Haar:Wie die Ente aufs Nashorn kommt

Das Chiemgauer Volkstheater hat das Kleine Theater Haar als neue Spielstätte auserkoren, um seine Stücke vom Bayerischen Fernsehen aufzeichnen zu lassen. Ein Besuch der Generalprobe der "Bixlmadam" zeigt, dass hier ein gut eingespieltes Team am Werk ist

Von Franziska Gerlach, Haar

Fünf, sechs Wiederholungen braucht es schon, bis der Entenbraten auf dem Nashorn steckt. Das Problem sei, hat Andreas Kern gerade von der hell ausgeleuchteten Bühne im Kleinen Theater Haar hinunter gerufen, dass das Nashorn zu weit nach oben zeige. Den Entenbraten aus Plastik im Vorbeigehen aufzuspießen, das ist für den Schauspieler nämlich gar nicht so einfach.

Im Dunkel des Zuschauerraums beraten zwei Männer die Nashorn-Problematik, Regisseure sind sie beide. Der eine heißt Harald Helfrich und hat die bayerische Komödie "Bixlmadam" in den vergangenen fünf Wochen mit dem Ensemble des Chiemgauer Volkstheaters einstudiert. Der andere, Thomas Kornmayer, ist Bildregisseur beim BR Fernsehen. Und der greift nun zum Mikrofon und sagt: "Gut, wir versuchen das feinzutrimmen." Will heißen: Das Horn für den Entenbraten wird wohl noch entsprechend begradigt werden, ehe der BR Peter Landstorfers Dreiakter um drei Pferdehändler, die auf dem Weg zum Rossmarkt versehentlich in einem noblen Hotel landen anstelle eines Gasthofes, in dem Jugendstil-Theater in Haar vor Publikum aufzeichnen wird. Dann muss alles klappen wie am Schnürchen, der Zuschauer soll die "Bixlmadam" ja möglichst ohne Unterbrechung sehen. Bei den sogenannten heißen Proben aber, die an diesem kalten Vormittag stattfinden, ist noch Raum für die Korrekturen. Große Veränderungen stehen natürlich nicht mehr an, der Text sitzt weitgehend, jetzt geht es um Details. Gerade aktionsreiche Szenen aber werden mehrmals hintereinander gespielt, damit sich die Kameraleute an die schnellen Bewegungen der Schauspieler gewöhnen. Ein Warmlaufen für den großen Auftritt, wenn man so will.

Haar: Harald Helfrich, Regisseur des Chiemgauer Volks- theaters, hat auch Details im Blick.

Harald Helfrich, Regisseur des Chiemgauer Volks- theaters, hat auch Details im Blick.

(Foto: Claus Schunk)

Das Mundartstück spielt im Jahr 1911, die Kulisse stellt eine Hotellobby mit Bar dar. Es ist nach einem Gastauftritt des "Tegernseer Volkstheaters" bereits das zweite Stück, das der BR in Haar als neuer Spielstätte umsetzt, weil der bisherige Drehort, Gut Nederling im Münchner Stadtbezirk Moosach, nicht mehr zur Verfügung steht. Redakteurin Sabine Boueke-Loosen gerät da prompt ins Schwärmen. Ein wunderschönes Theater sei es, ein Kleinod, das es zu würdigen gelte, mit hilfsbereiten Mitarbeitern obendrein: Eine Stromleitung durch den Keller zu legen, sei jedenfalls kein Thema gewesen, sagt sie. Für die Probe sind manche der Schauspieler bereits in vornehme Westen geschlüpft oder haben steife Hüte aufgezogen. Besonders fesch kommt Mona Freiberg als "Sofe Koanzen" im moosgrünen Samtjäckchen daher, die - wie sich mit Fortschreiten der Handlung herausstellen wird - eine richtige Bixlmadam ist. So nannte man zur Zeit Napoleons Frauen, die zur Jagd gingen, was damals ja eigentlich Männersache war. Später wurde der Begriff dann nicht mehr nur auf Frauen angewandt, die mit einem Gewehr oder einer Büchse umgehen können, sondern auch ganz generell auf Damen, die vorgeben, mehr zu sein, als sie de facto sind. "Das ist die größte Aufschneiderin von allen", flüstert Regisseur Harald Helfrich. Erzählt dem armen Pferdehändler mit dem Holzbein etwas von einem Anwesen und einem Haufen Geld - und hat doch offenbar außer einem losen Mundwerk nicht wirklich etwas vorzuweisen. Als Theaterregisseur hat Helfrich den größten Teil seiner Arbeit freilich schon hinter sich, dennoch verfolgt er die Probe aufmerksam. Manchmal gebe es eben doch etwas - einen Blick, der länger gehalten werden soll. Oder eine Handbewegung, die anders ausgeführt besser wirkt.

Haar: Mehrere Kameras im Kleinen Theater ermöglichen verschiedene Aufnahmepositionen und Blickwinkel.

Mehrere Kameras im Kleinen Theater ermöglichen verschiedene Aufnahmepositionen und Blickwinkel.

(Foto: Claus Schunk)

Berührungsängste mit der Kamera haben die Schauspieler allerdings nicht. Das Chiemgauer Volkstheater arbeitet schon seit vielen Jahren mit dem BR zusammen, allein im Kleinen Theater werden in diesen Tagen und im Juni insgesamt vier Stücke aufgezeichnet - die Aufführung von "Bixlmadam" diesen Samstag ist freilich ausverkauft und für "Voll guat drauf" am 26./27. April gibt's nur noch Restkarten.

Generell lernt das Ensemble bereits bei den Proben, wo sich letztlich die Kameras befinden, wie sie den Kopf bei dieser oder jener Einstellung drehen müssen. Und so sind es eher Fragen wie jene, ob der terracottafarbene Läufer vor den Bistrotischen oder unter ihnen liegen soll, die bei den "heißen Proben" aufkommen. Besser davor, sind sich Helfrich und Kornmayer einig. Das wäre also geklärt, und weil die Klaviermusik den Dialog zwischen Kellnerin und Pferdehändler übertönt, streichen die Regisseure sie kurzerhand ganz. Entscheidungen wie diese fallen ohne große Diskussionen. Teamarbeit ist gefragt: Die Leute vor und hinter der Kamera müssen aufeinander abgestimmt sein wie Ton und Licht.

Das Chiemgauer Volkstheater ist demnächst nicht mehr im Bayerischen Rundfunk zu sehen.

Zusammen mit seinem Kollegen vom Fernsehen entscheidet Harald Helfrich, was wie in Szene gesetzt werden soll.

(Foto: Claus Schunk)

Auch die sechs Kameras halten nicht einfach so auf die Bühne. Kornmayer hat sich genau überlegt, welche Kamera was einfängt. Manchmal handelt es sich dabei um mehrere Sätze, mal ist es nur eine Geste. Dem Zufall bleibt da wenig überlassen, noch nicht einmal die Reaktion des Publikums. "Hier könnte es Applaus geben", sagt Kornmayer am Ende einer Szene. Es wird kurz dunkel im Saal. Und wenn man auch gerne klatschen möchte ob des gut gemachten Unterhaltungsstückes, lässt man es vorerst bleiben.

Das BR Fernsehen strahlt die Aufzeichnung der "Bixlmadam" am 3. Dezember um 20.15 Uhr aus, das Chiemgauer Volkstheater gastiert am 23./24. Juni mit "Gspenstermacher" und am 28./29. Juni mit "Zoff im Puff" erneut im Kleinen Theater.

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