Haar:"Bäume sind wahre Kraftwerke"

Haar: Dieses Haus in der Haarer Rechnerstraße soll zwei Mehrfamilienhäusern weichen - Anwohner und Gemeinderäte sind gegen das Projekt.

Dieses Haus in der Haarer Rechnerstraße soll zwei Mehrfamilienhäusern weichen - Anwohner und Gemeinderäte sind gegen das Projekt.

(Foto: Claus Schunk)

Anwohner in Unterhaar sperren sich gegen Nachverdichtung im Viertel

Von Bernhard Lohr, Haar

Sie hatten letztens schon einmal massiven Protest angekündigt. Die Worte der beiden Nachbarinnen, die im Gemeinderat das Wort ergriffen, ließen keine Zweifel daran, dass in ihrem Viertel die Aufregung groß ist. Und zwar wegen eines Bauvorhabens: Auf einem bisher mit einem Häuschen bebauten Grundstück an der Rechnerstraße sollen zwei Mehrfamilienhäuser entstehen. Die Anwohnerinnen kündigten in der Bürgerfragestunde in der Sitzung an, sie würden eine Spontandemo organisieren, sollten die Pläne umgesetzt werden. Als diese jetzt im Bauausschuss Thema waren, beruhigten sich die Gemüter allerdings. Zumindest fürs Erste.

Die Gemeinderäte in Haar sehen das Vorhaben auf dem Grundstück Rechnerstraße 25 b ähnlich kritisch wie die Nachbarschaft. Allerdings blieb die Frage offen, ob der Gemeinderat den Bauwunsch am Ende überhaupt verweigern kann - oder ob gemäß Baugesetzbuch den Eigentümern des Grundstücks nicht einfach das Recht zusteht, dort so zu bauen, wie sie das gerne möchten. Der Bauausschuss lehnte den formellen Antrag auf Vorbescheid jedenfalls einstimmig ab und begründete dies damit, dass sich die geplante Bebauung nicht in die nähere Umgebung einfüge. Ziel der Planung müsse sein, den wertvollen Baumbestand zu erhalten, ob nun durch eine andere Anordnung der Gebäude oder verkleinerte Planung.

In dieser Bauangelegenheit spielen viele Faktoren eine Rolle. Es geht um das Thema Verdichtung, das angesichts steigender Bodenpreise und wachsender Wohnungsnot in der Region immer kontroverser diskutiert wird. Der Erhalt von Grünflächen und Baumbeständen beschäftigt Bürger und Betroffene ebenso. Und im Falle des Grundstücks an der Rechnerstraße auch der Verkehr, das von bebauten Arealen umgeben und nur durch eine längere Stichstraße angefahren werden kann. Bereits jetzt läuft die Zufahrt direkt an Wohngebäuden vorbei. Dass nun in zwei Mehrfamilienhäusern insgesamt zehn Wohnungen entstehen sollen, dazu eine Tiefgarage mit 13 Stellplätzen und zwei weiteren an der Oberfläche, weckt Befürchtungen, es könnte mit der Ruhe im Garten und im Haus bald vorbei sein. Insbesondere ist die Empörung groß, dass ausgewachsene Buchen für Häuser weichen sollen. "Diese Bäume sind wahre Kraftwerke", sagte Christine Schillinger, eine der beiden protestierenden Nachbarinnen schon bei ihrem Protestauftritt im Gemeinderat.

Die Pläne sehen nun vor, eine Buche, eine Kastanie und eine Birke zu fällen. Zudem sollen sechs Buchen in der Baumkrone mehr oder weniger stark zurückgeschnitten werden. Andreas Nemetz, Umweltreferent der Gemeinde, hält letzteres für ausgesprochen problematisch, weil er unter Berufung auf die Fachliteratur davon ausgeht, dass die Bäume dann wohl kurz- bis mittelfristig eingehen werden. Deshalb rät Nemetz dazu, die Pläne abzuspecken und kleiner zu bauen. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD), die sich in der Zwischenzeit mit den protestierenden Nachbarn getroffen hat, machte im Bauausschuss klar, dass auch in ihren Augen "dieses Vorhaben überdimensioniert" ist. Doch Müller mahnte auch an, die Situation realistisch einzuschätzen.

Denn für die Beurteilung des Bauvorhabens gelten schließlich nur die Vorgaben des oft zitierten Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs, der fordert, dass sich der Neubau in das Umfeld einfügen muss. Man sei schon in den Neunzigerjahren daran gescheitert, sagte Müller, nachträglich einen Bebauungsplan mit klaren Vorgaben für das Wohngebiet in Unterhaar zu verabschieden. Schon damals habe man für die vielfältige Struktur im Wohngebiet keine gemeinsame Basis gefunden. Deshalb wird vieles vom Ermessen der beurteilenden Behörde abhängen. Müller riet dazu, das Landratsamt seriös mit "glaubwürdigen" Einwänden zu überzeugen.

So warnte Müller vor Forderungen, wie sie Antonius van Lier (FWG) aufstellte, der gerne sämtliche Bäume erhalten hätte. "So eine Stichstraße ist ein Unding", sagte van Lier und: "Ich sitze hier nicht als Jurist." Doch Müller erinnerte daran, dass das Grundstück jetzt schon genau durch diese Straße erschlossen sei. Auch könne man nicht gegen zwei Gebäude sein, so etwas gebe es im Umfeld schon. Dietrich Keymer (CSU) empfahl ebenfalls, sich auf eine rein rechtlich fundierte Argumentation zu beschränken und sich zudem den Eintrag im Grundbuch, was die Stichstraße angeht, anzuschauen. Vielleicht finde sich da ein Hebel, um die Dimension des Bauvorhabens zu beschränken. Der Bauausschuss beschloss, das Vorhaben wie derzeit geplant, abzulehnen. Die Gebäude sollten anders angeordnet und kleiner geplant werden, um den Baumbestand möglichst zu erhalten. Die Forderung, den Baumbestand im Westen des Grundstücks zu schützen, wurde fallen gelassen und dieser Punkt offener formuliert.

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