Kindertheater:Und wenn sie nicht gestorben sind, spielen sie noch heute

Lesezeit: 4 min

Heinz Redmann leitet jetzt "Redmanns Münchner Märchenbühne" im Kleinen Theater Haar. (Foto: Claus Schunk)

Heinz Redmann hat das von ihm gegründete "Münchner Theater für Kinder" 2018 verlassen. Nun feiert seine neue Märchenbühne in Haar Premiere - mit dem Stück "Schneeweißchen und Rosenrot", mit dem vor 55 Jahren alles begann.

Von Franziska Gerlach, Haar

Das Schöne am Märchen ist, dass selbstloses Handeln so konsequent belohnt wird. Ein armes Kind wird mit Gold überschüttet, weil es sein letztes Hemd gegeben hat. Wer einen Frosch küsst, bekommt einen Prinzen. Und in Haar dürfen zwei Schwestern aus einfachen Verhältnissen als Gegenleistung für ihr mutiges Eingreifen demnächst ein Schloss ihr Heim nennen. "Als Dank für eure Hilfe...", sagt Tobias Greiner-Lar bei der Probe gerade auf der Bühne des Kleinen Theaters. "Nicht so schnell!", ruft Heinz Redmann am Regiepult. "Aber ich bin ja jetzt kein Bär mehr...", entgegnet der Schauspieler, sondern nach der Erlösung vom Zauber des bösen Zwergs wieder ein Prinz. Trotzdem, das Tempo bitte mäßigen, betont der Regisseur. Also wiederholt der Schauspieler den Satz. Und tatsächlich: Klar und deutlich gleiten die Worte in den Saal des Theaters hinab. "Als Dank für eure Hilfe sollt ihr nun bei uns auf dem Schloss wohnen", erklärt er den Schwestern Schneeweißchen und Rosenrot (Carina Rieder und Mirjam Maschl) großmütig. Und wieder einmal ist es dem Märchen gelungen, diese Welt ein wenig gerechter erscheinen zu lassen.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Manchmal allerdings hält auch das echte Leben märchenhafte Wendungen bereit, zum Beispiel im Fall von "Redmanns Münchner Märchenbühne", wie das Ensemble, dessen Mitglieder früher größtenteils am "Münchner Theater für Kinder" wirkten, inzwischen heißt. Es ist zwar kein Schloss, in dem das Team um Katharina und Heinz Redmann ein neues Zuhause gefunden hat, aber sehen lassen kann sich das 1912 erbaute Jugendstiltheater in Haar durchaus. Und wenn das Kindertheater an diesem Samstag in Haar Premiere feiert, spielt es mit seiner Inszenierung des Grimm'schen Märchens "Schneeweißchen und Rosenrot" dasselbe Stück, mit dem vor 55 Jahren alles begonnen hat. "Deshalb haben wir es auch für den Neuanfang genommen", sagt Katharina Redmann. Es sei alles wie damals. Die Kostüme, das Bühnenbild, der von ihrem Mann geschriebene Text.

Mirjam Maschl (links) und Carina Rieder spielen die Titelrollen im Stück "Schneeweißchen und Rosenrot". (Foto: Claus Schunk)

Heinz Redmann hatte das "Münchner Theater für Kinder" im Jahr 1967 gegründet, seit 1977 ist die Institution an der Dachauer Straße beheimatet. Und es dürfte eine ganze Reihe Münchner geben, die einen Besuch dort zu ihren eindrücklichsten Kindheitserinnerungen zählen. 2018 aber verließ der langjährige Intendant, der im selben Jahr mit der Medaille "München leuchtet" geehrt worden war, das Theater - nicht ganz freiwillig und nicht ohne Spannungen.

Im Jahr darauf schlossen sich einige Mitglieder des ehemaligen Ensembles um Heinz Redmann in einem gemeinnützigen Verein zusammen, dessen Vorsitzende Katharina Redmann ist. Das Kapital für den Neustart spendete die Firma Tretter, über einen Mitarbeiter des Münchner Schuhhändlers kam auch der Kontakt zum Kleinen Theater in Haar zustande. "Das war wirklich eine Fügung", sagt Katharina Redmann, für die man sehr dankbar sei. Und auch Jochen Streicher fühlt sich in Haar angekommen. "Es ist, als wären wir nie weggewesen", sagt der künstlerische Leiter. Seit 20 Jahren steht der ausgebildete Tänzer und Schauspieler bei Redmann auf der Bühne. In Haar mimte er eben noch den hinterlistigen Zwerg, der dem König alle Schätze geraubt hat, tobte, strampelte und fluchte. Doch nun sitzt einem im Theatercafé ein ganz anderer Mensch gegenüber: Streicher schwärmt vom Genre des Märchens, das seiner stimmungsvollen Atmosphäre wegen so gut in die Weihnachtszeit passe. "Schneeweißchen und Rosenrot" etwa spiele im Winter, es schneit im Stück, die Höhle des Zwerges glitzere und werde blau angeleuchtet.

"Die Kraft hat meine Frau. Und der Jochen. Ich mache die Inszenierungen."

Heinz Redmann dagegen erzählt lieber erst einmal ausgiebig von seinem Theater an der Dachauer Straße in München, als er in der Pause an den Kaffeehaustisch kommt. "Ein Riesenapparat" sei das gewesen, mit einem Repertoire, das drei Altersklassen umspannte. Volker Prechtel, der später durch seine Rolle des Malachias von Hildesheim in "Der Name der Rose" (1986) internationale Bekanntheit erlangte, habe bei ihm als Wachtmeister in Frau Holle seine schauspielerischen Anfänge genommen. Und dann natürlich die Premiere aller Premieren, 1967, als Redmanns Fassung von "Schneeweißchen und Rosenrot" das erste Mal aufgeführt wurde. Eine klassische Inszenierung, nah am Original der Gebrüder Grimm. Eigentlich seien nur zehn Vorstellungen geplant gewesen, am Ende hätten sie das Stück 40 Mal gespielt. "Da konnten wir uns vor Andrang kaum retten", sagt der Theatermann. 80 Jahre ist Redmann alt - und fängt nun noch einmal von vorne an. Und wer ihn geradeheraus fragt, woher er die Kraft dafür nimmt, bekommt eine sehr direkte Antwort. "Die Kraft hat meine Frau. Und der Jochen", sagt Redmann. "Ich mache die Inszenierungen."

Bis Januar spielt das Ensemble das Grimm'sche Märchen um die beiden Schwestern, die auf der Bühne zur besseren Unterscheidung rote und weiße Schläppchen tragen, in Haar; auch für Schulklassen wird es Aufführungen geben. Intendant Matthias Riedel-Rüppel musste nicht lange überlegen, ob er "Redmanns Münchner Märchenbühne" - gegen "eine kleine finanzielle Beteiligung" des Kleinen Theaters an den Einnahmen - eine Spielstätte zur Verfügung stellen möchte. Da gehe es schließlich auch um ein Lebenswerk. Außerdem: "Ich mag Kooperationen, ich mag Menschen. Und ich habe darin für das Kinderprogramm im Haus eine große Chance gesehen", sagt der Leiter des Kleinen Theaters. Denn es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es man in den Zuschauerrängen der deutschen Bühnen schon seit geraumer Zeit vornehmlich graue und weißhaarige Köpfe erblickt. Insofern habe man auch den Auftrag, die nächste Generation an das Theater heranzuführen. "Und die einzige Chance, Kinder mit Theater in Berührung zu bringen, ist, es zu veranstalten."

Die Premiere von "Schneeweißchen und Rosenrot" am Samstag, 1. Oktober, beginnt um 15 Uhr. Ihr folgt am Sonntag, 2. Oktober, eine zweite Aufführung (Beginn 11 Uhr). Weitere Vorstellungen gibt es an den folgenden Wochenenden ( www.kleinestheaterhaar.de ).

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusZeithistorie
:Wenn ein Haus Geschichte erzählt

Die Gräfelfingerin Ingeborg Kropp-Arend hat eine besondere Verbindung zu Gebäuden: In Fulda hat sie die Villa des einstigen Provinzial-Rabbiners zu einer Begegnungsstätte und einem Erinnerungsort gemacht, an dem jüdisches Leben greifbar wird.

Von Annette Jäger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: