Haar:Retter der Dachgauben

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Die Dr.-Mach-Straße in Haar mit den charakteristischen Reihenhäusern (links) und einem Wohnhochhaus. (Foto: Claus Schunk)

In Haar regt sich erbitterter Widerstand gegen die Änderung des Bebauungsplans für die Eiwobau-Siedlung. Hauseigentümer befürchten, ihr Viertel nicht mehr individuell gestalten zu können. Das Bauamt arbeitet nun nach

Von Bernhard Lohr, Haar

Pläne der Gemeinde Haar, in einem aus den frühen Siebzigerjahren stammenden Wohngebiet bauliche und gestalterische Regularien durchzusetzen, haben einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Mehr als 30 Bewohner der Eiwobau-Siedlung verfolgten die jüngste Sitzung des Bauausschusses des Gemeinderat, die wegen des Andrangs in den großen Sitzungssaal verlegt werden musste. Die Hauseigentümer protestierten in der Fragestunde gegen Vorschriften, die den Bau von Dachgauben einschränken und äußerten ihren Unmut darüber, dass im Bereich der Dr.-Mach-Straße Sichtschutzwände und Zäune nur noch in gewissem Maß zulässig sein sollen.

Der Protest, den viele bereits im Vorfeld schriftlich per Eingaben an das Bauamt zum Ausdruck gebracht hatten, blieb auch nicht ohne Wirkung. Offenkundig herrscht wegen des Bebauungsplanverfahrens seit Monaten dicke Luft zwischen den Bewohnern und der Verwaltung. Im Bauausschuss trafen die Kritiker der "Regelungswut", wie es einer in einer Protestnote nannte, teilweise auf Zustimmung.

Die Bewohner der Siedlung hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten auch an gewisse Freiheiten gewöhnt. Die Behörden schauten der Entwicklung an der Dr.-Mach-Straße, direkt an der Grenze zur Landeshauptstadt, zu. Es handelt sich um schmale Häuser und Grundstücksstreifen, die etwa sechs Meter breit sind. Um sich dort ungestört aufhalten zu können, zogen viele Bewohner Zäune und Sichtschutzwände hoch und schufen mit Thujenhecken geschützte Bereiche. Bis vor eineinhalb Jahren die Gemeinde anlässlich des Antrags eines Hauseigentümers, eine Dachgaube auf seinem Haus zu errichten, hellhörig wurde. Von denen gab es nämlich schon einige im Gebiet, obwohl dies der Bebauungsplan untersagte. Der Gemeinderat beschloss im September 2017, alles neu zu regeln. Er verhängte eine Veränderungssperre und das Bauamt machte sich an die Arbeit.

Es wurden diverse Untersuchungen angestellt und Dinge festgelegt, von denen man im Rathaus meinte, sie wären akzeptabel. So orientierte man sich bei den Gauben am Bestand, wie es in den Sitzungsunterlagen heißt, und man beschloss, solche auf der steileren Seite der asymmetrisch gestalteten Dächer zuzulassen. Auf der anderen Seite sollten diese verboten bleiben, um kein Quasi-Vollgeschoss entstehen zu lassen. Und weil es nach Überzeugung im Rathaus auch nicht schön aussehen würde. Bei Zäunen und Sichtschutz sollte es mehr "Gestaltungsspielraum" geben. Vieles werde auf diese Weise "legalisiert", argumentiert das Rathaus.

Zwischen Terrassen sollten Sichtschutzwände in einer Höhe von maximal 2,2 Meter erlaubt sein, im Vorgarten hin zur Straße wären zwei Meter zulässig. An Material würde nur noch Holz in Braun- oder Grautönen gebilligt. Bei Zäunen und Hecken stellte sich das Rathaus eine Obergrenze von 80 Zentimetern vor. Rohrmatten, Gabionen, Mauern, Kunststoffplatten und Stacheldraht wären verboten.

An den meisten Bewohnern ging lange vorbei, dass die Gemeinde über all das nachdenkt. Als doch jemand merkte, dass ein Bebauungsplan-Entwurf öffentlich ausgelegt war, informierte er mit Handzettel die Nachbarschaft. Und viele, die sich dann die Pläne anschauten, verstanden die geplanten Vorgaben als Aufforderung zum Widerstand. "Warum muss denn immer alles aus ordnungspolitischer Sicht einheitlich zum Nachteil von Individualinteressen geregelt werden?" fragte einer in seiner Eingabe. Ein anderer beklagte "drohende Eigentumsentwertung", und wieder ein anderer meinte, sogar im Tierpark in Hellabrunn werde mittlerweile der "Individualität der Bewohner Rechnung getragen". Nur nicht in Haar.

Der Wunsch nach mehr Individualität traf im Gemeinderat auf gewisses Verständnis. Werner Kozlik (Grüne) sprach sich für Kompromisse aus. Er schlug vor, dass die Hauseigentümer frei entscheiden sollten, auf welcher Dachseite sie eine Gaube wünschten. Es gehe schließlich um die Schaffung von Wohnraum. Thomas Reichel (CSU) sagte, er könne nachvollziehen, durch Gauben möglichst helle Räume zu bekommen. Alexander Zill (SPD) warnte aber vor Beliebigkeit. "Es gibt gute Gründe, warum das Gebiet damals so geplant worden ist." Auch Bauamtsleiter Josef Schartel plädierte, Regeln zu beachten; etwa, was die Wohndichte angeht. Mehr Wohnraum, etwa durch ein faktisches drittes Vollgeschoss, würde die Frage nach mehr Parkplätzen aufwerfen.

Der Bauausschuss rang sich nicht dazu durch, vor einer erneuten Auslegung den Bebauungsplanentwurf, wie er aktuell vorliegt, zu billigen. Das Bauamt wird noch mal drübergehen und speziell die Frage prüfen, ob bei den Dachgauben eine flexiblere Lösung vorstellbar ist.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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