Viele Fahrgäste der Deutschen Bahn müssen in Haar derzeit zweimal hinschauen, um zu verstehen, was da für ein Gebäude am Bahnhof hingestellt worden ist. Ein rot gestrichener Holzbau aus unbehandelten Fichtenbrettern bildet das neue Gegenstück zum alten, etwas vernachlässigten Bahnhofsgebäude. Es ist das neue Empfangsgebäude mit Kiosk und Warteraum. Bei der Eröffnung am Montagvormittag wurde es in den offiziellen Reden gepriesen. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) sprach von einer deutlichen Verbesserung, – aber auch von einem „erratischen Block“, von einer „anderen Ästhetik“, die für „andere Inhalte“ stehe, für modernes Bauen und Nachhaltigkeit.
Auf jeden Fall vermisst niemand das, was vorher an der Stelle stand, auf der jetzt der DB-Service-Store und die neue Toilettenanlage eröffnet worden sind. Diese Ecke am Bahnhof, auf die jeder sofort stößt, der vom Zug kommt und den zentralen Südaufgang nimmt, hat lange ein maroder Kiosk mit unansehnlichem Umfeld geprägt. Als die Deutsche Bahn anbot, dort in einem Pilotprojekt einen Bau in modularer Bauweise hinzustellen und bei SPD und Grünen auf Skepsis stieß, machte sich die Frauen-Union mit einer Unterschriftenaktion dafür stark. FU-Vorsitzende Eva Schlensok war zur Eröffnung am Montag mit zwei Mitstreiterinnen in einem T-Shirt der CSU-Frauenorganisation gekommen und freute sich, dass „der Schandfleck“ weg ist. Auch wenn sie das neue Gebäude, wie sie sagte, „gewöhnungsbedürftig“ findet.
Es ist nach Zorneding das zweite Empfangsgebäude dieser Art, das die Deutsche Bahn hingestellt hat. „Einladende Bahnhöfe sind ein wichtiger Schlüssel für einen erfolgreichen Nahverkehr“, sagte Mareike Schoppe, Managerin der DB Infra-Go. Das Haus besteht laut Bahn komplett aus Holz, ist in Modulbauweise innerhalb von einem Jahr zügig entstanden und das Material kann nach einem Rückbau wiederverwendet werden. Es wird mit einer Wärmepumpe beheizt und erhält noch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Laut Schoppe könnte das Modell im Raum München Schule machen. Auch bundesweit bestehe Interesse. Architekt Philipp Luy betonte, dass zwar Module verwendet werden, das Gebäude aber individuell gestaltet werden kann. In Haar sei es in Rot gehalten und mit dem hochgezogenem Warteraumbereich ein Hingucker, der mit dem alten Bau für die Fahrgäste eine „Torsituation“ auf dem Weg zu den Bahnsteigen bilde.
Das 126 Quadratmeter große Gebäude fällt auch durch das runde Fenster auf, das Bürgermeister Bukowski mit einem überdimensionierten Bullauge verglich. Die DB AG hat es mit Zuschüssen des Bundes und des Landes für 1,6 Millionen Euro errichtet. Die Gemeinde stellte für 160 000 Euro dahinter eine Toilettenanlage hin. Bukowski ging auf die Skepsis am Ort ein, die auch daher rührte, dass die Gemeinde bei der Gestaltung auf Bahngrund wenig mitreden konnte. Er erinnerte an eine Befragung, bei der viele Senioren das schmuddelige Bahnhofs-Entree nach rücksichtslosen Verkehrsteilnehmern und fehlenden Einkaufsmöglichkeiten immerhin als drittgrößtes Ärgernis am Ort bezeichnet hätten. Die rote Farbe der Fassade habe der Gemeinderat durchgesetzt, nachdem anfangs schwarzgrau vorgesehen gewesen sei. Architekt Luy zufolge schreckt die von Heustadeln auf dem Land bekannte Rohholz-Optik Graffiti-Sprayer ab.
Der CSU-Landtagsabgeordnete Maximilian Böltl betonte die Wichtigkeit solcher Neubauten, nicht nur in Haar oder Zorneding. „Alle Bahnhöfe sind betroffen“, sagte er. Die Bahn müsse attraktiver werden. Aber jeder Cent könne nur ein Mal ausgegeben werden, weshalb er das 49-Euro-Ticket kritisch sehe. Seine Grünen-Kollegin Claudia Köhler lobte die Holzoptik. Diese zeige, dass „das Betonzeitalter“ zu Ende geht.