Süddeutsche Zeitung

Coronavirus im Landkreis:Impfen gegen die vierte Welle

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Die Zahl der Neuinfektionen ist so hoch wie noch nie in dieser Pandemie - und beim letzten Impfzentrum in Haar herrscht wieder Andrang.

Von Martin Mühlfenzl und Yannik Schuster, Haar bei München

Eine kleine Schlange von etwa zehn Personen hat sich an diesem Montagnachmittag vor dem Impfzentrum in Haar gebildet: Eltern mit ihren Kindern, ältere Menschen, die zur Auffrischungsimpfung kommen, und auch einige, denen die Einschränkungen für Ungeimpfte zu viel werden und die sich nun deshalb doch gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. Untereinander wird diskutiert über Maßnahmen der Regierung, teils kritisch und konstruktiv, teilweise emotional und wenig seriös.

In der Schlange steht ein Herr mittleren Alters, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Er ist ohne Termin hier, um sich seine Zweitimpfung abzuholen. Nach seiner ersten Impfung habe er gezögert und lange überlegt, ob er sich ein zweites Mal piksen lassen soll. "Ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen", sagt er. "Davon, Geimpften Freiheiten zu gewähren, sinken die Zahlen auch nicht", meint er gefrustet. Und: "Die Ungeimpften sind plötzlich schuld an allem."

Beim Anstehen wird ihm gesagt, dass er einen Termin benötige. Sonst müsse er unter Umständen zwei Stunden warten. Termine seien zudem Tage im voraus ausgebucht. "Ich war überrascht. Ich dachte, das wäre auch ohne Termin möglich." Er ist nicht der einzige, der an diesem Montag ohne Termin in der Schlange steht. Ein weiterer Herr kommt dazu. Auch er habe nichts von einem Termin gewusst, beteuert er. Sie entschließen sich schließlich, es dennoch zu versuchen, vielleicht geht ja kurzfristig was. Mit Erfolg. Eine begrenzte Kapazität an Impfdosen hält der Malteser-Hilfsdienst für Menschen ohne Termin vor. Doch diese Kapazitäten werden Schritt für Schritt weniger. In diesem Fall ist der Vorrat schon am frühen Nachmittag aufgebraucht.

"Ohne Termin besteht die Gefahr, weggeschickt zu werden", sagt Alexander Brandstaeter vom Malteser Hilfsdienst, der das Impfzentrum in Haar betreibt, das letzte von ehemals vier im Landkreis. Die übrigen sind seit ein paar Wochen geschlossen. Genügend Impfstoff sei durchaus vorhanden, die begrenzenden Faktoren seien eher Personalmangel und Infrastruktur. "Wir mussten dazu übergehen, wieder auf Termine zu pochen, um nicht überlaufen zu werden", sagt Brandstaeter.

Die Nachfrage nach Impfungen steigt. Das bestätigt auch das Landratsamt. In der vergangenen Woche seien 50 Prozent mehr Impfungen verabreicht worden als noch die Woche davor. Auch Booster-Impfungen würden gut angenommen. Bisher sind im Landkreis mehr als 15 000 Auffrischungen verabreicht worden, "Tendenz steigend", heißt es aus dem Landratsamt. Die verschärften Testvorschriften und Einschränkungen motivieren laut Impfzentrumsleiter Brandstaeter. Etwa ein Drittel der derzeit verabreichten Dosen seien Auffrischungen. In Haar hält man sich an alle Vorgaben: Wer unter 70 ist oder vor weniger als sechs Monaten seine Zweitimpfung erhalten hat, wird nach Hause geschickt.

Derweil steigen die Infektionszahlen weiter rasant. Über das Wochenende haben sich im Landkreis nachweislich 391 Menschen mit dem Virus infiziert, die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht mit einem Wert von 252,5 einen absoluten Höchststand seit Pandemie-Beginn. Dennoch kann das Gesundheitsamt laut Franziska Herr vom Landratsamt die Nachverfolgung von Kontaktpersonen derzeit noch gewährleisten - vor allem durch die "ausdauernde Unterstützung der Kommunen". Zudem werde strikt die Vorgabe des bayerischen Gesundheitsministeriums umgesetzt, wonach bei hohen Fallzahlen das sogenannte Prinzip der Priorisierung bei der Kontaktpersonenermittlung erfolgt. Das heißt: Der Fokus liegt auf Kontaktpersonen in besonders vulnerablen Gruppen, in Situationen mit erhöhtem Infektionsrisiko oder bei Verdacht auf neue besorgniserregende Varianten. Zudem werden Infizierte gebeten, Kontaktpersonen von sich aus zu kontaktieren. Diese können sich dann mit dem Gesundheitsamt in Verbindung setzen.

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SZ vom 09.11.2021
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