Haar:Pädagoge im Unruhestand

Haar: Verzichtet auch als Pensionär nicht auf didaktische Aktionen: Han's Klaffl in seinem Programm "Schul-Aufgabe - Ein schöner Abgang ziert die Übung".

Verzichtet auch als Pensionär nicht auf didaktische Aktionen: Han's Klaffl in seinem Programm "Schul-Aufgabe - Ein schöner Abgang ziert die Übung".

(Foto: Claus Schunk)

Han's Klaffl inszeniert in Haar kabarettistischen Abgesang auf seine Zeit als Lehrer.

Von Udo Watter, Haar

Der Mann ist zwar seit einiger Zeit im Ruhestand, aber seine Synapsen scheinen noch gut geschmiert und fähig, die nötigen Informationen munter von Zelle zu Zelle weiterzuleiten. Wie sonst wäre es erklärbar, dass Han's Klaffl, wohnhaft in Ebersberg, den Weg nach Haar ganz ohne Navi gefunden hat? Nun, klar, der Kabarettist und Musiklehrer a. D. war am dortigen Ernst-Mach-Gymnasium von 1976 bis 2014 mit der Betreuung "verhaltensorigineller" Schüler betraut, und kehrte so ganz selbständig wieder an jenen Ort zurück, in dessen Dunstkreis über Jahrzehnte hinweg sich ihm ein reiches Reservoir an Inspiration darbot. Im Kleinen Theater Haar, diesem "schönen Haus", wie er sagte, präsentierte der 66-Jährige den dritten Teil seiner kabarettistischen Trilogie über Schulalltag und Lehrerdasein: "Schul-Aufgabe: Ein schöner Abgang ziert die Übung". Freilich spielen hier vor allem auch die Irrungen und Wirrungen des Pensionär-Daseins eine wichtige Rolle.

Die Erinnerungen an kleine und größere Absurditäten des schulischen Alltags fallen bei Klaffl bei aller boshaft-parodistischen Charakteristik ja immer auch liebevoll (selbst-)ironisch aus. Dass so ein Klassenzimmer mitunter zur Arena wird, in der aufgedrehte Heranwachsende und ein genervter Dompteur um die Hegemonie ringen, ist wohl eine, jedem noch aktiven Kollegen des Kabarettisten vertraute Erfahrung. Der frühere Lehrer, der schon in den 70ern mit Schülern eine Kabarett-Gruppe in Haar gründete, schöpft aus langer Bühnenerfahrung und beherrscht sein Fach: Timing und Pointenaufbau stimmen und wenn er etwa schildert, wie er als didaktisch ambitionierter Pensionär jetzt den Fachberater im Baumarkt mit Lückentexten nervt, ist das packend.

Ein echter Lehrer ist ja quasi nie außer Dienst. Die Welt von seinem Wissen und seiner Methodik profitieren zu lassen, gehört zu den nobelsten Pflichten. Vielleicht ist das Ganze aber auch nur eine Beschäftigungstherapie für einen, der seine Schüler mehr vermisst als er dachte. Einfach so "planlos ruhen", das geht nicht. Wie dann Klaffls Alter Ego die Ödnis bekämpft, mit To-Do-Listen, enervierendem G'scheidhaferltum, aber auch entlarvendem Blick auf die pensionierten Kollegen, das ist launig, wenn auch mitunter vorhersehbar und ab und an eher braver Schmunzelstoff.

Mit scharfer Logik zerlegt er die Planlosigkeit der Schulpolitik

Freilich zeigt Klaffl, selbst wenn er etwas über das nicht gerade originelle Hassthema "Laubsauger" spricht, schon seinen Esprit: Die "Hausmeister-Bazooka", die er erworben hat, heißt "Katrina" und sticht Nachbars "Wiebke" im Wettkampf der Laubsauger mit Wirbelsturm-Namen aus. Schön. Klaffl, der sich als Bewahrer der Sprachkultur sieht und eine innige Beziehung zu falsch gesetzten Apostrophen hat, schafft es eh immer wieder, schöne Begriffe zu kreieren: "Schutzdemenz" ist so einer, und aus Sicht des Musikkabarettisten eine besondere mentale Eigenschaft seiner Freunde im Kultusministerium.

Ja, wenn es um das G8 geht ("wie G7, nur mit Putin"), dann wird der leidenschaftliche Pädagoge auf Lebenszeit wütend, dann watscht er die Verantwortlichen mit ihren sonderbaren Ideen (Flexijahr) sauber ab. Mit scharfer Logik zerlegt er die Planlosigkeit der Schulpolitik und beklagt, dass da eine ganze Generation von Schülern willentlich verblödet worden sei - das wird man indes erst später merken. Nun, das Drama G8/G9 ist in Bayern noch nicht auserzählt, Klaffl wird es mit blutendem Herz weiter verfolgen. Am Schluss wird der Lehrer im (Un)ruhestand aber wieder melancholisch, während der letzten Musikeinlage am Cello ruft er wehmütig-milde seine Schulvergangenheit wach.

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