Hightech-Unternehmen:Mega im Nanobereich

Hightech-Unternehmen: Der Neubau von Attocube in Haar.

Der Neubau von Attocube in Haar.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Nanotechnologie-Spezialisten Attocube denkt man nach dem Bezug des neuen Gebäudes in Haar bereits über die nächste Erweiterung nach.

Von Bernhard Lohr, Haar

Wer weiß schon, was Wolfgang Heckl zu seinem Vergleich inspiriert hat. Vielleicht war es Zufall, vielleicht war es der Ort, an dem er seine beschwingte Rede hielt, der ihn dazu verleitete, von Haaren und deren Wachstum zu erzählen, als er zu erklären versuchte, was die Physiker und Ingenieure machen in ihrer neuen Nano-Manufaktur am Bahnhof. Als der Generaldirektor des Deutschen Museums bei der Eröffnung des Gebäudes sagte, dass ein Nanometer in etwa die Größenordnung darstelle, um die ein Haar in einer Sekunde wachse, war jedenfalls auch dem letzten Laien im Saal klar: Hier passiert Außergewöhnliches.

Die Eröffnungsfeier liegt nun schon ein paar Tage zurück. Und mittlerweile haben sich viele in Haar auch schon daran gewöhnt, dass nach dem nachts bunt illuminierten Büroturm an der Wasserburger Straße nun ein zweites, modernes Gebäude das Antlitz der Gemeinde prägt. Auch der Firmensitz der 2001 als Startup gegründeten Attocube AG ist charakterisiert durch das Zusammenspiel von Licht und Form. Nachts lässt das das Gebäude umringende, leuchtende Farbband am Dachrand das Zentrum blaugrau schimmern.

Bis zu 300 Beschäftigte sollen dort bald tätig sein. Zunächst sind da die Grundlagenforscher, die Physiker und Ingenieure von Attocube, die im Nanometer-Bereich - also einem Milliardstel Meter - arbeiten und etwa Nanoantriebe herstellen, die, wie es bei Attocube heißt, zur ultragenauen Positionierung von Elementen und zur zu Untersuchung kleinster Oberflächenstrukturen verwendet werden. Sie bauen Sensoren und sogenannte Kryostat-Systeme.

Es handelt sich dabei um Kühlgeräte, wobei auch da die Begrifflichkeit nur in etwa beschreibt, um was es geht. Man ist bei Attocube in extremen Bereichen, in Randbezirken der Physik unterwegs, weshalb Museumsdirektor Heckl bei der Eröffnung der Nano-Manufaktur auch anmerkte, dass dort neuerdings der kühlste Ort Haars zu finden sei: 270 Grad Minus würden in der Spezialkammer erreicht. Gearbeitet wird in der Manufaktur an Arbeitsstationen, die wie Werkbänke aussehen. Vom Treppenhaus, das verschiedene, offene Ebenen erschließt und in dem man sich auch in ein Kunstmuseum versetzt fühlen könnte, kann man einen Blick werfen in die schallgedämmte Werkhalle.

Sensibles Bauteil im Rucksack

Attocube ist ein innovatives, florierendes Unternehmen, das der in Haar lebende Dirk Haft gemeinsam mit Khaled Karraï 2001 gegründet hat; ein typisches Start-up, getragen vom Idealismus des Studenten und dem Sachverstand des Professors. Anekdoten aus dieser Zeit werden bis heute erzählt, wie Dirk Haft sich mit einem hochsensiblen Bauteil im Rucksack auf den Weg machte, um die Funktionalität in einem Labor zu testen.

Haft und Karraï gewannen Gründerpreise und steckten das Geld gleich wieder in ihre Produkte. Wie Karraï erzählte, gingen sie nicht den üblichen Weg, sich Investoren zu öffnen. Man suchte sich als Partner mit Wittenstein vielmehr ein Familien-Unternehmen aus dem Main-Tauber-Kreis, das aus dem Maschinenbau kommt und heute einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich macht.

Attocube Nanofactory Haar

Die Arbeitsstationen sehen wie Werkbänke aus.

(Foto: Wittenstein/oh)

Wittenstein und Attocube profitierten jeder auf seine Weise offenkundig von dieser Partnerschaft. Dirk Haft ist heute im Vorstand von Wittenstein für Innovation zuständig. Und Attocube, das anfangs vor allem im Forschungsbereich Kunden fand, erschloss sich den industriellen Sektor. Dies sind laut Karraï heute die beiden Beine, auf denen das in seiner Branche mit führende Nanotech-Unternehmen tätig ist.

Viele Nobelpreisträger, wie etwa Klaus von Klitzing oder Konstantin Novoselov, arbeiteten oder arbeiten mit Geräten von Attocube. Man sei gut in der Wissenschaft vernetzt, sagt Karraï, der sich selbst eher in diesem Bereich wohlfühlt. Die andere Seite, die industrielle Anwendung, für die stand stets sein Partner Dirk Haft.

Mit Hilfe des Mutterunternehmens wurden nun für den Attocube-Sitz in Haar 20 Millionen Euro investiert. Auf 9200 Quadratmeter Bruttogrundfläche entstehen nun Produkte, die mittlerweile einen 400 Seiten dicken Katalog füllen. Die Nanotechnologie gilt als eine der Zukunftstechnologien wie der Drei-D-Druck oder die Elektromobilität. Und wer sie beherrscht, eröffnet sich offenkundig einen großen Markt. In den vergangenen Jahren verzeichnete Attocube nach eigenen Angaben zweistellige Wachstumsraten. Karraï sagt, sollte sich der Trend fortsetzen, werde man in fünf Jahren in der neuen Bleibe an die Grenzen stoßen. Wie zwischen den Zeilen herauszuhören ist, hat man schon die Fühler ausgestreckt, wo in Haar eine Erweiterung möglich wäre.

Dass sich ein Unternehmen wie Attocube in Haar niederlässt und wachsen möchte, kommt Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) gelegen. Ist es nicht zuletzt auch eine Antwort an all die, die meinen, ein innovativer Firmenstandort sei nur in der Münchner Citylage zu finden. Das Pharmaunternehmen MSD, das seinen Sitz 150 Meter von Attocube entfernt hat, hat zuletzt genau damit argumentiert. Es wird 2021 Haar in Richtung Berg am Laim verlassen. Attocube ging den umgekehrten Weg. Anfangs residierte man am Viktualienmarkt und dann an der Königinstraße. Ein attraktives Umfeld sei immer wichtig gewesen, sagt Dirk Haft.

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