt und der Stadtwerke München an der Kohleverbrennung die Bemühungen des Landkreises im Zuge der eigenen Energievision konterkarieren würde. Schließlich, begründen die Grünen ihren Antrag, investierten Stadt und Stadtwerke "vorbildlich Milliarden in Solar- und Windparks in anderen Regionen innerhalb und außerhalb Deutschlands und offshore auf hoher See". So beteiligen sich die SWM etwa gemeinsam mit dem Energieunternehmen Vattenfall an zwei Energieparks in der Nordsee vor der Insel Sylt - die SWM halten eigenen Angaben zufolge einen Anteil von 49 Prozent am sogenannten Windpark Dantysk, der im April dieses Jahres in Betrieb genommen worden ist. Dies entspreche einer Gesamtleistung von 288 Megawatt und damit dem Jahresstrombedarf von etwa 250 000 Münchner Haushalten.

München, lassen die Grünen verlauten, möchte Vorreiter in Sachen Klimaschutz und auf dem Sektor der erneuerbaren Energien sein; umso verwunderlicher aber sei das Festhalten an einer überholten Technologie rein aus finanziellen Gründen. Denn jährlich werden im Heizkraftwerk Nord 800 000 Tonen Steinkohle aus Übersee und Südafrika verbrannt. Dies, kritisieren die Kreis-Grünen, habe einen Ausstoß von über zwei Millionen Tonnen CO₂ jährlich zur Folge - immerhin 17 Prozent der gesamten Kohlendioxid-Emissionen der Landeshauptstadt.

Acht Kilo Quecksilber als Obergrenze

Und dann geht es noch um acht Kilogramm eines ganz anderen Schadstoffs: Quecksilber. "Es sind immer noch acht Kilo Quecksilber, die durch die Verbrennung in Unterföhring im Jahr entstehen", kritisierte Büchler. "Das ist zwar schon weniger als früher, denn es waren vor kurzer Zeit noch 70. Aber auch acht Kilo können viel gesundheitlichen Schaden anrichten." Der Ausschuss folgte dementsprechend einer weiteren Forderung Büchlers, mit der die SWM aufgefordert werden, die Grenze von acht Kilogramm beim Quecksilber pro Jahr im Heizkraftwerk nicht mehr zu überschreiten.

Für die Stadtwerke München stehen indes keine ökologischen Faktoren im Vordergrund - sondern finanzielle. Dies geht auch aus dem Gutachten des Öko-Instituts zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung hervor, das die Landeshauptstadt gemeinsam mit den SWM in Auftrag gegeben hatte und dessen Ergebnisse im Januar 2015 veröffentlicht wurden. Zwar kommt das Öko-Institut zu dem Ergebnis, dass die CO₂-Emissionen durch eine vorzeitige Stilllegung des Kraftwerks deutlich reduziert werden könnten, allerdings bekräftigt das Institut auch, dass den SWM "erhebliche Kosten" durch diese Maßnahme entstehen könnten. Bei einer Stilllegung im Jahr 2020 würden sich die Einbußen für die Stadtwerke auf 340 bis 600 Millionen Euro belaufen, eine Schließung der Anlage zum Jahr 2025 würde die SWM zwischen 180 und 380 Millionen Euro kosten. Zudem kommt das Öko-Institut zu dem Ergebnis, dass eine Umstellung im HKW 2 auf Erdgas, wie von den Grünen immer wieder ins Spiel gebracht, "ökonomisch nicht zielführend" sei.

FDP-Kreisrat Thalhammer denkt an die Kunden

FDP-Kreisrat Tobias Thalhammer verwies auf die "Backup-Funktion" des Heizkraftwerks, das bei einem "bayernweiten Zusammenbruch" der Energieproduktion die Versorgung des Großraums München übernehmen müsse. Zudem wollte der Liberale einen Zusatz durchsetzen, der sämtliche Einschnitte beim Heizkraftwerk nur unter der "Vermeidung einer Kostensteigerung für die Endkunden" ermöglichen sollte. Mit diesem Ansinnen aber scheiterte Thalhammer; wohl auch wegen des Hinweises der stellvertretenden Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche von der SPD, dieser Zusatz würde alle anderen Punkte der Resolution ad absurdum führen. Der Ausschuss also folgte dem Grünen Büchler, der die "Gesundheit vor den Profit" setzen will.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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