Breitere Geh- und Radwege, Fahrradstreifen auf Straßen, Mobilitätsstationen und ein Umbau der Leibstraße: Stadtplaner des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München haben am Montagabend auf einer Bürgerversammlung etliche konkrete Projekte vorgestellt, die in der Gemeinde Haar die Bedingungen für Autofahrer, Radler und Fußgänger grundlegend verändern und verbessern sollen. Die etwa 140 Anwesenden im Bürgersaal konnten jede Maßnahme des "Integrierten Mobilitätskonzepts" bewerten. Noch vor der Kommunalwahl könnte der amtierende Gemeinderat das Paket beschließen. Dann ginge es direkt an die Umsetzung.
Wie sehr Verkehrsfragen die Haarer bewegen, war nach dem Vortrag von Stadtplanerin Birgit Kastrup, dem alle Teilnehmer konzentriert folgten, an den Debatten vor den Stellwänden zu erleben. Dort waren Maßnahmen beschrieben und jeder war aufgerufen, mit einem Stift das Vorgeschlagene zu bewerten. Am hitzigsten ging es am Stand zur Leibstraße zu. Während CSU-Bürgermeisterkandidat Andreas Bukowski und SPD-Fraktionschef Alexander Zill über einen Umbau in eine verkehrsberuhigte Geschäftsstraße diskutierten, schrieb jemand an die Tafel: "Super Lösung, sollte flott umgesetzt werden." Sylvia und Miroslav Kalinay, die das Geschehen aus ein paar Metern Abstand verfolgten, wohnen an der Leibstraße. Die Situation sei "unerträglich", sagte Sylvia Kalinay, der Verkehr sei zu dicht. Es müsse etwas geschehen. Miroslav Kalinay fand die Idee mit dem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich überzeugend. Er hoffe auf mehr "Lebensqualität". Gut sei, dass die Bürger nach ihrer Meinung gefragt würden.
Tatsächlich befürworteten viele mit einem Kreuzchen auf der Leibstraße-Tafel die von den Stadtplanern empfohlene Verkehrsberuhigung, die Auto-Durchfahrten weiter zulässt, aber weniger Parkplätze vorsieht und auf der staugeplagten Einkaufsmeile Fußgängern und Radfahrern mehr Raum einräumt, wobei Radler auf der Straße fahren sollen. Es gebe erprobte Beispiele wie in Bad Rothenfelde, sagte Stadtplanerin Kastrup, als sie in der Vortragsrunde darauf angesprochen wurde, ob das Konzept auch bei 5000 Fahrzeugen täglich und mehr funktioniere. Weniger Zuspruch fand eine Einbahnstraßenregelung, die laut Verkehrsplaner Robert Ulzhöfer von Süd nach Nord, also von der B 304 Richtung Kreisverkehr, eingerichtet werden müsste. Ulzhöfer warnte, nach seinen Untersuchungen würde das nennenswert mehr Schleichverkehr und längere Fahrtwege mit sich bringen.
Alles deutet nun darauf hin, dass die Leibstraße verkehrsberuhigt wird. Wobei das letzte Wort nicht gesprochen ist. Die Versammlung soll mit den Ergebnissen der am Dienstag angelaufenen Online-Befragung (unter www.app.maptionnaire.com/de/7347/), die bis Ende Dezember angesetzt ist, zur Leibstraße und vielen anderen Punkten ein letztes Meinungsbild der Haarer liefern, damit dann im Februar der Lenkungsausschuss, in dem Verwaltung, Planer und die Fraktionen des Gemeinderats vertreten sind, Prioritäten setzt. Dann geht es in den Gemeinderat.
Bis dato zeichnet sich auch ab, dass die Gronsdorf-Kolonie zu einem verkehrsberuhigten Bereich werden könnte, wie auch die Freibadstraße. Für die Unterführungen in der Keferloher Straße und in der Leibstraße steht im Raum, für Radler Schutzstreifen auf der Straße zu markieren. Noch im Gespräch, wenngleich von den Fachleuten nicht empfohlen, ist in der Keferloher Straße ein in beide Richtungen befahrbarer Radweg auf der Westseite. Stadtplanerin Kastrup empfahl gezielte Verbesserungen bei den häufig schmalen Geh- und Radwegen. 14 Querungshilfen könnten geschaffen werden, so etwa in der Schneiderhofstraße am Bahnhof in Gronsdorf. 58 Verbesserungen sind alleine beim Radverkehr vorgeschlagen - zum Beispiel die Ausweisung der Seidlhofstraße als Fahrradstraße.
Thomas Klosterhuber aus der Tannenhofsiedlung sagte, er sei "positiv überrascht" von der Fülle der Maßnahmen. Und doch sei es "noch nicht zufriedenstellend", weil der Autoverkehr noch stärker eingeschränkt werden müsste. Auch große Straßenprojekte sind Bestandteil des Mobilitätskonzepts, wie der Bau einer Verbindung von Eglfing zur Keferloher Straße und eventuell weiter zur Schneiderhofsraße und nach Trudering; ebenso die Verlegung der B 471, also die Autobahnparallele. Die Straßenprojekte aber, so hieß es, seien mittel- bis langfristig angelegt. Konkret angehen wolle man all das andere.