Haar:Kettenreaktion

Haar: Die Gemeinde Haar muss für ihre Kindertagesstätten - wie die in der Dianastraße - finanziell in die Bresche springen.

Die Gemeinde Haar muss für ihre Kindertagesstätten - wie die in der Dianastraße - finanziell in die Bresche springen.

(Foto: Claus Schunk)

Der Personalmangel macht vielen Kindertagesstätten in Haar schwer zu schaffen. Sie rutschen deshalb in die roten Zahlen. Haar muss bei drei Einrichtungen ein Defizit von 270 000 Euro tragen

Von Bernhard Lohr, Haar

Linus hat einiges drauf. Der kleine Bruder von Lucy ist ein heller Kopf und nach Snoopy der beste Freund von Charlie Brown. Doch so reif der Bub auch schon ist. Ohne seine Schmusedecke ist er nicht anzutreffen. Er kuschelt halt gerne und das mit seiner ihm vertrauten Decke, die sich so anfühlt wie keine andere und so riecht, wie nur seine Decke riechen kann. In den gemeindlichen Kindertagesstätten in Haar können mittlerweile viele kleine Buben und Mädchen täglich nachempfinden, was Linus glücklich macht. Denn anders als früher wird die Bettwäsche, mit der sie sich zur Mittagsruhe hinlegen, nicht mehr von der Einrichtung gestellt. Die Kinder bringen ihre Wäsche von zu Hause mit. Und sie sind glücklich.

Es ist nur eine von einigen Neuerungen, die die Gemeinde seit einiger Zeit Schritt für Schritt umsetzt. Dahinter könnte man das Ziel vermuten, den Kinder etwas Gutes zu tun. Darum geht es sicherlich auch. Aber der Ursprung des Gedanken kommt ganz woanders her. Die Gemeinde hat sich vorgenommen, Kosten zu sparen, weil einfach der Betrieb der Kindertageseinrichtungen ein immer größerer Kostenfaktor wird. Die Bettwäsche wird jetzt nicht mehr von den Einrichtungen gewaschen zur Verfügung gestellt. Die Kinder bringen sie mit. Sie spülen mittlerweile in den Kindergartengruppen ihre Teller selber ab, legen die gewaschenen Lätzchen selbst zusammen. Hauswirtschaftskräfte werden so eingespart. Die Kinder hätten eine Freude dran, sagte Susanne Hehnen, Referatsleiterin Kindertagesstätten im Rathaus. Sie lernten so auf natürliche Weise viel dazu. Und die Gemeinde komme mit vielen kleinen Schritten bei ihren Einsparbemühungen voran. Ein großer Schritt war zuletzt auch, als eine zentrale Küche für Haarer Kindertagesstätten einzurichten. Als nächstes, kündigte Hehnen an, wird ein koordinierter Hausmeisterdienst getestet.

Es ist wie bei einer Kettenreaktion: Erst kam der Krippenausbau, dann der Ruf nach immer längeren Betreuungszeiten auch in den Ferien. In der Folge fehlten Erzieherinnen und die Arbeitsmarktzulage wurde beschlossen, die die Kommunen und die Eltern finanzieren. In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderats zeigte sich in Haar, wie eins ins andere greift und die Kosten für die Kommune in die Höhe treibt. Das Gremium beschloss, alleine für die Einrichtungen von zwei privaten Betreibern an der Dianastraße und an der Hans-Pinsel-Straße sowie der Kindertagesstätte St. Konrad der katholischen Kirche Defizite in Höhe von knapp 270 000 Euro zu übernehmen. Die Summe war im Kindergartenjahr 2013/2014 aufgelaufen und deutlich höher als angenommen.

Geschuldet ist die Entwicklung der insgesamt angespannten Situation in den Einrichtungen. Weil Erzieherinnen fehlen, können Gruppen nicht voll belegt werden. Staatliche Zuschüsse blieben in der Folge aus. Besonders traf das die Kindertagesstätte der gemeinnützigen Fortschritt GmbH an der Hans-Pinsel-Straße, die wegen des gesetzlichen Anspruchs auf einen Krippenplatz erst um ein zweites Stockwerk erweitert wurde, aber wegen Personalmangels nicht belegt werden konnte. Die Mietkosten fielen trotzdem an. Erst langsam wuchs mit der Zahl der Erzieherinnen die Zahl der Kinder von 31 auf jetzt 71. Eine weitere Gruppe sei geplant. Einen großen Schritt nach vorne habe das Haus mit der neuen Leiterin gemacht, sagte Hehnen. Ein "ganz neuer Schwung" sei zu beobachten. An den Defiziten, die bisher aufliefen, ändert das freilich nichts.

Ähnliche Berichte gibt es aus anderen Häusern. Dem KiBeG Haus für Kinder an der Dianastraße etwa, wo laut Hehnen die Leitung öfter wechselte und Mitarbeiter gingen und kamen; in diesem Fall freilich mit ganz besonderen Folgen. Denn das Haus an der Dianastraße ist mit hohen Kosten als klimafreundliches Passivhaus errichtet worden. Doch von niedrigen Energiekosten keine Spur, im Gegenteil. Hehnen nannte die Energiekosten und die großzügige Raumplanung als Hauptursachen dafür, dass die Gemeinde dort viel Geld zuschießen muss. "Ein Passivhaus ist nur so gut, wie es gelebt wird", sagte Hehnen. Man habe versäumt, das Personal ausreichend zu schulen. Zuletzt habe man einen runden Tisch mit dem Planer eingerichtet, um das aufzuarbeiten. Ein Energieverbrauch- und Kostenvergleich mit anderen Häusern in Haar solle weitere Aufschlüsse liefern.

Größere Personalengpässe brachten zuletzt auch die Kita St. Konrad in Nöte. Eine Erzieherin ging ins Kloster. "Schön für die Kirche, hart für uns", sagte Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und bereitete die Gemeinderäte schon mal darauf vor, dass weitere hohe Defizite in der nächsten Zeit auszugleichen sein werden. Die Gemeinde unterstützte die Einrichtungen, sagte sie. Das Ziel müsse bei St. Konrad etwa sein, kommendes Kindergartenjahr mit vier Gruppen einsteigen zu können. Es dürfe nicht passieren, "mitten im Ort eine Kita zu verlieren".

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