Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) kritisiert die Pläne der Gemeinde Haar für die sogenannte Finckwiese. In einer Pressemitteilung fordert Ortsvorsitzende Carmen Gnann die Rathausverwaltung dazu auf, die beabsichtigte Änderung des Flächennutzungsplanes und die damit verbundene Rodung von mehreren tausend Quadratmetern Bannwald zu überdenken und „zukunftsorientiert“ auszurichten. Der Erhalt von Wäldern sei nicht nur aus ökologischer Sicht „essenziell“, sondern auch für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger „unverzichtbar“, so Gnann. „Eine Gemeinde, die Wald opfert, verliert an Attraktivität für Bewohner und Unternehmen gleichermaßen.“
Gnann zufolge bietet die Waldfläche Lebensraum für zahlreiche seltene Wildtierarten. Zudem sei er für die Haarer Bevölkerung ein wichtiges Naherholungs- und Schutzgebiet. „Das öffentliche Interesse am Schutz von diesem Bannwald ist einfach höher – er ist unser Klima- und Lärmschutzwald“, ergänzt sie am Telefon. „Und es gibt das Gesetz: Bannwald darf grundsätzlich nicht gerodet werden, nur in wenigen Ausnahmefällen.“ Diese sehe sie in Haar jedoch nicht gegeben.
Seit Jahren wird die nach wie vor als Ackerland deklarierte Finckwiese südlich der B 304 und östlich des Grasbrunner Wegs von der Gemeinde als künftiges Gewerbegebiet gehandelt. 2016 war versucht worden, die Voraussetzungen für ein BMW-Entwicklungszentrum auf der Fläche zu schaffen. 2022 war diese als Standort für den Raketenbauer Isar Aerospace im Gespräch. Beide Firmen ließen sich letztlich jedoch andernorts nieder – zur Erleichterung örtlicher Naturschutzvereinigungen. Denn das Areal – die letzte zusammenhängend unbebaute Fläche der Gemeinde – grenzt im Süden an geschützte Bannwaldflächen.
Allerdings drängt die Zeit für die Gemeinde: Sie steht unter großem finanziellen Druck. Daher beschloss der Gemeinderat im Herbst 2023, die Gewerbeansiedlung auf der 20 Hektar großen Finckwiese voranzutreiben und den Flächennutzungsplan für 8,1 Hektar entlang der Bundesstraße 304 entsprechend zu ändern. Heuer im August nahm der Ferienausschuss dann zustimmend zur Kenntnis, dass gegenüber der Waldstraße eine zweite Zufahrt geschaffen werden soll. Dafür müsste jedoch die vorgesehene Fläche erweitert und geschützter Bannwald gerodet werden. Die Haarer Ortsgruppe des Bundes Naturschutz ging zuletzt von 2000 Quadratmetern an gefährdetem Waldgebiet aus. Carmen Gnann vom LBV spricht in ihrer Pressemitteilung nun gar von fast 5000 Quadratmetern.
Der Flächenbedarf der Zufahrt ist umstritten
Die Gemeinde weist diese Zahl zurück – laut dem Rathaus sollen nach der vorliegenden Planung maximal 3740 Quadratmeter gerodet werden. Dabei handele es sich um „Wald an einem Randbereich“, der ohnehin durch den „massiven Verkehr an der angrenzenden B 304 sehr belastet“ und teilweise schon fortwirtschaftlich und zu einem „Lagerplatz“ umfunktioniert worden sei. Das zuständige Amt für Landwirtschaft und Forsten Ebersberg habe der möglichen Rodung bereits zugestimmt. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) erklärt, er sei sich der ökologischen Bedeutung von Bannwäldern und deren Schutzbedürftigkeit „bewusst“ – ein Ausgleich für die gerodeten Waldflächen solle „eins zu eins im unmittelbaren Anschluss an den Bannwald“ erfolgen.
Die Haarer LBV-Vorsitzende Carmen Gnann hält jedoch die von der Rathausverwaltung vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahme für „unzureichend“: Die derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen sind ihr zufolge „qualitativ und quantitativ ungeeignet“, um den Verlust der Bannwaldfunktionen zu kompensieren. Zumal eine der geplanten Ausgleichsflächen ohnehin seit 1989 als Bannwaldfläche ausgewiesen sei, aber derzeit landwirtschaftlich genutzt werde. Es könne also „keine Ausgleichsfläche auf einer bereits deklarierten Schutzfläche“ errichtet werden, so Gnann.
„Wir maßen uns gar nicht an, die Gewerbeentwicklung der Gemeinde insgesamt zu beurteilen“, sagt sie. Allerdings erfordere der Umgang mit dem Gebiet eine sorgfältige Planung. Sie wünsche sich von der Gemeinde entsprechend „nachhaltige Alternativen“ für die Entwicklung des Gewerbegebiets auf der Finckwiese – ohne eine zweite Zufahrt, die Baumfällungen notwendig mache. Stattdessen könnte der Fokus ihrer Meinung nach bewusst auf eine Bebauung „am Wald“ gerichtet werden. „Das könnte man auch durchaus als Marketingkriterium bei der Gewerbeansiedlung berücksichtigen“, so Carmen Gnann. „Wenn ein Unternehmen tatsächlich auf den Schutz des Waldes Wert legt, dann ist es auch ein Unternehmen, das Verantwortung zeigt und den Ort unterstützt.“