Süddeutsche Zeitung

Haar:Ruf nach einer Sozial-Quote

Steigende Mieten und Bodenpreise in der Region: Bei einer Veranstaltung über "Bezahlbares Wohnen" in Haar kritisieren die Organisatoren kostspielige Sanierungen. Eine Grünen-Abgeordnete sieht den Staat in der Pflicht

Von Sabine Wejsada, Haar

Der Siedlungsdruck ist gewaltig: Seit Mai hat die Stadt München mehr als 1,5 Millionen Einwohner - und auch im Landkreis ist der Zuzug ungebrochen. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Die Attraktivität des Ballungsraums mit sicheren Arbeitsplätzen und hohem Freizeitwert wird die Menschen weiter anziehen. Die Kehrseite der Medaille: explodierende Mieten und Bodenpreise. Wer nicht genug verdient, kann sich in München und im Umland keine Wohnung mehr leisten, geschweige denn Eigentum kaufen.

Grund genug für das "Bündnis bezahlbares Wohnen" und die Schutzgemeinschaft für Wohnungseigentümer und Mieter am Sonntag in Haar bei einer Veranstaltung auf die wachsende Misere in der Boomregion hinzuweisen - und Forderungen aufzustellen, wie dem Mietwucher und den aus dem Ruder gelaufenden Preisen für Eigentum beizukommen sein könnte. Mehr als 90 Gäste waren der Einladung der Organisatoren gefolgt und informierten sich an einem schwülwarmen Nachmittag, was die Schutzbündnisse von der Politik verlangen und was die Politik, in diesem Fall in Gestalt der Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina, von den Ideen hält.

"Wir brauchen keine Neubauten, wir brauchen preisgünstige Wohnungen", sagte Norbert Deul, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft für Wohnungseigentümer und Mieter und verwies auf eine Modell-Rechnung, die sein Verein für eine Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung mit 70 Quadratmetern in München aufgestellt hat: Mindestens 450 000 Euro seien für ein solches Objekt zu berappen. Ein Batzen Geld, den die wenigsten Menschen investieren könnten. Schlichtweg, weil sie nicht genug verdienten. Für Investoren aber lohnten sich die Ausgaben bei Weitervermietung. Lege man eine Rendite von drei Prozent zugrunde, dann betrage die Miete bereits 1440 Euro, wolle einer mehr, also fünf Prozent Rendite, seien es schon 2190 Euro Miete. "Utopisch", wie Deul versichert. Kein Mensch könne so viel Geld ausgeben.

Eine "weitere Bedrohung" sieht Deul in der Modernisierung von Bestandswohnungen; elf Prozent der Investitionskosten könnten auf die Mieter umgelegt werden - "was alles noch einmal teurer macht". Gerade die energetische Sanierung ist dem Vereinsvorsitzenden ein Dorn im Auge: Die nach dem Umbau erhobene Miete übersteige um das Zehnfache die Einsparungen der Energiekosten. Deshalb verlangen er und das Wohn-Bündnis eine komplette Streichung dieser Umlage; die Miete dürfe, wenn modernisiert und saniert worden sei, maximal um den Betrag der Einsparung von beispielsweise Heizkosten steigen. Und: Wenn die Investition des Vermieters nach zahn Jahren abbezahlt sei, müsse der Zuschlag auf die Miete ganz wegfallen.

Das sieht Maximilian Heisler vom Münchner "Bündnis Bezahlbares Wohnen" ebenso. In der seit fünf Jahren bestehenden Vereinigung sind derzeit 27 Mietergemeinschaften und Stadtteilvereine organisiert. "Wir vertreten die Interessen von Mietern und Vermietern. Wir setzen auf Kooperation statt Konfrontation." Schlussendlich litten nämlich beide Seiten unter den Verhältnissen auf dem überhitzten Eigentums- und Wohnungsmarkt. Zusammen engagiere man sich für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum und vernetze von Entmietung betroffene Mieter miteinander.

Kerstin Celina, Landtagsabgeordnete der Grünen aus Würzburg und in ihrer Partei sozial- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin ihrer Partei, war beim Thema energetische Sanierung, die von ihren Vorrednern als Preistreiber angeprangert wurde, erwartungsgemäß anderer Meinung: Durch eine Senkung der Energiekosten würden auch die Belastungen für den Mieter sinken, sagte sie und verwies auf die erhebliche Steigerung der Nebenkosten durch hohe Rohstoffpreise in der Vergangenheit und wohl auch in der Zukunft. Dies treibe die Mieten in die Höhe. Auf die Frage, wer die Sanierung denn bezahlen solle, positionierte sich die Grünen-Politikern klar: Das könnten nicht Vermieter und Mieter allein, hier sei der Staat gefordert. Genau wie in der Festlegung einer "Sozial-Quote" für die Gestaltung von Neubaugebieten, wie es manche Städte in Deutschland bereits täten: 20 Prozent Sozialwohnungen, 20 Prozent der Wohnungen mit "gedämpften Mieten" und der Rest mit einer Kaltmiete von zehn Euro. Der Ballungsraum München sollte sich da ein Beispiel nehmen - und Druck auf dem Wohnungsmarkt nehmen, sagte CCelina.

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SZ vom 15.06.2015
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