Süddeutsche Zeitung

Stadtplanung:Ein Boulevard für Haar

Auf der zentralen Einkaufsmeile in Haar dominieren immer noch die Autos. Ein Architektenwettbewerb soll das ändern und auf der Leibstraße mehr Platz für Fußgänger schaffen.

Von Bernhard Lohr, Haar

Haar will Stadt werden. Und zu einer Stadt gehört ein ordentlicher Boulevard. Bis heute ist die Leibstraße weit davon entfernt, die Menschen zum Promenieren einzuladen. Man fährt in der Regel hin, parkt, kauft ein und ist dann auch schnell wieder weg. Doch nun macht sich die Gemeinde wieder einmal daran, die zentrale Einkaufsstraße umzugestalten und gerade auch für Fußgänger attraktiver zu gestalten. So soll etwa ein breiterer, gut nutzbarer und schöner Fußweg vom S-Bahnhof über den Bahnhofplatz und den bisher wenig einladenden Kreisverkehr in den Teil der Leibstraße geschaffen werden, in dem sich viele Geschäfte befinden. Das ist eine der Zielvorgaben, die der Gemeinderat jetzt für einen anstehenden Architektenwettbewerb festgezurrt hat.

Die Klagen über die Leibstraße sind schon legendär. Der sonst durchsetzungsstarke Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) scheiterte mit einer Neugestaltung an den Interessen der Grundstückseigentümer. Seine Nachfolgerin Gabriele Müller (SPD) ging das Thema dann breiter an und schaffte es, dass der Gemeinderat 2020 ein Mobilitätskonzept verabschiedete, wonach die Leibstraße in einen "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich" umgestaltet werden sollte. Fußgänger und Radfahrer sollten mehr Raum erhalten auf Kosten der Autos. Das Zurückdrängen der Autos stieß jedoch auf Widerstand. Doch nun setzt Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) auf die alten Ideen und kommt offenbar auch voran. Im Hintergrund wurden Gespräche mit Grundstückseigentümern und Geschäftsleuten geführt. Bisher, so sagt Bukowski, sei man auf einem guten Weg.

Die Gemeinde hat ja kein Geld übrig. Aber sie will die Pläne für die Leibstraße mit Hilfe staatlicher Zuschüsse angehen. Dafür ist ein so genanntes "Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept" (Isek) Voraussetzung, über dem das Büro "Stadt, Raum, Planung" brütet. Vor den Ferien galt es für den Gemeinderat, die Feinuntersuchung zur Leibstraße abzusegnen, die Planerin Martina Schneider präsentierte. Auch sollten Zielsetzungen formuliert werden für den Architektenwettbewerb. Die Gemeinderäte, die ja seit einiger Zeit auch in internen Runden über eine mögliche Stadterhebung von Haar reden, hatten nicht viel auszusetzen. Relativ neu ist an dem Konzept, dass insbesondere die unattraktive Kreuzung zum Bahnhofsplatz neu konzipiert werden soll. Es solle eine "attraktive Promenade" als Verbindung zwischen Bahnhof und Einkaufstraße auf der Westseite entstehen, heißt es in den Zielsetzungen.

Überhaupt soll das Zentrum - womöglich kann man dann nach einer Stadterhebung Haars auch bald City sagen - aufgewertet und attraktiver werden, um für Geschäfte und Gastronomie eine Zukunftsperspektive zu schaffen. Laut Architektin Schneider soll die Zahl der Parkplätze auf ein städtebaulich verträgliches Maß reduziert werden. Es geht darum, dass Autos langsamer fahren. Die Fahrbahn soll für Autos, Busse und Radler nutzbar werden. Getrennte Radwege, die man wegen fehlender Grundstücke bisher nicht durchgehend schaffen konnte, haben keine Priorität mehr. Dafür soll für Fußgänger vor allem auf der Westseite der Leibstraße mehr Platz entstehen. Grüne Aufenthaltsbereiche sind ein Ziel und gut einsehbare Zugänge der Fußgänger zur Straße, die leichter zu queren sein soll. Der Baumbestand soll gestärkt werden.

So belebt und quirlig wie im Tal in München wird es in der Haarer City nicht werde. Doch eine Aktivierung ist das Ziel. Der Bauantrag für den Neubau an der Ecke Leibstraße und Wasserburger Straße, wo ein lange vermisster Vollsortimenter entstehen soll, liegt mittlerweile genehmigt im Rathaus. Hoffnungen setzt man auch auf eine verstärkte Ausweisung von Freischankflächen. Der Gemeinderat hat vor einiger Zeit, als Corona-Hilfe für die Gastwirte gedacht, fraktionsübergreifend beschlossen, Außengastronomie leichter zu ermöglichen. Im Juni lag tatsächlich ein erster Antrag vor und der wurde unter der Voraussetzung, dass alles rechtlich sauber abläuft, positiv beschieden. Weiter wird überlegt, zwischen Sommer- und Winternutzung zu trennen und dort für Gastronomie Platz zu machen, wo in der kühlen Jahreszeit Autos parken. Zudem gibt es Vorüberlegungen, wie der begrenzte Straßenraum aufgeteilt werden müsste, um auch eine Trambahn durch die Leibstraße fahren zu lassen.

Das fußt auf der Idee, dereinst die Linie 21 über die St.-Veit-Straße bis auf die Wasserburger Straße und von dort bis zum Haarer Bahnhof zu führen. Ob dann die Fahrgäste von der Stadt München in die Stadt Haar fahren, steht noch in den Sternen. Haar will einen Antrag auf Stadterhebung stellen. Die Entscheidung darüber fällt das bayerische Innenministerium.

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