Haar:Lässig und greislig

Haar: Zwischen niederbayerischer Verbundenheit und urbanem Größenwahn: Kabarettist Hannes Ringlstetter lässt sich von beiden Welten inspirieren.

Zwischen niederbayerischer Verbundenheit und urbanem Größenwahn: Kabarettist Hannes Ringlstetter lässt sich von beiden Welten inspirieren.

(Foto: Claus Schunk)

Hannes Ringlstetter frotzelt in Haar

Von Anna Majid, Haar

"Alles hat seine Gründe, das wenigste einen Sinn" - mit diesen Worten begrüßt Kabarettist Hannes Ringlstetter am Donnerstagsabend seine Gäste im Kleinen Theater Haar. Mit seinem Programm "Aufgrund von Gründen" ließ der 48-Jährige in die Tiefen seiner niederbayrischen Kindheit blicken und erklärte, warum er eigentlich so ist wie er ist.

Ringlstetter ist in Straubing aufgewachsen. Mitten in Niederbayern, da wo noch heute alles beim Alten ist, da "wo die jungen Leute noch mit Goaßmaß, Tequila und Rüscherl feiern". Eine Prise Traditionsbewusstsein hat er sich behalten: Mittlerweile lebt er zwar mit Frau und Kindern in München, den Zweitwohnsitz in der Provinz möchte er aber nicht missen. Und so findet er sich irgendwo zwischen niederbayerischer Lässigkeit und urbanem Größenwahn. Nach Haar brachte er Anekdoten aus beiden Welten mit: Er erzählte vom ersten Kuss mit Uschi, mit dem "Gelbwurstmund", und wieso er lieber Zivildienst geleistet hat, als zum Militär zu gehen. Ringlstetter wurde zu Studentenzeiten mit der Band Schinderhannes bekannt, und musikalisch ist er immer noch. Manche Geschichte unterstrich er mit kurzen Liedern und bespielte dabei drei verschiedene Gitarren.

Irgendwann hat es ihn in die Großstadt verschlagen. Die neuen Nachbarn seien eine "typisch Münchner Arschloch- Kleinfamilie". Sabine, ihr Mann Michael und Sohn Joel wohnen in einer viel zu kleinen Altbauwohnung - "für mehr reichts nicht, weil ich muss ja einen Dreier fahren" - seien aber ansonsten ziemlich neumodisch unterwegs. Joel schaue vor dem Einschlafen immer ASMR Videos. Die sollen beruhigen, "statt Streicheln quasi". In den Clips sehe man dann Amerikanerinnen, die Chips essen. Ringlstetter machte das für sein Publikum vor: "Und? Spüren Sie schon was?". Da lobe er sich seinen Sohn, der esse die Chips zwar verbotener Weise im Bett - in der Dusche finde man in der Früh die Reste - aber immerhin noch selbst.

Auch auf die Politik warf Ringlstetter kritische Blicke. Das "Heimatgedusel" von Seehofer und Söder gehe ihm auf die Nerven und so habe er sich auf die Suche nach dem "Greisligsten" in ganz Bayern gemacht - und sei fündig geworden: "Apokalypse Erdinger Therme". Präziser gesagt: Das FKK Becken - mit Weißbierbar - im Wasser. Da ließe sich beim Tauchen einiges beobachten. Ringlstetter kombinierte derben Humor mit selbstironischen und gesellschaftskritischen Anekdoten. Zudem interagierte er viel mit dem Publikum. Es durfte sogar das Programm bestimmen: Als eine Frau zwischendurch auf die Toilette ging, legte der Kabarettist eine Pause ein und erzählte unterdessen seine Lieblingswitze. Seine offene, nonchalante Art kam gut an. Besonders am Ende wurde das deutlich: die Veranstaltung fand im Rahmen der Benefizreihe Seelen-Art, die Kunst- und Kulturprojekte für und mit psychisch Erkrankte realisiert, statt. Nachdem Ringlstetter das Programm mit einem Lied über die "schöne neue Welt" und für alle Engagierten abschloss, kamen vier Künstler auf die Bühne. Alle wurden umarmt. Maler Axel Bittner hatte mehr als 20 Ringlstetter-Porträts mitgebracht, vom Kabarettisten unterzeichnet, konnte man diese am Ende erwerben.

Am Ende gab es noch zwei Lieder als Zugabe. Mit "A Ruah" wurde es beinahe melancholisch. Das konnte Ringlstetter nicht so stehen lassen, und so entließ er seine Gäste mit einem "positiven Trennungslied" in die Nacht: "Du kannst von mir aus sofort gehen, das ist für mich echt kein Problem".

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