Hans-Jochen Vogel wird 85:Trotz alledem: Weiterarbeiten

Er ist das Pflichtbewusstsein in Person: Als OB, Minister und SPD-Chef hat Hans-Jochen Vogel über Jahrzehnte die deutsche Politik geprägt. Immer dabei: ein weiser Spruch von Herbert Wehner. Nun wird Vogel 85 Jahre alt. Sein Leben in Bildern.

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München 1860 als DFB-Pokalsieger 1964 gefeiert

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Er ist das Pflichtbewusstsein in Person: Als Oberbürgermeister, Minister, SPD-Chef und Fraktionsvorsitzender im Bundestag hat Hans-Jochen Vogel über Jahrzehnte die deutsche Politik geprägt. Nun wird Vogel 85 Jahre alt.

Wer sagt denn, dass nur einer, der irgendwo im weiß-blauen Alpenidyll geboren wurde, Oberbürgermeister von München werden kann? Als im Jahr 1960 ein neues Oberhaupt für Bayerns Landeshauptstadt gesucht wird, hat CSU-Kandidat Josef Müller versucht, dem in Göttingen geborenen SPD-Kandidaten Hans-Jochen Vogel das Bayrische abzusprechen. Und wahrscheinlich geglaubt, mit dem bajuwarisch klingenden Spitznamen "Ochsen-Sepp" zusätzliche Wählerstimmen zu rekrutieren.

Was aber nicht gelang. Und so musste der "Ochsen-Sepp" seine Niederlage einräumen und Hans-Jochen Vogel wurde mit 34 Jahren Oberbürgermeister in München - als jüngstes Oberhaupt einer europäischen Millionenstadt. Und durfte fortan auch die Erfolge der Münchner Kicker würdigen - wie hier die Mannschaft von 1860 München nach dem DFB-Pokalsieg im Jahr 1964.

Hans-Jochen Vogel

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Der OB-Posten in der Landeshauptstadt ist der Startschuss für eine große Politik-Karriere. In München vollzieht Vogel die Abkehr von der "autogerechten Stadt" und forciert den Bau von S- und U-Bahn. Und er holt die Olympischen Sommerspiele 1972 nach München (auf dem Foto: Vogel bei seiner Ansprache zur Grundsteinlegung der Olympiabauten auf dem Oberwiesenfeld). 1966 wird Vogel mit 77,9 Prozent in seinem Amt bestätigt - das hat nicht einmal Christian Ude geschafft.

Zwei Amtszeiten, genau 4444 Tage, hält der SPD-Mann durch - dann hat er genug. Weil sich der Konflikt mit den SPD-Linken in München immer weiter zuspitzt, verzichtet Vogel auf eine erneute Kandidatur und übergibt das Zepter wenige Wochen vor dem Beginn der Olympischen Spiele an Georg Kronawitter (SPD).

HANS-JOCHEN VOGEL IN BERLIN

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Die neue politische Heimat von Hans-Jochen Vogel wird Bonn. Zunächst als Wohnungsbauminister unter Willy Brandt (SPD), ab 1974 dann als Justizminister im Kabinett von Brandts Nachfolger Helmut Schmidt (SPD). Im Januar 1981 lässt er sich in Berlin in die Pflicht nehmen. Dort war der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe nach einer gescheiterten Senatsumbildung zurückgetreten - und Vogel übernimmt. Er macht eine gute Figur in Berlin (hier bei seiner Regierungserklärung vor dem Abgeordnetenhaus), aber wieder scheitert der SPD-Mann an den Flügelkämpfen seiner Parteibasis. Vogels SPD verliert die Wahlen und der Kurzzeit-Bürgermeister muss nach nur wenigen Monaten sein Amt an den CDU-Mann Richard von Weizsäcker abgeben.

Hans-Jochen Vogel, Steffen Reiche

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Und wieder eine Wahl, nur zwei Jahre später im Jahr 1983. Und wieder verliert Hans-Jochen Vogel sie - dieses Mal geht es um das Amt des Bundeskanzlers, und der Sieger heißt Helmut Kohl. Vom "neuen Opfergang für die Partei" sprechen viele Kommentatoren mitleidig und aus vielen Ecken ist zu hören, Vogel wäre mit seiner Akribie, seinem Fleiß und auch mit seiner Standhaftigkeit sicher ein guter Kanzler geworden.

Stattdessen wird er Oppositionsführer, übernimmt den SPD-Fraktionsvorsitz und im Jahr 1987 auch das Amt des Parteichefs. Das Bild von Ende 1989 zeigt Vogel mit Steffen Reiche, dem Vorstandsmitglied der in der DDR neugegründeten SDP (später SPD), vor der SPD-Bundestagsfraktions-Vorstandssitzung im Bonner Bundestag.

Hans-Jochen Vogel

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Nach der Niederlage von SPD-Kandidat Oskar Lafontaine bei der Bundestagswahl 1990 reicht es Hans-Jochen Vogel und er zieht sich aus der ersten Reihe der deutschen Sozialdemokratie zurück. Björn Engholm wird neuer Parteichef, Hans-Ulrich Klose übernimmt den Fraktionsvorsitz. Und Vogel? Beschließt, sich bei der Wahl 1994 nicht mehr um ein Bundestagsmandat zu bewerben und beginnt seine postpolitsche Karriere als "Elder Statesman". Er engagiert sich im von ihm mitbegründeten Verein "Gegen Vergessen - für Demokratie", mischt ab September 2000 als stellvertretender Vorsitzender in der Zuwanderungskommission mit und im Nationalen Ethikrat.

Muenchner SPD ehrt Mitglieder

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In München wird der ehemalige OB noch immer verehrt. Gerne erzählt Hans-Jochen Vogel von Gesprächen in der U-Bahn, wenn Bürger ihn für den Bau derselben loben. Das Besondere an München sei für ihn, "dass die Menschen noch nicht völlig im Ökonomischen aufgehen", sagt er. "Es sind die Feste, die menschliche Nähe, die Mundart, ein Bewusstsein für die Geschichte und Traditionen dieser Stadt - und manchmal ist es einfach der Himmel über der Stadt." Anlässlich seiner 50-jährigen Parteimitgliedschaft im November 2000 kommt auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (2.v.l.) nach München.

VOGEL-BRÜDER BEI PRIVAT-TREFFEN

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Aber da gibt es noch einen anderen Vogel. Der kleine Bruder Bernhard, auch Bernd genannt, macht in der CDU Karriere, wird unter anderem Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen. Was die beiden unterscheidet - abgesehen vom unterschiedlichen Parteibuch? Bernhard Vogel sagt über seinen Bruder: "Er war immer der Korrektere, der Pedantischere, der wesentlich bessere Schüler, der ..." Und Hans-Jochen erzänzt: "Sag es ruhig, der Oberlehrer!"

VOGEL

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Wenn es so etwas wie ein Motto der politischen Karriere von Hans-Jochen Vogel gibt, dann ist das vielleicht dieser eine Satz, den Genosse Herbert Wehner ihm einmal auf einen Zettel geschrieben hat: "Trotz alledem: Weiterarbeiten und nicht verzweifeln". Viele Jahre lang hat Vogel diesen Zettel in seinem Geldbeutel mit sich getragen.

OB-WAHLKAMPF MÜNCHEN KRONAWITTER UDE VOGEL

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Drei Bürgermeister, drei unterschiedliche Typen: Christian Ude (Mitte) sucht derzeit nach einem Kandidaten für seine Nachfolge, doch Hans-Jochen Vogel hält sich mit Ratschlägen zurück. Schließlich seien "öffentliche Ratschläge auch Schläge". Genauso hat er es mit seinem direkten Nachfolger Georg Kronawitter (links) gehalten. Dessen Hochhaus-Volksentscheid, wonach in der Landeshauptstadt keine Häuser mit einer Höhe von mehr als 100 Metern gebaut werden dürfen, kommentiert er nicht. "Zwischen dem Alt-OB und dem Uralt-OB gibt es eine Verständigung, dass in solchen Fällen immer nur einer in Erscheinung tritt." Darum habe sich Kronawitter bei der Debatte um den Umbau des Olympiastadions (Vogel war dagegen) rausgehalten und er, Vogel, bei der Hochhaus-Debatte geschwiegen.

Hans-Jochen Vogel wird 85

Quelle: dpa

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Dieses Haus ist seit 2006 die Heimat von Hans-Jochen Vogel und seiner Frau Liselotte. Damals hat das Paar seine Altbauwohnung im Münchner Stadtzentrum gegen ein 81 Quadratmeter großes Appartment im Stift Augustinum eingetauscht. Man müsse die Weichen für das Alter stellen, solange man noch dazu in der Lage sei, sagen die beiden. Liselotte Vogel genießt das Yoga-Training, das im Heim angeboten wird, und ebenso die Schwimmrunden im Pool des Stifts. Ein Tabuthema gibt es übrigens bei den Gesprächen mit ihrer Tischgemeinschaft: die eigenen Krankheiten und Gebrechen.

Liselotte und Hans-Jochen Vogel, 2010

Quelle: Robert Haas

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Seit 1972 sind Hans-Jochen und Liselotte Vogel verheiratet, beide in zweiter Ehe. Sie ist evangelisch, er katholisch. Und so geht das Paar an den Sonntagen manchmal in die katholische Messe und dann wieder in den evangelischen Gottesdienst. Sie mag den Weihrauch nicht besonders, dafür die Marienlieder. Und Katholik Hans-Jochen Vogel schätzt die "nüchterne Atmosphäre" der protestantischen Kirchen.

Demonstrationen in Dorfen

Quelle: dpa/dpaweb

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Präsent ist Hans-Jochen Vogel noch immer in der Stadt. Vor allem wenn es um den Kampf gegen den Rechtsextremismus geht - eines seiner wichtigsten Themen. Hier spricht Vogel im Dezember 2004 in Dorfen (Landkreis Erding) bei einer Gegendemonstration zu einem NPD-Aufmarsch.

Kulturfest 'München ist bunt' als Protest gegen Neonazis, 2010

Quelle: Stephan Rumpf

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Und auch im Jahr 2010, als die Stadt mit dem Fest "München ist bunt" gegen Neonazis demonstriert, zeigt Vogel (rechts im Bild) Flagge. "Weiterarbeiten und nicht verzweifeln"  gilt auch bei diesem Thema.

© sueddeutsche.de/tob/bön
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