Süddeutsche Zeitung

Ministerbesuch:Nur für CSU-Mitglieder

SPD und Freie Wähler empören sich nach dem Besuch von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt darüber, dass ihre Bürgermeister nicht eingeladen wurden. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn verteidigt das Vorgehen: Es habe sich um eine Parteiveranstaltung gehandelt.

Von Bernhard Lohr, Haar/Oberschleißheim

Die CSU im Landkreis und deren Chef Florian Hahn ernten wegen des Besuchs von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Landkreis scharfe Kritik. SPD und Freie Wähler halten es für einen Affront, dass die CSU die Bürgermeister anderer Parteien über die Bahnhof-Stippvisite nicht vorab unterrichtet hatte. Als diese mit Dobrindt das Gespräch suchten, wurden sie nach ihrer Darstellung von CSU-Vertretern abgedrängt. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller sagt, sie sei angeschrien worden.

Die CSU hatte Dobrindts Besuch am vergangenen Freitag generalstabsmäßig vorbereitet. Der Zeitplan war straff. In Oberschleißheim, Haar, Hohenbrunn und Ebenhausen-Schäftlarn erwarteten Empfangskomitees den Minister. Bürgermeister, Gemeinderäte und Kreispolitiker waren da, sofern diese der CSU angehörten. Der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bayern, Klaus-Dieter Josel, war ebenso nach Oberschleißheim gereist wie hochrangige Vertreter der Bahn-Töchter DB Netz und DB Station & Service. Dem Minister und Bahn-Manager standen Pressesprecher zur Seite. Auch aus dem Landratsamt war eine Pressevertreterin dabei.

Trotz dieses Großaufgebots rechnete der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn fest damit, dass die CSU mit der geladenen Presse unter sich bleiben würde. Als Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) und Haars SPD-Bürgermeisterin Gabriele Müller dann doch bei den Ortsterminen in ihren Gemeinden aufkreuzten, verfinsterten sich die Mienen der CSU-Vertreter.

Und es blieb nicht dabei: Bürgermeisterin Müller berichtete am Montag, ihr sei von Hahn und dem Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch signalisiert worden, sie habe bei dem Termin nichts zu suchen. Dies sei eine Parteiveranstaltung der CSU. Beide hätten ihr "ins Gesicht geschrien". Später sei versucht worden, sie von Dobrindt fernzuhalten. Das misslang. "Ich habe mir mein Rederecht erkämpft", sagt Müller. Ähnliches berichtet Kuchlbauer, der sich ebenfalls durchsetzte und wie Müller am Ende mit den Bahn-Vertretern rege diskutierte.

Das Vorgehen der CSU hält er für eine "Unverschämtheit". So etwas schade zudem der Sache, weil er als Bürgermeister dem Minister anders entgegentreten könne. Müller spricht von einer "vertanen Chance". Sie schätze es, wenn es Hahn und der CSU gelinge, einen Minister zum Haarer Bahnhof zu lotsen. "Diese Lorbeeren lasse ich ihm." Doch solch ein Besuch müsse vorbereitet sein. Sie hätte noch einiges ansprechen wollen: Lärmschutz, Bahnsteigzugang Süd und mehr. Man hätte den Bahn-Vertretern Papiere mit Forderungen mit auf den Weg geben können.

Hahn weist den Vorwurf zurück, Müller auf die von ihr beschriebene Weise angegangen zu sein. Wer ihn kenne, wisse, dass dies nicht seine Art sei. Es habe sich allerdings um eine reine Parteiveranstaltung gehandelt, verteidigt er das Vorgehen, Bürgermeister ohne CSU-Parteibuch nicht eingeladen zu haben. Er setze sich auch nicht einfach aufs Podium, wenn die SPD eine Diskussion ausrichte. Wenn Müller ihn angerufen und gefragt hätte, ob sie kommen könne, hätte er wohl nicht Nein gesagt, sagt Hahn. Trotz der Kritik spricht Hahn von einem erfolgreichen Ministerbesuch - und einer gelungenen Veranstaltung.

Die Bahnvertreter wurden vom Ministerium eingeladen

Dabei mag Hahn auch keinen Interessenskonflikt darin erkennen, dass hochrangige Bahnvertreter wie Klaus-Dieter Josel nicht in erster Linie wegen der CSU kamen. Sie seien einer Einladung des Ministeriums aus dem "Büro des Ministers Dobrindt" gefolgt, wie ein Bahn-Sprecher bestätigt. Hahn sagt, der Termin sei gemeinsam mit seinem Büro organisiert worden. Das sei in Ordnung. Müller findet das nicht. Ein Minister dürfe nicht auf Staatskosten zu Parteiterminen anreisen. Sie sei betroffen vom Amtsverständnis auf Seiten der CSU und vom Umgang mit dem politischen Kontrahenten. Die CSU könne nicht eine Veranstaltung im öffentlichen Raum machen und die Bürgermeisterin ausschließen. Das sei ein "seltsames Demokratieverständnis". "Der Weg ist nicht mehr weit zu einer Bananenrepublik."

Müller und Kuchlbauer wollen es nicht bei dem Geschehenen bewenden lassen und kündigen einen offenen Brief an CSU-Kreischef Hahn an. Kuchlbauer glaubt, dass die CSU bereits wegen der Bundestagswahl 2017 Wahlkampftöne anschlägt. In Haar steht die CSU seit der jüngsten Kommunalwahl im Verdacht, den Wahlkampfmodus nicht verlassen zu haben. Die Turbulenzen des Dobrindt-Besuchs dürften jedenfalls in den Rathäusern nachwirken. Die neue starke Frau der CSU in Oberschleißheim, Zweite Bürgermeisterin Angelika Kühlewein, stand am Freitag immer ganz nah bei Dobrindt. Dafür geht jetzt Bürgermeister Kuchlbauer auf Distanz zu der Frau, die seine erste Stellvertreterin im Amt ist und eine Vertrauensperson sein solle. Das Verhältnis sei beschädigt, sagte er. "Ich werde meine Konsequenzen durchaus ziehen."

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SZ vom 19.07.2016/wkr
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