Auf den ersten Blick scheint die Welt an dem kleinen See nahe dem Sportpark Eglfing in Haar in bester Ordnung zu sein. Auf seiner grünlichen Oberfläche spiegeln sich die umliegenden Bäume, zwischen Seerosenblättern und üppigen Wasserpest-Büscheln schimmern die orangeroten Leiber von Goldfischen durch das Wasser. Doch ebendiese zierlichen Tierchen haben das Gewässer in eine bedenkliche Lage gebracht, sagt Leonhard Egg von der Fachberatung für Fischerei des Bezirks Oberbayern: „Weil die Population massiv überhandnimmt, stört sie das ökologische Gleichgewicht.“ Der Eglfinger Weiher, wie er in Haar gemeinhin genannt wird, ist in Gefahr zu kippen – sein Ökosystem ist dermaßen stark belastet, dass es zu kollabieren droht.
Egg steht gemeinsam mit dem Haarer Umweltamtsleiter Andreas Nemetz sowie Bezirksfischereimeister Tobias Fink am Ufer des Teichs und beobachtet, wie sich die Zierfische in der warmen Herbstsonne tummeln. Um den Eglfinger Weiher zu retten, haben sich die Gemeinde und der Bezirk Oberbayern auf eine besondere Form der Renaturierung verständigt. „Wir wollen versuchen, Raubfische einzusetzen, die den Goldfischbestand kontrollieren“, sagt Egg. Biomanipulation nennt sich die Methode, bei der die natürliche Nahrungskette genutzt wird, um das Gleichgewicht eines Ökosystems wiederherzustellen. Sechs Hechte und 15 Barsche haben Egg und Fink deshalb aus dem Chiemgau nach Haar gebracht; in einer weißen Plastikwanne warten die Tiere darauf, ins Wasser entlassen zu werden.
Den kleinen See am Marieluise-Fleißer-Weg gibt es bereits seit 2004. Unklar ist, wie dort die Goldfische hineingekommen sind. Nemetz und Egg vermuten, dass sie illegal ausgesetzt wurden, womöglich von Gartenteich- oder Aquariumbesitzern. „Die Fische sind bei Anwohnern und Spaziergängern beliebt, werden gerne gefüttert“, weiß Nemetz. Dadurch vermehren sie sich aber auch rapide. Ihr Kot überdüngt das Wasser, es kommt zum exzessiven Pflanzenwachstum.
Im Eglfinger Weiher wuchert besonders die Wasserpest. Das robuste Gewächs bedeckt im Sommer den Teich nahezu komplett. Gegen Jahresende sinken die abgestorbenen Sprossen zu Boden, wo sie unter Sauerstoffverbrauch von Bakterien zersetzt werden. Die dabei frei werdenden Nährstoffe bilden die Grundlage für ein noch größeres Wachstum im kommenden Jahr. „Bei diesem Kreislauf kann es passieren, dass die Organismen im See – die ganzen Fische und die Pflanzen – so viel Sauerstoff zehren, dass die Sättigung auf ein kritisches Niveau fällt“, erklärt Egg. Der Weiher würde dann geradezu ersticken. Zurück bliebe im schlimmsten Fall ein trüber Tümpel, in dem kaum noch Leben möglich wäre.
Nicht nur den Goldfischen soll es deshalb nun an den Kragen gehen, auch der Pflanzenbestand muss auf ein verträgliches Maß reduziert werden. Dafür watet Bauhof-Mitarbeiter Patrick Herzberg in Wathose und Gummistiefeln durch den Weiher und hievt riesige Mengen an Wasserpest-Trieben heraus, die ein Kollege mithilfe eines Spezialankers aus dem Seeboden reißt. „Im nassen Zustand bestimmt ein bis zwei Tonnen“, schätzt Herzberg, wiegt der Pflanzenhaufen, den er schließlich am Ufer aufgetürmt hat.
Im Weiher werden auch bedrohte Edelkrebse und Muscheln ausgesetzt
Die Fischereiexperten des Bezirks Oberbayern setzen derweil etwas abseits die Hechte und Barsche ins Wasser. Die Tiere flitzen gleich davon – ein Zeichen, dass sie sich wohlfühlen, wie Leonhard Egg sagt. Ob sich die Raubfische dauerhaft gegen die Goldfischpopulation durchsetzen können, werde sich frühestens nach zwei Jahren herausstellen. „Der Versuch, das ökologische Gleichgewicht über die Biomanipulation zu regeln, ist nicht so trivial“, so Egg. „Ob es am Ende funktioniert, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.“ Gemeinde und Bezirk seien sich aber einig gewesen, diesem sanften Lösungsansatz eine Chance geben zu wollen, statt gleich auf die übliche „Hauruck-Methode“ mit elektrischen Fischfanggeräten zurückzugreifen.
Den Eglfinger Weiher wird Egg nun aber noch aus einem anderen Grund im Auge behalten: Außer den Raubfischen hat er darin auch heimische Edelkrebse sowie Malermuscheln ausgesetzt. Beide Arten gelten als bedroht; sie sollen im Eglfinger Weiher neue Populationen aufbauen. „Wir brauchen für Wiederansiedlungsprojekte einen Pool, aus dem wir Tiere holen können, um sie dann woanders zu besetzen“, erklärt Egg. Damit beherbergt Gemeinde Haar einen von zwei Edelkrebsbeständen des Bezirks in ganz Oberbayern.