Kreis und quer:Einmal nachsitzen

Nicht nur Landrat Göbel muss sich den Vorwurf anhören, seine Hausaufgaben nicht zu machen.

Kolumne von Iris Hilberth, Landkreis München

Wenn Christoph Göbel am Abend im Landratsamt das Licht ausschaltet und sein Chauffeur ihn nach Hause bringt, ist noch lange nicht Schluss. Füße hochlegen, Fernsehen, mit den Kindern spielen oder einen Krimi statt Akten lesen sind keine Option. Kaum daheim in Gräfelfing, nimmt Münchens Landrat am Küchentisch Platz, packt Hefte und Bücher aus, rückt das Geodreieck zurecht und spitzt den Bleistift. Jede Menge Hausaufgaben warten auf ihn: Berechnung der Flüchtlingsverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel, Studium der Windgeschwindigkeiten über dem Höhenkirchner Forst, Halbwertszeiten des Urans im Garchinger Reaktor - und natürlich Vokabeln. Und wenn Ehefrau Ochmaa gegen 23 Uhr bei der Abfrage genervt feststellt, dass das neue Wort "Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung" noch nicht fehlerfrei über die Lippen geht, dann sagt sie knallhart: "Christoph, so wird nie was aus dir!"

Die SPD im Kreistag hat jedenfalls dem Landrat diese Woche vorgeworfen: "Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht!" Das ist natürlich ein krasser Vorwurf. Aber Göbel kann sich immerhin damit trösten, dass er nicht der Einzige ist, dem man unterstellt, sich zu Hause dem schnöden Nichtstun hinzugeben. Die Welt scheint voll mit Leuten zu sein, die einfach ihre Hausaufgaben nicht erledigen und dabei auch noch erwischt werden. Kann man überall nachlesen. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte 2010: "Griechenland soll seine Hausaufgaben machen." Ministerpräsident Markus Söder wurde mal mit den Worten zitiert: "Die Innenminister haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht." Zu den Verweigerern aus der Politik gesellen sich jede Menge faule Schüler aus Verbänden, Behörden, Industrie, Fußball. Der Politikwissenschaftler Hamed Abdel Samad hat einst im Focus sogar geschrieben, "die arabische Welt hat jahrhundertelang ihre Hausaufgaben nicht gemacht". So lange wird das wohl bei Christoph Göbel nicht gehen.

Was passieren kann, wenn man Hausaufgaben nicht erledigt, lässt sich im Hausaufgabenkonzept des Gymnasiums Kirchheim nachlesen. Dort heißt es: "Sollten die Hausaufgaben weiterhin vergessen werden, werden die Maßnahmen verschärft. Der Schüler erhält einen Verweis und es folgen Gespräche mit dem Direktorat im Beisein der Erziehungsberechtigten." Es ist also nicht verwunderlich, dass ständig jemand ungefragt behauptet: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Wohl wissend, dass die nicht immer sinnvoll sind. Hausaufgaben sind seit Jahrzehnten in der Pädagogik umstritten. Forderungen, auf sie zu verzichten, gibt es immer wieder. Durchgesetzt haben sich diese Rufe bekanntlich nicht.

Noch nicht. 150 neue Stellen soll es im kommenden Jahr im Landratsamt geben. Etwa die Hälfte wird an einem noch streng geheimen Papier arbeiten. Arbeitstitel: "Abschaffung der Hausaufgaben."

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