Süddeutsche Zeitung

Haar:Eberhard Gschaftl und die Weihnachtsgeister

Neben der bayerischen Variante von Dickens' "A Christmas Carol" präsentiert das Kleine Theater Haar auch die klassische Version

Von Udo Watter, Haar

Charles Dickens' "Eine Weihnachtsgeschichte" ("A Christmas Carol") gehört zu den meistverfilmten Stoffen der Kino- und Fernsehgeschichte überhaupt. Unter anderem verkörperten Schauspieler wie Fredric March, Albert Finney und Bill Murray ("Die Geister, die ich rief..) die Hauptfigur der Erzählung, den grantigen Geizkragen Ebenezer Scrooge, der durch den Besuch dreier Weihnachtsgeister geläutert wird - aber auch sinnigerweise Dagobert Duck in einer Disney-Adaption, er heißt im Original ohnehin Scrooge McDuck. In einer Parodie der britischen Sitcom "Blackadder" von 1988 erlebt der Komiker Rowan Atkinson als Ebenezer Blackadder die umgekehrte charakterliche Entwicklung: Er wandelt sich vom "nettesten Mann Englands" durch den Besuch des Weihnachtsgeistes zum bösartigen Egoisten, weil er unbeabsichtigte Schlüsse zieht: "Bad Guys have all the fun".

Die richtige Version von Dickens' Erzählung wird dagegen Rüdiger Bach in der Rolle des Scrooge am Sonntag, 6. Dezember, dem Nikolaustag, im Kleinen Theater Haar zeigen. In der bekommt der hartherzige Protagonist, der Weihnachten für Humbug hält, in der Nacht zum 25. Dezember unerwarteten Besuch von drei Geistern - dem Geist der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht'. Das unirdische Trio will ihm die Möglichkeit geben, sich zu bessern und einem schrecklich Schicksal zu umgehen. Die Vorstellung "Scrooge" läuft online von 18 bis 20 Uhr, Karten für das digitale Theater gibt es über die Homepage des Hauses (www.kleinestheaterhaar.de), bei allen Reservix Vorverkaufsstellen und unter 089/890 56 98 11.

Eine ganz anders aufgezogene Version des "Scrooge"-Stoffes gibt es am Freitag, 11. Dezember, in Haar. Die Kabarettistin Liesl Weapon und der Schauspieler Andreas Bittl, beide geboren in München, haben Charles Dickens' "A Christmas Carol" aus dem Jahr 1843 ins Bairische übertragen und einen szenischen Abend mit Musik daraus gemacht: Hier heißt der grantelnde Geizkragen Eberhard Gschaftl und er lebt im München des 19. Jahrhunderts. Auch er wird von drei Weihnachtsgeistern heimgesucht, die ihn mit seinem bisherigen Dasein konfrontieren und damit die jahrzehntealten Mauern um sein Herz zum Bröckeln bringen. Flankiert wird die Erzählung von bairischen Weihnachtsliedern, Gstanzln und Wirtshausmusik mit Akkordeon und Gitarre. Sowohl Liesl Weapon, die mit bürgerlichem Namen Amelie Diana Magdeburg heißt, als auch Andreas Bittl haben neben ihrer musikalischen Qualitäten ausreichend Erfahrung auf der Bühne und vor der Kamera - Bittl spielte unter anderem 2019 eine tragende Rolle im Münchner "Polizeiruf 110". Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr.

Theaterchef Matthias Riedel-Rüppel, der mit den bisherigen Erfahrungen und Resonanzen des optimierten digitalen Theaters zufrieden ist ("Ich glaube, dass wir sagen können: Wir haben einen Weg gefunden, das Kleinen Theater Haar zu den Menschen zu bringen."), hat noch drei weitere Veranstaltungen im Dezember-Programm, die live gestreamt werden können - realistischerweise ist er davon ausgegangen, dass sich die Beschränkungen für den Kulturbetrieb auch im Dezember fortsetzen werden und hat sie als "digitales Format" geplant. Insgesamt vermisst er freilich schon noch eine richtige "Zukunftsperspektive" im Kulturbereich: "Wir versuchen trotz der Bedingungen ein Angebot aufrecht zu erhalten, das viel Geld verschlingt. Ich hoffe, dass auch bei uns eine Teilkompensation der Betreiberkosten ankommen wird."

Neben zwei kostenfreien Vorstellungen in der Reihe "Feierabend im Netz" - am 9. Dezember tritt das Duo Hiraeth (Tricia Leonhard und John Brunton) auf und am 16. Dezember die Bootleg Twins (Mario Spelthan, Wolfgang Iden) - wird am Donnerstag, 17. Dezember, Ludwig Thomas "Heilige Nacht" besinnliches Flair ins Kleine Theater bringen - und via Streaming ins heimische Wohnzimmer. Die Wellküren und die Schauspielerin Monika Baumgartner präsentieren die Weihnachtslegende des bayerischen Dichters, arrangiert von Stofferl Well, Beginn 19 Uhr. Verse im Dialekt und traditionelle alpenländische Weihnachtslieder ("Im Woid, da is so stad") versprechen gleichsam, das richtige "Gfui" zur Adventszeit zu erwecken. Das gute und wärmende Gefühl, das am Ende der "Weihnachtsgeschichte" sowohl Eberhard Gschaftl als auch Ebenezer Scrooge beseelt.

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SZ vom 02.12.2020
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