Hausbau:Das Blaue vom Himmel

Mailand - Bosco Verticale

Ob das gewünschte Grün auch an den Fassaden wachsen kann, ist unter den Gemeinderäten umstritten. Im Bild vertikale Gärten an zwei Hochhäusern in Mailand.

(Foto: Kirsten Bucher/dpa)

Die Gemeinde Haar verabschiedet Leitlinien, wie beim Bauen künftig dem Klimaschutz Rechnung getragen werden soll. Die Vorgaben sind sehr konkret, aber für Privatleute und Investoren nicht verpflichtend

Von Bernhard Lohr, Haar

Bisher hat sich die Gemeinde Haar einen Namen damit gemacht, dass städtebauliche Qualität hochgehalten wird. Nun wird der Blick auf ein neues Thema im Bausektor geschärft: Der Hauptausschuss des Gemeinderats hat sich am Dienstagabend einstimmig dafür ausgesprochen, Leitlinien zur Nachhaltigkeit im Bereich Bau und Planung aufzustellen. Bauvorhaben sollen am Ort künftig auf die Erfordernisse des Klimawandels abgeklopft werden. Und zwar umfassend - etwa, was die Anordnung von Gebäuden geht, die Bauweise und die verwendeten Baustoffe. Auch Verkehr und eine Anpassung an Klimafolgen sind zu beachten.

Nach der Ausrufung des Klimanotstands in der Gemeinde hatten sich Umweltreferent Andreas Nemetz und Klimaschutz-Manager Lukas Röder daran gemacht, die Leitlinien zu erstellen. Diese sind als erster Schritt hin zu einer umfassenden Antwort auf den Klimawandel gedacht. Die Gemeinderäte begrüßten die auf zwei DIN-A4-Seiten komprimierten Grundsätze, an denen sich die Gemeinde künftig bei ihren Bauvorhaben messen lassen muss und die privaten Bauherren und Investoren zeigen, was von ihnen erwartet wird. Vorgeschrieben ist freilich nichts. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), sagte, die Leitlinien trügen dazu bei, "ein Stückweit Lebensqualität" am Ort zu erhalten. Ein Korsett seien sie nicht.

Wer in Haar künftig baut, hat jedenfalls erst einmal zu schauen, ob sein Haus so ausgerichtet ist, dass Solarmodule auf dem Dach platziert werden können. Gebäude sind "mindestens im Niedrigenergiehaus-Standard" zu errichten. Baustoffe sollen langlebig sein und auch, was deren Herkunft angeht, auf den Aspekt der Klimaneutralität hin zu beurteilen. Erneuerbare Energieträger sind einzusetzen. Für Fußgänger und Fahrradfahrer ist etwas zu tun, und der "motorisierte Individualverkehr" ist zu "minimieren", wie es heißt. Ladestationen für Elektrofahrzeuge sind in Tiefgaragen vorzusehen. Recht konkret wird die Erwartungshaltung formuliert, was die Anpassung an die Klimafolgen angeht. Weil der Mensch negative Auswirkungen "nicht mehr geregelt" bekommen werde, seien Antworten auf Trockenheit, Starkregen und Artenschutz zu geben, sagte Umweltreferent Nemetz.

So ist in Haar je angefangener 200 Quadratmeter unbebauter Fläche fortan mindestens ein größerer Laubbaum zu pflanzen. Mindestens 70 Prozent der Gehölzarten müssen heimisch sein und Nahrung für Insekten bieten. Ausgenommen sind laut Nemetz Straßenbäume, und er dachte da womöglich an die Alleebäume in Ottendichl, wo mittlerweile Wassersäcke angebracht werden, damit sie nicht vertrocknen. Heimische Bäume seien dem durch Hitze entstehenden "Stress" nicht gewachsen, sagte Nemetz. Auch soll bereits bei der Planung von Gebäuden und Siedlungen einfließen, wie Lebensraum für Tiere erhalten oder geschaffen wird. "Animal-aided Design" heißt das dann.

Diskussionsbedarf gab es trotz genereller Zustimmung im Detail. Peter Paul Gantzer (SPD) riet dazu, die Forderung nach Installation von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge nicht auf Tiefgaragen zu reduzieren und klarer zu formulieren. Ton van Lier (Grüne) warnte davor, die Vorgabe, 30 Prozent eines Grundstücks als Grün anzulegen damit aufzuweichen, dass das mit einer Fassadenbegrünung kompensiert werden kann. Peter Siemsen (FDP) wiederum sorgte sich, dass Vorgaben kreative, bessere Lösungen verhindern könnten. Er hätte eine mögliche Fassadenbegrünung gerne stets geprüft, was Mike Seckinger (Grüne) mit Blick auf die jüngste Diskussion über den Wohnturm an der Münchner Straße begrüßte, wo kurzfristig eine solche Begrünung Thema wurde.

Ob Anregungen eingearbeitet werden, blieb offen. Der Ausschuss empfahl, wozu Bukowski riet, die Leitlinien wie vorgelegt in Kraft zu setzen und in einem Jahr zu schauen, ob sie sich bewähren. Der Gemeinderat muss noch zustimmen.

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