Haar:23 Motive in Plakatboxen

Haar: Besonders idyllisch oder wetterunabhängig sind die Rahmenbedingungen für die Jubiläumsausstellung nicht, aber es ist ein buntes Lebenszeichen.

Besonders idyllisch oder wetterunabhängig sind die Rahmenbedingungen für die Jubiläumsausstellung nicht, aber es ist ein buntes Lebenszeichen.

(Foto: Claus Schunk)

Der Künstlerkreis feiert sein 40-jähriges Bestehen mit einer Ersatzausstellung im öffentlichen Raum. Die ursprünglich geplante Werkschau im Rathaus fällt Corona zum Opfer

Von Angela Boschert, Haar

Damals vor 40 Jahren waren es ambitionierte Künstlerinnen und Künstler, darunter auch eine Sängerin und eine Mundartdichterin, die den Künstlerkreis Haar gegründet haben. Heute sind darunter auch Kulturbotschafter, die ihre Gemeinde, etwa in deren Partnerkommune Ahrntal in Südtirol, vertreten. Das Jubiläum kann der 1980 ins Leben gerufene Künstlerkreis allerdings nicht so zelebrieren, wie ursprünglich gedacht - auch hier macht Corona einen Strich durch die Rechnung. Statt mit einer Jahresausstellung im Rathaus zu feiern ist der Künstlerkreis Haar in den öffentlichen Raum gegangen.

Nun hängen noch bis zum 1. November Kunstplakate in gemeindlichen Plakatboxen aus, welche den 23 ausstellenden Mitglieder kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. An den Stromkästen haben sie nun Werbung für eine Immobilienmesse oder für ein Trachtenfestival als Nachbarn. "Eine idyllische Ausstellung ist etwas ganz anderes", sagt der Vorsitzende Karl Hertje nachdenklich, "aber es war die einzige Option, ein Lebenszeichen zu geben". Heißt für die Bürger "Aufpassen!", damit man an belebten Plätzen der Gemeinde nicht einem "Roten Stier" (von Elena Drobychevskaja) oder "Nofretete" (von Ingrid Bauer) ins Auge schaut statt auf den Verkehr zu achten.

Auf anderen Plakaten finden sich sogar Hinweise auf die Geschichte der Gruppe. Etwa bei Erika Lohr, in deren Herbstbild "Ohne Laut" Blätter aus dicken roten, blauen und schwarzen Linien lautlos auf das Logo des Künstlerkreises fallen. Dieses Logo, wurde 1981 erstmals verwendet und stammt von dem Gründungsmitglied H. Ebsen. "Man könnte mal ein neues schaffen", überlegt Hertje, selbst Diplom-Designer und Grafiker. Um dann gleich zu loben: "Doch es ist einfach gut, ein kalligrafisch ausgestalteter Buchstabe." Ja, das Logo ist ein Stück Geschichte. Zu dieser gehört auch Uta Lettenmeyer, das zweitälteste Mitglied des Kunstkreises. Sie feiert dieses Jahr ihren 80. Geburtstag und hat mit "Seelenverwandtschaft" das Abbild eines Mädchenkorpus in Brauntönen geschaffen, das für Hertje "das Lieblingsbild der Ausstellung" ist. Der "Altmeister" des Kunstkreises Rolf Dinter, Jahrgang 1934, zeigt ein Stillleben mit zwei Äpfeln. Nebeneinander liegen die dicken, rotbackigen Früchte auf einer polierten Tischplatte und man fragt sich, ob diese vom Lichte der Autoscheinwerfer zu glänzen beginnt. Bei Anja Ruttkowski scheint ein Wind das tiefblaue Wasser eines Sees aufzuwirbeln, die aus dem Wasser lugenden Zweige widerstehen dem "Wirbel" aber unbekümmert. Bezeichnet der Titel also einen Klangwirbel, den die gelbe Figur am vorderen Bildrand auf ihrer Gitarre spielt? Andere Fragen weckt der "Pferdeflüsterer" des Aschheimer Bildhauers Bernhard Süßbauer. Das Pferd aus Pappmache reckt seinen Kopf so hoch gen Himmel, dass sein vor ihm stehender Reiter nicht an des Pferdes Ohr heranreicht. Widersprüchliches als Denkanstoß? Die Deutung bleibt dem Betrachter überlassen, der auf seinem Artwalk in Naturszenerien ebenso eintauchen kann wie in magische Welten.

Die 23 Plakate sind zwischen Ahrntaler Platz im Norden und der Ferdinand-Kobelt-Straße im Süden zu entdecken. Eine Karte auf der Homepage des Kreises zeigt die Standplätze, auf diese Karte verweist ein QR-Code auf jedem Plakat. Bei einer Kunstwanderung am Sonntag, Beginn 10.30 Uhr am Rathaus, werden zwei Drittel der Plakatboxen besucht und Mitglieder erläutern die Werke. "Wir hoffen, nächstes Jahr unser 40-jähriges Jubiläum nachholen zu können. Dann soll es einen Jubiläumskatalog und auch wieder den Kunstpreis des Publikums geben", sagt Hertje. Erfreulich: Gerade hat der Kreis wieder Zuwachs bekommen: die angehende Kommunikationsdesignerin Lisa Schwarz, 21, aus Haar ist neues Mitglied.

Die Ausstellung des Künstlerkreises Haar im öffentlichen Raum dauert noch bis zum 1. November.

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