Hochhaussiedlung in Haar:Ein Viertel, zwei Wahrnehmungen

Hochhaussiedlung in Haar: Die Siedlung "Am Jagdfeld" in Haar ist städtischer als der Rest der Gemeinde.

Die Siedlung "Am Jagdfeld" in Haar ist städtischer als der Rest der Gemeinde.

(Foto: Claus Schunk)

Nach einer Serie von Diebstählen und Auto-Aufbrüchen diskutiert Haar über die Großsiedlung "Am Jagdfeld". Die einen sprechen von einem Brennpunkt, die anderen geben regelrechte Liebeserklärungen an ihr Viertel ab.

Von Bernhard Lohr, Haar

Eine Serie von Diebstählen und Auto-Aufbrüchen hat in Haar eine alte Debatte aufleben lassen. Es geht einmal mehr um die Großsiedlung "Am Jagdfeld", an der sich seit ihrem Bestehen die Geister scheiden. Gleichgültig ist keinem dieses Viertel mit seinen Geschosswohnungsbauten. Viele der etwa 6000 Bewohner der Siedlung südlich der Münchner Straße wollen auf ihr Viertel nichts kommen lassen.

Sie loben die zentrale Lage, die Einkaufsmöglichkeiten und auch, dass man in ein paar Schritten draußen im Grünen ist. Andere lehnen das Jagdfeld rundweg ab, ziehen Vergleiche zu Neuperlach und zum Münchner Hasenbergl. Letztere sehen sich durch einen aktuellen Anlass in ihrem Bild bestätigt. Sie werfen der Gemeinde und der Polizei vor, die Lage schönzureden.

26 aufgebrochene Autos, zwei gestohlene Roller

Was ist passiert? Bereits am Wochenende, 18./19. April, und in den darauffolgenden Tagen hat eine Serie von Delikten die Menschen im Jagdfeld aufgeschreckt. Bis heute ist das ganze Ausmaß der Taten nicht aufgedeckt. Immer noch melden sich Geschädigte. Die Täter stahlen auf jeden Fall zwei Motorroller und versuchten, einen dritten zu entwenden.

Sie brachen 26 Fahrzeuge auf und rissen von Autos Teile ab; darunter viele Mercedes-Sterne. Dazu kamen weitere Sachbeschädigungen. Nun ist die Polizei sich ziemlich sicher, bereits vergangenen Dienstag die Täter gefasst zu haben. Er sei zuversichtlich, dass die Tatserie aufgeklärt werde, sagt Karl-Heinz Schilling, Leiter der Haarer Polizeiinspektion. Dennoch: Erledigt ist die Sache für viele damit nicht.

Die Gemeinde ist dieser Tage schwer damit beschäftigt, auf ihrer Facebook-Seite eine Debatte zu moderieren, die einige Bewohner des Jagdfelds losgetreten haben. Sie werfen der Gemeinde vor, mit Fakten zu den Taten hinter dem Berg zu halten und fordern, dass mehr für die Sicherheit getan wird. Von einem "Brennpunkt" ist die Rede, von offensichtlichen "Problemen" in dem Viertel und davon, dass man spätabends besser nicht auf die Straße gehen sollte. Diesen Aussagen wird freilich vehement von anderen widersprochen. Die Gemeinde warnt vor Pauschalurteilen. Die Sorge ist, dass längst überholt geglaubte Klischees bedient werden.

Die Bürgermeisterin ist über den Ton erschrocken

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) zeigt sich "über den Ton auf Facebook erschrocken". Die Polizei habe vorbildlich gearbeitet und die mutmaßlichen jugendlichen Täter rasch festgenommen. Seither sei kein Fall von Vandalismus mehr zu beobachten gewesen, was für einen sehr kleinen Täterkreis spreche. Daraus auf einen ganzen Ortsteil zu schließen und weitreichende Beschuldigungen zu erheben, werde den Tatsachen nicht gerecht, sagt sie. Ute Dechent, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus, bricht aus eigener Betroffenheit eine Lanze fürs Jagdfeld. Sie lebt seit 27 Jahren dort. Sie schätze das Viertel, in dem alles fußläufig erreichbar sei, sagt sie. Und: "Ich fühle mich auch sicher."

Die Polizei hält die Taten für einen Ausreißer

Ähnliche Äußerungen sind auch sonst in Haar oft zu hören. Viele stehen offenkundig zu ihrem Viertel und leben gerne in der Siedlung. Polizeichef Schilling warnt, wie die Gemeinde, vor überzogenen Darstellungen. Die Verhältnisse seien einem städtisch geprägten Viertel entsprechend. Die Tatserie hält er für einen Ausreißer. Niemand müsse, wenn er am Abend sein Auto abstelle, Angst um sein Fahrzeug haben. Schilling kann keine soziale Schieflage erkennen. Viele Wohnungen seien in den vergangenen Jahren aus der Sozialbindung gefallen. Es gebe mehr und mehr Eigentümer, die Menschen identifizierten sich mit dem Viertel.

Die Polizei fährt selbstredend dort Streife. Die von der Gemeinde mit der Polizei installierte Sicherheitswacht ist im Jagdfeld unterwegs. Es werde viel unternommen, sagt Schilling. Zwei Drittel der Tage im Monat ziehe die Sicherheitswacht ihre Runden. In der zweiten Aprilhälfte sei diese, zwei Tage ausgenommen, immer unterwegs gewesen.

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