Haar/Feldkirchen:Den Klimakillern auf der Spur

Haar/Feldkirchen: Walter Meindl führt die Lüftungsanlage in seinem Effizienzhaus in Haar vor.

Walter Meindl führt die Lüftungsanlage in seinem Effizienzhaus in Haar vor.

(Foto: Claus Schunk)

Beim Tag der erneuerbaren Energien gewinnen Besucher Einblicke, wie sich umweltschonend Strom und Wärme erzeugen lassen. Mittels Wasserstoff versucht Ingenieur Robert Baumgartner, diese auch zu speichern.

Von Anna Hordych, Haar/Feldkirchen

Sind Utopien im 21. Jahrhundert angebracht oder überflüssig, weil sowieso alles zu spät ist? Weil der Klimawandel längst begonnen hat und sich der Temperaturanstieg schon in Bayern bemerkbar macht?

In Haar kann man sich zur Zeit "Utopia" ansehen. Im visionären Klimadorf drehen sich Windräder neben der Wasserkraftanlage, die Sonne strahlt auf ein Meer aus Photovoltaik- und Solarkollektoren, Geothermie- und Biogasanlagen, Blockheizwerke produzieren Energie in rauen Mengen, Elektrobusse transportieren umweltfreundlich Bürger von A nach B.

Die Wanderausstellung illustriert, wie der Mensch ins Klima eingreift

Zugegebenermaßen existiert das Szenario nur als hölzernes Stillleben auf einem Ausstellungstisch. Dort werden alle Lösungsansätze für die Klimafrage zusammen gedacht, darunter Strategien, die nicht überall gleich gut funktionieren: "In Bayern kann man im Grunde genommen nicht gut mit Windrädern arbeiten", sagt der Haarer Umweltreferent Michael von Ferrari. "Die Luft ist zu ruhig."

Ferrari ist in Haar seit Jahrzehnten Experte für Klimafragen. Viele Schüler kennen ihn aus der Grundschule, wo er sich für Mülltrennung einsetzt. Als Ferrari an diesem Morgen durch die Ausstellung "Klima Faktor Mensch" führt, bleibt er nicht lange unerkannt. Eine Gruppe Sechstklässler, die an einem der Schaltpulte steht, spricht ihn sogleich auf seine Rolle als Klimabotschafter an. Schülerin Toreen und ihre Freundin Donjeta erinnern sich sofort "an die Mülltonne Oskar". Für die Zwölfjährigen der Mittelschule St. Konrad ist die Exposition zum Klima eine Fortsetzung des Schulunterrichts.

Die Wanderausstellung läuft in Haar seit etwas mehr als einer Woche. Sie fügt sich gut in das Umweltprogramm ein, das am Samstag im ganzen Landkreis stattgefunden hat. Haar ist neben Feldkirchen, Ottobrunn oder Sauerlach eine Gemeinde gewesen, die am "Tag der erneuerbaren Energien" teilgenommen und Einblicke in alternative Wege der Energiegewinnung erlaubt hat.

Die Sammlung gibt Anreize, im Alltag bewusst zu konsumieren

Energie muss erst einmal erzeugt werden. Das signalisiert auch die Ausstellung in Haar. So müssen die Schüler an Turbinen kurbeln, um die Schaukästen mit Licht zu füllen. Zu sehen gibt es Anreize, im Alltag bewusst zu konsumieren; keine aufwendig verpackten Kaffeekapseln, kein T-Shirt, das fünfmal über den Globus geflogen ist, vielleicht regionale Produkte, vielleicht mehr Bio. Öfter Rad fahren, weniger heizen, nicht ständig das neueste Handy kaufen. Es geht darum, Handlungsoptionen auf einen Blick beisammen zu haben.

Sowieso gibt sich die Exposition zum Klimawandel Mühe, den Betrachter nicht mit düsteren Momenten zu überfrachten. Es gibt sie zwar, die unheilvollen Pappfiguren in Lebensgröße, die Sprüche aus der Zukunft auf den Leib gedruckt haben. Eine Nachricht aus dem Jahr 2044 lautet dann: "Dass die im Süden so lange Mittagspause machen, haben wir nie verstanden. Seit es bei uns so heiß ist, sind wir selbst froh um unsere Siesta Bavarese." Dazu gehören Collagen, die ein tropisches Neuschwanstein in einem Wald aus Palmen zeigen. Aber diese Botschaften sollen nicht zu Resignation führen. Das ist Input, der aktiv macht.

Haar/Feldkirchen: Nach Robert Baumgartners Konzept soll in Feldkirchen bald ein energieautarkes Haus entstehen.

Nach Robert Baumgartners Konzept soll in Feldkirchen bald ein energieautarkes Haus entstehen.

(Foto: Claus Schunk)

Diese Unruhe lässt sich wohl am besten in Bewegung und Eigeninitiative umsetzen. Ein Mann mit chlorweißen Haaren, in wind- und wetterresistenter Funktionskleidung macht es vor. Otto Hauke ist achtzig Jahre alt und radelt locker die drei, vier Kilometer von Ottendichl nach Haar, um sich die Ausstellung anzusehen.

Ingenieur Robert Baumgartner hat einen Wasserstoffspeicher entwickelt

Wie trägt er zum Klimaschutz bei? "Wir haben Photovoltaik auf dem Dach", gibt der Rentner zu Protokoll. Insgesamt kann er aber nur circa 25 Prozent seines eigenen Stromes verwerten. Da kommt die Krux der erneuerbaren Energien zur Sprache. Die Energie ist diskontinuierlich. An einem sonnigen Tag gibt es einen Überschuss an Strom, aber nach 21 Uhr oder im Winter ist Sense. "Dann nutze ich den Strom der Gemeindewerke wie alle anderen auch", sagt Hauke.

Lässt sich die Energie denn nicht speichern? Das wiederum ist mit Investitionen verbunden, die rasch auf 8000 Euro oder mehr hochschnellen. Auch sind die Speicher mitunter aus zweifelhaften Materialien, die kaum zu recyceln sind.

Dieses Problems nimmt sich Robert Baumgartner an. Der Ingenieur hat eine Technik entwickelt, die komplett unabhängig laufen soll. Am Tag der erneuerbaren Energien öffnet er die Pforten seines Unternehmens in Feldkirchen. Er hofft auf kritische Stimmen: "Ich möchte endlich wissen: Wie ticken die Leute?"

Seit zwei Jahren arbeitet er mit seinem Team daran, Wind- und Sonnenenergie, die unbeständig vorhanden sind, umzuwandeln und kontinuierlich verfügbar zu machen. Das Element, das Baumgartner dafür auserkoren hat, ist Wasserstoff. Das Gas ist praktisch, weil es sich sowohl zu elektrischer Energie, als auch zu Wärmeenergie umformen lässt. Nur: Das Gerät, auf dem der 66-jährige Baumgartner lehnt, ist momentan noch unbezahlbar für ein Einfamilienhaus. Die Kosten liegen bei 60 000 Euro. Dafür ist der Allround-Apparat aus rein wiederverwertbaren Materialien.

In Feldkirchen soll bald ein energieautarkes Sechs-Personen-Haus entstehen

Baumgartners Idee stößt auf Anklang, Projekte zeichnen sich ab. In Feldkirchen soll ein energieautarkes Sechs-Personen-Haus entstehen. In Friedrichshafen ein autarker Kindergarten. Die Versorgung mit nahezu 100 Prozent erneuerbaren Energien ist das Ziel. Die Firma "Baumgartner und Lampersdorfer Instruments" steht in den Startlöchern. Manches klingt abgedreht. Selbstironisch vermerkt Baumgartner: "Ich wirke ein wenig wie Daniel Düsentrieb." Er lacht. "Wenn ich das Konzept in Vorträgen vorstelle, sind viele erstaunt, wie klein unser Unternehmen ist. Dafür haben wir schnelle Pferde. Projekte nehmen bei uns keine bürokratischen Umwege. Wir setzen uns sofort an die technische Umsetzung, die Wissenschaft stammt schließlich von uns."

Verfolgt man tatsächlich den Plan, sich unabhängig mit Energie zu versorgen, gilt es wohl noch einige Hürden zu überwinden. Das macht der "Tag der erneuerbaren Energien" deutlich. Das KfW-Effizienzhaus in Haar, das Bauingenieur Walter Meindl gehört und das er als Experte für Energieversorgung vorführt, ist nur mit Blick auf die Wärmeenergie autark. Den Strom bezieht das Mehrfamilienhaus von den Gemeindewerken.

Manchmal muss ein Kompromiss gefunden werden

Dafür sorgt das Haus eigenständig mittels Solarplatten, dezentraler Lüftung, 16-Zentimeter-Dämmung und Pellets-Verbrennungsofen für Raumbeheizung und Warmwasser. Allerdings kann es schon einmal vier Stunden lang dauern, bis die Bodenheizung hochgefahren ist - im Winter ein zähes Unterfangen. Aber das sind Kompromisse, die man beim Langzeitziel erneuerbare Energie wohl eingehen sollte.

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