Haar:"Ein Fest von uns, für uns"

Die Bürger im Haarer Ortsteil Salmdorf sind bei ihrer 1000-Jahr-Feier enger zusammengewachsen. Ein Gespräch über Tradition und Veränderung

Interview von Bernhard Lohr, Haar

Was für ein Jahr. Ein besonderes natürlich. Für Salmdorf war 2015 das Jahr, in dem der ersten Nennung des Orts vor 1000 Jahren gedacht wurde. Und die Bürger des Ortsteils von Haar nutzten diese Steilvorlage nicht nur dazu, bei vielen Events zu feiern, bis dann am Silvestertag mit Böllerschützen der Jubel sein Ende findet. Sie unternahmen vieles, was das Dorf zusammenwachsen ließ. Alteingesessene und Neubürger lernten sich kennen und schätzen. Martin Metzger und Ingo Gugisch vom Verein D'Salmdorfer, Antonius van Lier von der Bürgervereinigung Ottendichl und Bürgermeisterin Gabriele Müller erzählen, was vom Festjahr bleibt.

SZ: Das Jahr hat Salmdorf verändert?

Martin Metzger: So ein Jahr mit solch einer Jubiläumsfeier lässt die Menschen zusammenwachsen.

Ingo Gugisch: Alt- und Neubürger haben sich kennengelernt. Es ist etwas entstanden. Wir sind eine Dorfgemeinschaft.

Das ist eine tolle Entwicklung.

Antonius Van Lier: Ich glaube, was den Unterschied ausmacht, ist ein dörfliches Leben, bei dem die Gemeinschaft intakt ist. Die Leute wissen jetzt, wie sie miteinander feiern können und auch, wie sie sich unterstützen können. Deshalb glaube ich, dass Salmdorf einen unglaublich großen Schritt nach vorne gemacht hat.

Sie haben das mit Ottendichl auch erlebt. Bei Ihrer 1000-Jahr-Feier im Jahr 1981 entstand die Bürgervereinigung, der sie vorstehen. Gemeinschaft findet dort in der Bürgerstube und im Biergarten statt.

Van Lier: Beides ist wichtig, besonders für uns, weil wir keine Wirtschaft haben, was automatisch eine Möglichkeit bietet zum Zusammentreffen.

Sie haben zum Glück eine Wirtschaft in Salmdorf, Herr Metzger.

Metzger: Ja. Und seit elf Jahren gibt es im Seidlhof den Stammtisch. Irgendjemand von dem Stammtisch hat dann die Haarer Chronik gelesen und ist auf das Datum 1015 gestoßen.

Van Lier: Das war der Martin Metzger.

Metzger: Das war ich. Und dann wurde die Idee geboren, das Jubiläum in Salmdorf gemeinsam zu feiern.

Gugisch: Ohne den Stammtisch wären Altbürger und Neubürger nicht zusammengetroffen. Dadurch dass wir uns jeden Monat getroffen haben, ist das Gemeinschaftsgefühl gewachsen. Dann kam die 1000-Jahr -Feier dazu. Der Verein D' Salmdorfer wurde gegründet. Das verbindet noch mal mehr. Wir waren am Anfang elf Leute, inzwischen sind es etwa 140.

Haar, Salmdorf, Ortsansichten,  Foto: Angelika Bardehle

Es gab viele Aktionen zur 1000-Jahr-Feier in Salmdorf.

(Foto: Angelika Bardehle)

Frau Müller, für Sie als Bürgermeisterin muss es schön sein zu sehen, wenn ein Dorf auflebt.

Gabriele Müller: Ich bin hier in eine Situation reingekommen, wie ich sie mir als Bürgermeisterin wirklich nur wünschen kann. Es geht darum, Menschen, die aktiv sind und sich für etwas einsetzen, zu unterstützen. Ottendichl hat heute die Bürgerstube und den Biergarten. Das hilft dabei, in einem Dorf das soziale Miteinander zu stärken. In Salmdorf war jetzt toll mitzuerleben, wie Alt- und Neubürger sich näher gekommen sind. Die Siedlung mit den Neubürgern war ja nicht ganz Konsens in Salmdorf.

Gugisch: Die Papageiensiedlung.

Müller: Ja, allein die Farbgebung war für den alteingesessenen Salmdorfer ein absolutes No-Go. So war auch die Annäherung erst mal verhalten. Aber jetzt hat man gesehen, wie sich gemeinsam im Jubiläumsjahr ein Geist entwickelt hat, nach dem Motto: Wir packen das. Die Alten alleine hätten das nicht geschafft.

Metzger: Ich alleine hätte es nicht machen können.

Gugisch: Da kann man einen herausheben, den Andreas Rieder. Der ist von Haus zu Haus gegangen und hat die Leute aufgefordert, zum Stammtisch zu kommen. Normalerweise ist man am Stammtisch als Neuer ein Störenfried. Aber hier war das anders, herzlich und offen.

Van Lier: Bei so einer neuen Siedlung haben sie ein Risiko. Da kommt eine relativ große Gruppe an Leuten neu in ein Dorf, die Anzahl der Bewohner geht plötzlich um 40 Prozent hoch. Die Leute in der Siedlung kennen sich schon gut, arbeiten in ihrem Garten, schauen über den Zaun. Das Schöne an so einer Feier ist aber, dass man wieder zurückgeht zu einem ganzen Dorf, so dass das Alte und das Neue wieder stärker zusammenwachsen.

Sie hatten viele besondere Veranstaltungen in ihrem Jubiläumsjahr: Mit einer Wallfahrt von München nach Salmdorf haben Sie daran erinnert, dass die mittelalterliche Pietà von Salmdorf einst von der Metzgerinnung München nach Salmdorf gebracht wurde. Es gab noch mehr solche Ereignisse.

Gugisch: Fronleichnam haben wir in Salmdorf in diesem Jahr einen Umzug gemacht, es waren drei Altäre aufgebaut und einen davon bewusst in der neuen Siedlung. Da haben viele gesagt, dass es für sie das erste mal war, dass sie in der neuen Siedlung waren.

Herr Gugisch, Sie sind Neubürger, Sie, Herr Metzger, ein Altbürger.

Metzger: Mein Opa hat den Hof damals in Salmdorf gekauft und auch weiter ausgebaut, also bin ich die dritte Generation.

Haar, Rathaus, Interview mit Salmdorfern

Ingo Gugisch und Bürgermeisterin Gabriele Müller.

(Foto: Bardehle)

Sie, Herr Gugisch, sind zum Stammtisch irgendwann dazugestoßen?

Gugisch: 2007 sind wir nach Salmdorf gezogen. Irgendwann bin ich zum Stammtisch, um ein Bierchen zu trinken. Aber, wie es so ist, beim Bier hat man die eine oder andere Vision. Dann hat der Martin die 1000-Jahr-Feier angesprochen.

Metzger: Ich habe gesagt: Achtung, wir werden 1000 Jahre alt.

Sie haben nicht einfach ein Fest gemacht, sondern sich viele Gedanken gemacht, wie das Zusammenwachsen gefördert werden kann. Es gab beim Festwochenende ein Kunstwerk als Bühnenbild. Was hatte es damit auf sich?

Metzger: Das ist letztes Jahr gemalt worden, circa 130 einzelne Bilder. Betreut hat das die Künstlerin Ilona Krause-König. Kinder im Kindergarten Ottendichl und im Kindergarten Salmdorf malten, dann war noch mal eine Malaktion in Ottendichl, wo Jung und Alt mitmachten. Das war eine unheimlich tolle Veranstaltung. Da ist im letzten Jahr schon die Neugierde auf das Fest entstanden. Und die Enthüllung des Kunstwerks auf dem Fest, das war für mich Gänsehaut.

Gugisch: Da hatten wir die 130 Leute eingeladen, Haarer, Ottendichler, Salmdorfer, Gronsdorfer, alle die mitgemalt hatten.

Das Kunstwerk wurde enthüllt und die Bilder wurden wieder aufgeteilt?

Metzger: Jeder, der ein Bild gemalt hatte, hat die Möglichkeit gehabt, das Bild abzuholen. Die restlichen Bilder haben wir ausgestellt, wieder bei der Bürgervereinigung Ottendichl im Zelt, dort konnte man die dann noch abholen.

Van Lier: Das Bühnenbild hat den Spendentopf gefüllt. Die Salmdorfer und die Ottendichler haben 1000 Euro für die Aktion "Kindern Chancen geben" gesammelt. Ein Großteil davon, was die Leute gegeben haben, kam aus dem Erwerb dieser Bilder. Und dazu ist der Erlös der beiden Veranstaltungen noch reingeflossen.

Gugisch: Bei uns in den Vereinsstatuten steht drin, die Tradition und den Zusammenhalt zu fördern; dazu passt es, Gruppen wie den "Haarer Tisch" oder "Kinder Chancen geben" zu unterstützen.

Die Salmdorfer haben sich in dem Jahr besser kennen gelernt. Das haben sie bewusst auch so angestrebt.

Gugisch: Bei den Bands, die gespielt haben, war mindestens ein Mitglied aus Salmdorf; bei Beauty and the Beast, bei SuperSonic Soul, und dann der Christoph Everke, Singer und Songwriter, dazu die Haarer Blaskapelle.

Haar, Rathaus, Interview mit Salmdorfern

Die Akteure beteuern: "Das Besondere, das ist das Gemeinsame." Im Gespräch mit Martin Metzger, Antonius van Lier(von links).

(Foto: Angelika Bardehle)

Metzger: Unser Ansporn war, wirklich alles mit Haarer Einrichtungen zu machen. auch die Licht und die Tonanlage hat eine Haarer Firmer installiert, das Catering hat ein Salmdorfer gemacht.

Das war der Geist hinter dem Fest?

Metzger: Und der Geist war auch, für alle Bevölkerungsgruppen etwas zu machen. Es gab den Tag der Familie, der dritte Tag war der Tradition gewidmet. Der Verein D' Ammertaler hat ein Strohpreisplatteln, ausgerichtet.

Gugisch: Von Anfang an, schon in den Besprechungen mit dem früheren Bürgermeister Helmut Dworzak, war klar, dass es ein Fest von uns, für uns, vom Dorf, für das Dorf werden soll.

Das passt zur Philosophie, die im Rathaus seit Längerem verfolgt wird.

Müller: Es ist ganz wichtig, die Identität der Dörfer zu erhalten. Das kann man machen, indem man die Bebauung lenkt, so dass man keinen Wildwuchs zulässt und den Dorfcharakter erhält. Aber es geht auch ums Soziale. In Salmdorf haben wir in einem Reihenhaus einen kleinen Kindergarten, ähnlich wie in Ottendichl und Gronsdorf, damit die Kinder nicht weg müssen. Das stiftet Identität. Die Mütter treffen sich, man hat einen Laternenzug und mal ein Sommerfest im Ort.

Van Lier: Die Frage ist, wo lernen die Leute tatsächlich ihre Nachbarn kennen? Entweder haben sie Kinder oder sie haben Hunde.

Müller: Ja, über die Kinder kann das gehen. In Gronsdorf haben sie auch jedes Jahr ein Straßenfest. 500 Besucher kamen da zu dem sehr großen Fest, das nur von Bürgern getragen wird, und beidem sich, natürlich mit Unterstützung der Gemeinde, die Gronsdorfer einmal im Jahr treffen.

Metzger: Das besondere an der Bürgervereinigung und den D'Salmdorfern ist, dass vom Kind bis zum Rentner im hohen Alter für alle etwas geboten wird. Das ist das Schöne und das unterscheidet sie von den Sportvereinen etwa, wo man immer einen Wettbewerb hat. Das Besondere, das ist das Gemeinsame.

Gugisch: Jung, alt, Neubürger und Ureinwohner und die Offenheit, die dahintersteht.

Van Lier: In gewisser Weise haben es Sportvereine leichter, weil die wissen: Wir gehen Fußball spielen. Nach so einem Jubiläumsjahr geht es darum, wie das im Verein weitergeführt werden kann. Was ist die Zielsetzung? Die Gemeinschaft zu pflegen. Aber dafür kann man nicht nur ein Ding tun. Natürlich kann man ein Fußballspiel spielen, das machen wir auch einmal im Jahr. So ein Verein erfordert aber eine anderes Denken. Das ist eine Herausforderung.

Ja, wie kann es denn jetzt weitergehen? Sie können sich doch nicht einfach wieder an den Stammtisch zurückziehen.?

Metzger: Ideen haben wir schon. Aber das ist alles noch in der Entwicklungs- und Planungsphase.

Gugisch: Zu weiteren Informationen kann man jeden ersten Mittwoch des Monats in den Seidlhof kommen.

Metzger: 20 Uhr, da gibt es die aktuellen News aus Salmdorf.

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