NS-Verbrechen:Späte Ehre für einen Aufklärer

NS-Verbrechen: Gerhard Schmidt war von 1945 bis 1946 Ärztlicher Leiter der Heil- und Pflegeanstalt in Haar.

Gerhard Schmidt war von 1945 bis 1946 Ärztlicher Leiter der Heil- und Pflegeanstalt in Haar.

(Foto: Angelika Bardehle)

Gerhard Schmidt wurde 1946 als Chef der Haarer Klinik geschasst, weil er die Morde an Patienten dokumentierte. Nun wird ein Platz nach ihm benannt.

Von Bernhard Lohr, Haar

Einem Aufklärer der an der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Haar in der NS-Zeit begangenen Verbrechen wird späte Ehre zuteil. Auf dem Gelände des heutigen Isar-Amper-Klinikums wird der zentral gelegene Platz zwischen der Kirche St. Raphael und der Aufnahmeklinik nach dem von der US-Militärregierung 1945 eingesetzten Ärztlichen Direktor Gerhard Schmidt benannt. Das hat der Gemeinderat am Dienstag auf Antrag des Klinikums einstimmig beschlossen. Schmidt hatte gegen Widerstände von Ärzten und Pflegekräften sowie der Gesundheitsadministration in Bayern begonnen, nach den Verantwortlichen für die Patientenmorde zu forschen. Bereits 1946 gelang es alten Seilschaften, ihn aus der Klinik zu mobben und die Aufarbeitung für Jahrzehnte zu beenden.

Die bedeutende Rolle von Gerhard Schmidt lag lange im Dunkeln. Er hatte kurz nach der Befreiung im Sommer 1945 in der Anstalt die unhaltbaren Zustände dokumentiert. Er notierte, wie er vernachlässigte, abgemagerte und dem Tod mehr als dem Leben nahe stehende Patienten antraf. Genauso fand er Ärzte und Pflegekräfte vor, die auf Fragen nicht oder nur ausweichende Antworten gaben. Ein Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte beschreibt, wie Schmidt unter fadenscheinigen Begründungen abgesetzt wurde, sobald die zivile Regierungsgewalt 1946 die Möglichkeit dazu hatte. Sein Nachfolger wurde Anton Edler von Braunmühl, der kommissarisch davor das Amt innegehabt hatte. Braunmühl war während der NS-Zeit in leitender Funktion an der Anstalt tätig gewesen, wo Ärzte im Zuge der sogenannten Euthanasie tausendfach Patienten ermorden ließen. 2019 hat die Gemeinde eine nach Braunmühl benannte Straße umbenannt.

Nun erfährt im Gegenzug Gerhard Schmidt eine Würdigung. Der Ärztliche Direktor des Isar-Amper-Klinikums, Peter Brieger, warb als Nachfolger von Schmidt im Gemeinderat für die Namensgebung. "Als einer der ganz wenigen zu dieser Zeit hat er sich um die Verbrechen gekümmert." Bis in die Sechzigerjahre hinein habe er kämpfen müssen, damit seine Erkenntnisse in Buchform unter dem Titel "Selektion in der Heilanstalt" hätten erscheinen können. Der Klinik und auch dem Bezirk sei es wichtig, Schmidt zu ehren, der sich einst verbittert von der Klinik abgewandt hatte. Später war er Chefarzt an einer Klinik in Lübeck. Er starb 1991 mit Auszeichnungen versehen.

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