SZ-Serie: Mahlzeit:Wo der Arzt neben dem Patienten isst

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Jens Akermann mit einem Falafel-Teller in seinem Café Jedermann, das eigentlich ein Restaurant ist. (Foto: Claus Schunk)

In Jens Akermanns „Café Jedermann“ auf dem Haarer Klinikgelände ist der Name Programm. Auch auf dem Teller gibt es Vielfalt.

Von Bernhard Lohr, Haar

Bei Jens Akermann sind alle willkommen. Da sitzen Chefärzte neben ihren Patienten und natürlich auch all die anderen am Tisch, die den Weg zu ihm auf das Gelände des Isar-Amper-Klinikums in Haar finden. Akermann führt ein Restaurant, das als „Café Jedermann“ einen geradezu programmatischen Namen trägt. Denn die Zeiten sind vorbei, in denen das Gelände eines der größten psychiatrischen Krankenhäuser des Landes eine Welt für sich war. Das Gelände ist offen, jeder kann zwischen den Klinikgebäuden spazieren gehen. Und jeder kann sich bei Akermann Kässpatzen oder einen Burger servieren lassen. Oder auch den Falafelteller – die Vielfalt ist auch auf der Karte groß.

Akermann hat früher mal viele Chefärzte und andere der Hochkultur zugewandte Menschen im Nationaltheater in München mit Speisen versorgt. Er leitete dort für Käfer die Küche, die das Opernpublikum in den Pausen verwöhnte. Er wechselte dann ins Bräustüberl in Aying und kam 2020 zu Beginn des Corona-Lockdowns nach Haar, um die Gastronomie neben der Hauptverwaltung direkt am Gesellschaftshaus zu übernehmen. Das Catering bei Tagungen gehört zu seinem Geschäft, so wie kürzlich, als Fachleute in Haar über Erinnerungskultur an Orten der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen zu reden. Auch Ärztekongresse sind in Haar keine Seltenheit.

Und was essen Chefärzte bei ihm gerne? „Tatsächlich eher rustikal“, sagt Akermann. Kässpätzle, Putengeschnetzeltes, auch mal Lachs oder Spargel. Auch eine eigene Burger-Karte gibt es im Café Jedermann, das eigentlich ein Restaurant ist. Doch der Koch kann nicht nur Hausmannskost zubereiten. Akermann hat in dem 46-jährigen Yousef Sanda einen Syrer am Herd stehen, der wechselnde Falafel-Gerichte anbietet; wie etwa das mit Hummus, Taboulé und Tomate.

Das helle Lokal sieht mit seinem bunten Mobiliar ein bisschen wie eine Bar aus den Sechzigern aus. Dass drinnen und auf der Terrasse auch Patienten sitzen, wird manche überraschen. Aber die moderne Psychiatrie hat nur noch wenig mit den abgeschotteten Stationen von einst zu tun. Viele Patienten bewegen sich frei und ersetzen gerne mal das Essen auf der Station durch ein Gericht im „Jedermann“.

Yousef Sanda arbeitete früher gar nicht so weit von der Oper entfernt in einer Küche, die ebenfalls für Qualität steht. Er war im Ratskeller in München tätig, bevor er nach Haar kam, wo er jetzt im Jugendstilpark wohnt – mit zwei kleinen Kindern und seiner Frau Hamida, die im Café Jedermann als Küchenkraft mitarbeitet.

In seiner Heimat hat Sanda laut Akermann eine Schneiderei mit 40 Mitarbeitern geleitet. Doch das war sein früheres Leben. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis ist in Aussicht. Derzeit schließt Sanda ganz regulär seine Ausbildung zum Koch ab. Und schon jetzt sagt Akermann: „Unser syrischer Koch macht den besten Käsekuchen, den Sie jemals gegessen haben.“ Wer das verifizieren will, kann nach einem Spaziergang übers grün eingewachsene Klinikgelände vorbeischauen im „Café Jedermann“. Das Restaurant ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Für diese Kolumne probiert sich die Redaktion immer zum Wochenbeginn durch Küchen, Kantinen und Kochkunst im Landkreis München.

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