Als der bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Urkunde an Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (beide CSU) übergibt, stehen die rund 300 Menschen im Bürgerhaus. Eine ganze Weile donnert der Applaus für den Rathauschef durch den hohen Raum; die Luftschwingungen lassen die blauen, roten und goldenen Lametta-Girlanden, die für den anstehenden Kinderfasching von der Decke hängen, leicht flattern und wogen. Nachdem sich alle wieder gesetzt haben, ist vielfaches Klirren von Gläsern zu hören, als die Festgäste entlang der weiß eingedeckten Tische auf die neue Stadt Haar anstoßen.
Seit Dienstagabend ist Haar nun also offiziell keine Gemeinde mehr, sondern die dritte Stadt im Landkreis München – nach Garching, das diesen Titel seit 1990 führt, sowie Unterschleißheim, das zehn Jahre später dazukam. In Oberbayern wurden zuletzt Puchheim und Olching zur Stadt erhoben, doch auch das liegt bereits 14 Jahre zurück. Umso stolzer zeigt man sich nun in Haar über diesen Meilenstein in der eigenen Ortsgeschichte – und das soll nun möglichst schnell nach außen getragen werden.
Die Haarer Eigendarstellung wird sich entsprechend rasch und sichtbar verändern. „Briefpapier, Signaturen, Ortsschilder, die Website – das tauschen wir ab jetzt alles aus“, sagt Bürgermeister Andreas Bukowski. Künftig ist der Internetauftritt unter der neuen Domaine „www.stadt-haar.de“ erreichbar; an der Fassade des Rathauses ist bereits seit vergangener Woche eine neue Plakette angebracht, darauf das altbekannte Wappen mit der Axt und den zwei Bäumen, untertitelt natürlich von dem Wort „Stadt“. Das Schild wird am Freitag bei einem Bürgerfest feierlich enthüllt werden.
„Mit der Verleihung der Bezeichnung Stadt wird Haar aus der großen Zahl kreisangehöriger Gemeinden hier im Landkreis herausgehoben und damit auch geehrt – eine sichtbare Anerkennung für seine außergewöhnliche Aufwärtsentwicklung“, sagt Innenminister Joachim Herrmann in seiner Festrede. Als eine der größten Kommunen im Landkreis München habe sich Haar durch seine „besondere Vitalität und Attraktivität“ den „Ehrentitel“ verdient. „Wer heute Stadt werden will, der muss schon etwas Besonderes darstellen“, sagt Herrmann.

Während das Stadtrecht in früheren Jahrhunderten einen bedeutenden Aufstieg markierte und mit zahlreichen Rechten und Pflichten für Verwaltung und Bewohner verbunden war, hat der Titel heute vor allem symbolischen Charakter. Für die Bürger Haars bleibt formal alles wie gewohnt: Gemeindliche Dokumente und Ausweise behalten ihre Gültigkeit, auch an der Münchner Vorwahl und dem Autokennzeichen ändert sich nichts. Die Veränderungen zeigen sich eher in der Außendarstellung sowie in gewissen Bezeichnungen: Der Gemeinderat etwa wird zum Stadtrat, die Gemeindewerke zu Stadtwerken.
Landrat Göbel nennt die neue Stadt „authentisch“
Mit rund 25 000 Einwohnern liegt Haar im Größenvergleich der bayerischen Städte immerhin auf Rang 61 von 318. Viel mehr als mit seiner Bevölkerungsdichte habe die bisherige Gemeinde insbesondere als Heimat des Isar-Amper-Klinikums beeindruckt, eines der größten psychiatrischen Fachkrankenhäuser Deutschlands mit einer 120-jährigen Historie und „überregionaler Ausstrahlung“, so Herrmann.
Ebenso als ÖPNV-Knotenpunkt, als Vorreiter bei der Digitalisierung und mit dem „breiten Spektrum“ an Veranstaltungen, Vereinen und kulturellen sowie Bildungsangeboten, welche die Grundlage für die hohe Lebensqualität der Haarer Bürgerinnen und Bürger bildeten. „Haar hat immer es geschafft, Tradition und Fortschritt, Landwirtschaft und Wirtschaftswachstum, hochmoderne Ansätze und traditionelle Vereine zusammenzubringen“, lobt auch Landrat Christoph Göbel (CSU). Haar sei „authentisch“.

Bürgermeister Andreas Bukowski hofft, dass die Stadterhebung den Menschen die Chance biete, „daran mitzuarbeiten, Haar lebendig und vielseitig zu halten und zu gestalten, aber auch an einem Strang zu ziehen, um Haar finanziell wieder stark zu machen“. 600 Seiten umfasste nach seinen Worten der Antrag auf den Stadttitel, den die Rathausverwaltung im Juli 2023 beim Landratsamt einreichte. Bis die Prüfungen der Dokumente durch die Regierung von Oberbayern samt Hauptstaatsarchiv und dem Innenministerium abgeschlossen waren, verging rund ein Jahr.
Der neue Titel sporne an, von nun an „kräftiger und zügiger anzupacken“, sagt Bukowski. Es gebe viel zu tun: Die Leibstraße gehöre saniert, zwei neues Kitas und ein Busbahnhof gebaut, Energieprojekte wie eine Photovoltaikanlage in Salmdorf und das interkommunale Geothermie-Projekt entwickelt. Dabei stehe die Stadt derzeit finanziell unter Druck – sie brauche dringend neue Gewerbeflächen.

Erst einmal jedoch soll gefeiert werden: Nach dem Festakt für geladene Gäste am Dienstag sind alle Bürgerinnen und Bürger am Freitag, 31. Januar, zu einer Feier rund um das Rathaus und den Kirchenplatz eingeladen. Nach der Enthüllung des neuen Rathausschilds um 16 Uhr sorgen unter anderem Musik- und Showeinlagen, Bastelaktion und Verkaufsstände bis 20 Uhr für Stimmung in der neuen Stadtmitte.