Haar:Lehrstück in Demokratie

Haar: Bei einem Planspiel - wie hier in München - wird Demokratie ganz lebhaft diskutiert.

Bei einem Planspiel - wie hier in München - wird Demokratie ganz lebhaft diskutiert.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Beim "Planspiel Kommunalwahl" in Haar lernen Bürger, wie Entscheidungen im Gemeinderat zustande kommen

Von Bernhard Lohr, Haar

Fast könnte man meinen, der alte Spielefuchs in Haar hätte Pate gestanden für die Idee. Könnte der Hinweis doch locker von Tom Werneck stammen, wonach Spielen die Kreativität weckt und spielerisch tiefere Erkenntnisse zu erlangen sind. Tatsächlich aber nutzt der Münchner Eric Treske mit seinem Büro "Intrestik" beruflich das große Potential, das im Spielen steckt. Er ist Experte, wenn es darum geht, Menschen mit Planspielen das Leben zu erklären. Kommenden Samstag, 18. Januar, leitet er in Haar im Vortragssaal der Volkshochschule ein "Planspiel Kommunalwahl", bei dem Bürger lernen, wie im Rathaus Entscheidungen zustande kommen.

Derzeit dürfte es Menschen im Landkreis kaum gelingen, sich der bevorstehenden Kommunalwahl zu entziehen. Das Thema ist präsent. Es wird plakatiert, der Wahlkampf ist in der heißen Phase, die vielen Wahlkämpfer, die ein Mandat anstreben oder Bürgermeister werden wollen, suchen jetzt den Kontakt zu den Wählern und versuchen, sich als Person und ihr Programm vorzustellen. Sie wollen in den Rathäusern und Kommunalparlamenten der 29 Städte und Gemeinden im Landkreis München in den nächsten sechs Jahren die Geschicke lenken. Doch wie funktioniert das überhaupt? Wie kommen Beschlüsse zustand? Wie viel Mitwirkungsmöglichkeiten hat ein Stadt- oder Gemeinderat? Und wie steht es eigentlich um die gerade jetzt vor dem Wahltag im März oft beschworenen Transparenz und Bürgerbeteiligung?

"Dein Vorschlag? Deine Lösung! Mach mit!" Unter diesem Dreiklang wird das Planspiel Kommunalwahl in Haar angekündigt, das auf Anregung des Landratsamts München an späteren Terminen auch in Unterschleißheim, Ottobrunn und Planegg angeboten wird. In Haar wird als Thema "Neue Ideen für Haar" vorgegeben. Mitmachen können an diesem Samstag alle Bürger von 16 Jahren an. Dauern wird das Planspiel etwa drei Stunden von 13.30 bis 17.30 Uhr. Die Teilnehmer werden Fraktionen zugeteilt und erarbeiten spielerisch Planungen für die Gemeinde Haar. Das reicht von der Idee bis zur Finanzierung mit allen Regeln und Gesetzen, die es zu beachten gibt. Nach den Vorberatungen in den Fraktionen geht es zur Aussprache und Abstimmung ins Plenum, wie im richtigen Politikbetrieb.

Eric Treske vom Büro "Intrestik", der auch Vorsitzender der Gesellschaft für Planspiele in Deutschland ist, möchte nun in Haar unterschiedliche Menschen und Vorstellungen zusammenzubringen. "Unsere Spiele werden zu Räumen, in denen man Alles durchspielen kann und so Lust darauf bekommt, es als nächstes in die Realität umzusetzen." So sollen also im Planspiel aus Ideen reale Projekte werden. Treske zur Seite steht Christian Gohlke von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München, wo Planspiele etwa zu Flüchtlingsthemen eingesetzt werden, oder um den Streit über die dritte Startbahn am Flughafen zu versachlichen. Gohlke sagt, besonders eigneten sich Planspiele aber, um Prozesse etwa in der Politik begreiflich zu machen. Dabei verlangt Gohlke den Teilnehmern etwas ab. So würden diesen als Stadt- oder Gemeinderäte bestimmte Rollen zugeteilt, auch wenn diese nicht in ihr politisches Weltbild passten. "Die große Chance ist, dass man sich wirklich hineindenkt in solch eine Figur." Dazu werde sogar eine Identität kreiert, mit fiktivem Namen und Lebenslauf. Das Ziel: mehr Verständnis für die anderen.

Ähnliche Planspiele hat es vor einem Jahr in Haar und Kirchheim bereits zur Europawahl gegeben. Nun wird das wiederholt, mit Blick auf die unterste politische Ebene, auf der allerdings Entscheidungen getroffen werden, die das Leben der Menschen direkt beeinflussen. Gemeinden haben die Planungshoheit und großen Einfluss auf die Lebensqualität am Ort. Da geht es um Stadtplanung, Einkaufsmöglichkeiten, die Ausweisung von Gewerbegebieten, Naturflächen und Sportanlagen. Schulen, Wohnungsbau und Soziales spielen da mit hinein - und natürlich die Förderung all der Vereine und Initiativen am Ort.

Am Ende stehen Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und Gemeinderäte für Fragen zur Verfügung, um Anregungen loswerden zu können und "einfach in Dialog zu kommen", wie Treske sagt. Als Vorbild dienen Treske bei seinem Planspiel-Konzept die Niederlande, wo bei "kritischen Infrastrukturprojekten" häufig auf spielerische Weise versucht wird, Zündstoff herauszunehmen und Verständnis für die Position der anderen zu wecken. "Dort wendet man das in der Regionalplanung oft an", sagt Treske. Im Landkreis geht es um die Demokratie an sich. In Haar und wohl auch in Ottobrunn gibt es eine offene Ausschreibung für das Planspiel. In Unterschleißheim und Planegg sei an eine Zusammenarbeit mit den Schulen gedacht, sagt Treske.

Planspiel Kommunalwahl: in Haar am Samstag, 18. Januar, 13.30 Uhr, im Poststadel, Münchner Straße 3, Anmeldung bis Mittwoch, 15. Januar, bei Heike Berchtold im Rathaus unter Telefon 089/46002-301, E-Mail berchtold@gemeinde-haar.de; Termin in Planegg ist am 22. Januar, in Unterschleißheim am 10. Februar und in Ottobrunn am 13. Februar.

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