Haar:Handstand auf der Kanzel

Haar: Nach der Theorie die Praxis: Lachen mit Birgitta Hofmann.

Nach der Theorie die Praxis: Lachen mit Birgitta Hofmann.

(Foto: Claus Schunk)

An der Kinderuni in Haar lernen die Kinder allerlei Kurioses. Dieses Mal wird das Geheimnis des Osterlachens gelüftet

Von Marie Ludwig, Haar

"Herzlich Willkommen zum neuen Semester", ruft Bettina Endriss in den Raum. Rund 40 Kinder wurschteln sich aus ihren Winterjacken, holen etwas zum Schreiben hervor und schauen Endriss mit gespannten Mienen an. Kinder in der Uni? Für Bettina Endriss nichts Neues. Die 47-Jährige hat die Kinderuni an der Vhs in Haar ins Leben gerufen: "Ich kannte das Angebot von der Uni in München und dachte: Das brauchen wir auch in Haar." Bereits seit fast neun Jahren organisiert die gebürtige Haarerin die Kinderuni ehrenamtlich. Ob Lebensmittelchemiker, Kriminaltechniker oder Flugzeugspezialisten - an die Kinderuni in Haar kommen Experten und sprechen mit den Kindern über ihren Beruf oder besondere Phänomene. Passend zu Ostern geht es diesmal um etwas ganz Besonderes: das Osterlachen.

Ostereier, Osterhase, Osterlamm, aber vom Osterlachen haben wohl die Wenigsten gehört. "Das Osterlachen ist ein über Jahrhunderte alter Brauch", erklärt Axel Bieber. Der gebürtige Franzose ist angehender evangelischer Pfarrer und auch Experte in Sachen Osterlachen. Mit einem Zettel in der Hand, beugt er sich leicht nach vorn und beginnt zu erzählen: "Am Ostersonntag, an dem Jesus von den Toten auferstanden ist, gackerten die Prediger auf der Kanzel, erzählten Witze und machten sogar Handstände." Die Kinder lachen auf. "Handstände in der Kirche? Hab ich noch nie gesehen", flüstern einige aufgeregt durcheinander. Bieber nickt wissend. "Ja, das mag komisch klingen, aber im Spätmittelalter wurde in der Kirche wirklich zu Ostern laut gelacht", sagt er. Doch dann - im 19. Jahrhundert - sei das Osterlachen immer öfter verboten worden. Biebers Augen sind zu Schlitzen zusammengezogen und er lässt den Blick durch die Menge schweifen. "Aber warum?", will ein Kind aus der letzten Reihe wissen. "Die Witze waren so gemein und die Themen für die Kirche zu unpassend, dass die Oberhäupter der Kirche entschieden haben: das Osterlachen muss verboten werden." Die Kinder nicken verständnisvoll; gemeine Witze seien ja schließlich nicht nett.

Grundsätzlich können Kinder zwischen acht und zwölf Jahren an den rund sechs Veranstaltungen in einem Semester Kinderuni teilnehmen. "Natürlich kommen nicht jedes Mal die gleichen, aber es gibt auch welche, die über Jahre hinweg dabei bleiben", sagt Endriss. So auch Maike. Sie hat sechs Semester lang die Kinderuni besucht, bekommt heute ihr Diplom und sogar einen Doktorhut überreicht. Nach vier Semestern hat sie bereits ihr Vordiplom bekommen. "Einsteigen kann man jederzeit, denn die Veranstaltungen bauen nie aufeinander auf", erklärt Endriss. Dieses Mal sind rund ein Drittel der Kinder neu dabei. Auch Max. Er und sein Opa wollen sich die Uni heute mal genauer ansehen: "Wir sind gespannt und freuen uns auf eine lustige Veranstaltung", sagt Opa Michael Schütz. Die Themen für die Kinderuni sammelt Endriss im Alltag: "Mal ist es ein Blick in die Zeitung, der mich inspiriert; mal ein Gespräch mit einem Kind aus der Uni." Anschließend sucht sie nach passenden Dozenten. "Die 24 Euro Semestergebühr werden für die Materialien genutzt und gehen an die Dozenten, wenn diese eine weite Anreise haben", erklärt Endriss. Sie selbst mache es vor allem aus Spaß. Und die Kinderuni ist bereits ein fester Teil der Arbeit an der Vhs Haar geworden. Nur manchmal, da macht diese Selbstverständlichkeit Endriss auch traurig: "Ich würde mir schon wünschen, dass ich auch andere Eltern mitmachen und die Stadt könnte uns ebenso finanziell unterstützen." Denn Zulauf - den erlebt Endriss auch nach neun Jahren noch: "In der Spitze waren es rund 100 Kinder."

"Schade, Lachen in der Kirche fänd' ich lustig", sagt ein Kind und kratzt sich nachdenklich am Kopf. Axel Bieber kann das gut verstehen: "Das denke ich auch. Ein bisschen mehr Osterlachen kann ruhig in die Kirche zurückkehren!" Daher gibt es jetzt etwas Lach-Praxis mit Birgitta Hofmann. Sie ist Gute-Laune-Expertin und kennt sich vor allem in Sachen Lachen gut aus.

"P, T, K, Sch", intoniert Hofmann und animiert die Kinder zum Mitmachen. Die Kinderärmchen klappern beim Ausschütteln gegen die Stühle. Bäuche werden vorgestreckt und sausend die Luft bis aufs Letzte ausgepustet. Hofmann will, dass sich die Kinder vor dem Lachen entspannen: "Durch das Lachen kommt viel mehr Sauerstoff in den Körper als sonst", erklärt sie. Besonders faszinierend finden die Kinder die Geschichte über einen Versuch: Eine Gruppe musste ihre Hände in eiskaltes Wasser legen und durfte dabei lachen. Der anderen Versuchsgruppe hingegen war Lachen untersagt. Das Ergebnis: die Lachenden konnten das kalte Wasser wesentlich länger aushalten. "Das bessere Aushalten, wenn man fröhlich ist, lässt sich auf so viele Dinge im Leben beziehen", sagt Hofmann. Lachen ist eben doch eine gute Sache. Vielleicht sogar in der Kirche.

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