Süddeutsche Zeitung

Erziehermangel:Blankoscheck fürs Erzbistum

Haar rettet mit Vorleistung die Kindertagesstätte St. Konrad. Diese kann jetzt vorausschauend Personal anstellen

Von Bernhard Lohr, Haar

In Haar sind die Menschen nicht weniger fest im Glauben als anderswo im Landkreis. Die Katholiken und die Protestanten stimmen an Ostern in den Kirchen kräftig das Halleluja an, um das größte Wunder zu feiern, das die Christenheit kennt. Doch die Fachfrau für die Kindertagesstätten im Rathaus will sich in ihrem Metier nicht mit Glauben und Hoffen begnügen; auch wenn ihr der Segen des Erzbischöflichen Ordinariats sicher wäre. Es dürfe keinen weiteren Rückschritt bei der katholischen Kindertagesstätte St. Konrad mehr geben, sagte Susanne Hehnen kürzlich. Statt an eine "Wiederauferstehung" setze sie auf eine "Stärkung" des Hauses.

Es ist gar nicht lange her, da stand die Rathausverwaltung vor einer Bewährungsprobe. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sah sich bei einer Informationsveranstaltung einer Phalanx aufgebrachter und auch verzweifelter Eltern gegenüber, die der Gemeinde vorwarfen, sie im Regen stehen zu lassen. Es fehlte damals mangels Erzieherinnen an Betreuungsplätzen. Das Problem bekam das Rathaus gemeindeweit in den Griff. Doch in einzelnen Einrichtungen sah es weiter duster aus. Die viergruppige Kindertagesstätte St. Konrad in der Georg-Eisenreich-Straße 8 mit angeschlossenem Schulkindergarten machte schwere Zeiten durch. Mangels Personal musste eine Gruppe schließen. Zu Beginn des Kindergartenjahrs stand die Schließung einer zweiten im Raum. Die Lage war über längere Zeit hinweg prekär. Aushilfen und Vertretungen mussten einspringen. Die Belastung des verbliebenen Personals war hoch, die Unzufriedenheit unter Eltern phasenweise groß. Dazu kamen finanzielle Probleme, weil der Schulkindergarten zwar von den Grundschulen geschätzt wird, aber im Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (BayKiBiG) nicht mehr vorgesehen ist. Zuschüsse blieben also aus, weshalb im Jahr ein Defizit von 30 000 Euro auflief. Im Gemeinderat ging es nun vor kurzem um die Frage, wie verhindert werden kann, dass die Kindertagesstätte in eine Abwärtsspirale gerät, an deren Ende die völlige Schließung stehen könnte. Das einzige Haus im Haarer Zentrum solle erhalten bleiben, gab Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) als Linie vor. Und sie gab zu erkennen, dass bei dem Rettungsversuch die Erzdiözese nur mitspielen werde, wenn die Gemeinde einen, wie sie es nannte, "Blankoscheck" ausstellen werde. Umfang: 121 000 Euro.

Den kirchlichen Segen gibt es vielleicht umsonst. Bei den Finanzen zeigt sich die Erzdiözese aber als genau kalkulierende Behörde. Die örtliche Kirchenstiftung kämpfte zuletzt mit der Finanzierung der Kindertagesstätte. Beim Defizit stand die Gemeinde wie bei den anderen Trägern zur Seite. Doch nun muss es nach Überzeugung von Müller und Fachfrau Hehnen darum gehen, in die Zukunft zu investieren und Personal auch über Bedarf hinaus anzustellen. Das heißt: vorübergehend auch mehr Erzieherinnen zu beschäftigen, als durch die Zahl der Kinder zunächst gerechtfertigt ist. Finanziell ist das ein Ritt auf der Rasierklinge, weil die Zuschüsse aus dem BayKiBiG von der Zahl der Kinder abhängen. Doch nur durch eine solche Vorleistung könne es gelingen, mit dem Haus in die Zukunft zu planen, sagte Hehnen.

Das Erzbistum machte dem Rathaus zufolge seine Freigabe für eine weitere Stellenausschreibung von der Zusage der Gemeinde abhängig, ein mögliches Defizit in Höhe von bis zu 121 000 Euro im Kindergartenjahr 2015/16 zu übernehmen. Der Gemeinderat gab diese Zusage einstimmig. Auch sollen 10 000 Euro zur Verfügung gestellt werden, um im kommenden Jahr den Spielplatz zu sanieren.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2015
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