Schülerradio:Podcasts aus dem Klassenzimmer

Schülerradio: Jeder darf mal ans Mikro: Lilo Schick und Fabian Lehner beim Einsprechen eines Podcasts.

Jeder darf mal ans Mikro: Lilo Schick und Fabian Lehner beim Einsprechen eines Podcasts.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Projekt-Seminar des Gymnasiums Neubiberg produziert ein Programm, das jüngere und ältere Mitschüler gleichermaßen anspricht.

Von Leo Kilz, Neubiberg

Freitagnachmittag, 13.30 Uhr im Gymnasium Neubiberg: Mitten im Wirbel der Hausaufgabenbetreuung haben sich zehn der 1400 Schülerinnen und Schüler eine ruhige Ecke gesucht. Während vor der Tür Fünftklässler auf kunterbunten Sitzmöbeln herumturnen und das Wochenende herbeisehnen, produzieren die Zwölftklässler Podcasts.

Und das äußerst erfolgreich: Über 20 Folgen haben sie unter dem Titel "RadioGN" schon auf Spotify und Apple Music veröffentlicht. "Das ist das beste Seminar, das ich je betreut habe", sagt Lehrer Tobias Briegel, der die Initiative als Projekt-Seminar angeboten hat. Federführend ist Briegel nicht, darauf legt er wert. Er bietet den Schülern den Raum, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Wortwörtlich: Briegel sperrt ihnen ein kleines Lehrerzimmer auf, dann verabschiedet er sich. Einmal die Woche hört er sich an, was die Schüler zu berichten haben. Hin und wieder gibt Briegel Feedback, aber selbst das ist kurz gehalten. Die Gruppe motiviert sich gegenseitig, schiebt viele Überstunden und bleibt freiwillig länger im Schulhaus.

In der Oberstufe belegen Gymnasiasten in Bayern zwei Seminare, die den Übergang von der Schule in Studium und Beruf erleichtern sollen. Die Gestaltung ist den Lehrkräften überlassen und die Schüler können ihre Seminare frei wählen. Die Arbeit in den Kursen wird benotet und fließt in die Abiturnote mit ein. Das Neubiberger Podcast-Seminar wird als Wirtschaftskurs angeboten. Neben journalistischem Arbeiten geht es auch um die Vermarktung.

Laura hat ein Hörbuch geschrieben, es ist 100 Seiten lang

Zahlreiche Episoden sind zurzeit in Arbeit, mehrere Wochen im Voraus beginnen sie mit der Produktion. Während zwei eine Nachbetrachtung der Bundestagswahl aufnehmen, arbeiten die anderen am Fragenkatalog für ein Unterhaltungsformat mit zwei Kunstlehrern und planen parallel eine große Sonderausgabe: Schülerin Laura Krammer hat ein Hörbuch geschrieben. 100 Seiten hat sie in den Sommerferien zu Papier gebracht, jetzt werden Rollen verteilt und Soundeffekte besprochen.

Bundestagswahl, Quiz und Hörbuch - die Podcasts bereiten verschiedenste Themen unterschiedlich auf. Bei Themenwahl und Umsetzung haben die Schüler freie Hand. Egal, ob es um die Wahl des richtigen Sprachunterrichts geht, um den Wertpapierhandel oder die Formel 1.

Nur in der Mittelstufe ist das Interesse gering

In der Produktion lernen sie auch den Umgang mit Audio-Schnittprogrammen und jeder und jede saß schon am Mikro. Bei der Vorbereitung steht die Gruppe vor einer besonderen Herausforderung, denn die meisten Hörer kommen entweder aus der Unter- oder der Oberstufe. In der Mittelstufe haben die meisten Mitschüler kein Interesse. Aber wie erklärt man einem Fünftklässler das Regierungssystem, ohne den Abiturienten zu langweilen? "Den Bundesrat erklärt zu bekommen, ist für die Älteren auch nicht so schlecht", sagt Lilo Schick. Sie wünscht sich, dass Sozialkundelehrer den Podcast im Unterricht verwenden und die Eltern bei den Kleinen mithören können.

Das Podcast-Team ist bunt gemischt, fast alle kannten sich vorher nur vom Sehen. Und fast alle haben Pläne für die Zeit nach dem Abi, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Berufswünsche reichen von der Medizinerin bis zur Polizistin, vom Elektrotechniker bis zum Sportjournalisten.

Bevor sie die Schule im nächsten Frühjahr verlassen, wollen sie das Projekt an die nächste Generation weitergeben. Sie suchen eine Lehrkraft, die immer wieder neue Schülerinnen und Schüler in die Redaktion holt. "Sonst endet das wie die Schülerzeitung", warnt Nils Aust. Deren letzte Ausgabe ist 2019 erschienen. Seit das Coronavirus die Artikel auf die Website verbannte, schwindet die Reichweite. Es wäre schön, ein Medium geschaffen zu haben, das der Schule erhalten bleibt, sagt Aust, "und es kommt ja auch gut an". Trotzdem bleibt "RadioGN" ein Leuchtturm-Projekt auf der Suche nach einem Mentor und einer neuen Redaktion. Der nächste Sommer wird darüber entscheiden, ob das Gymnasium Neubiberg auch weiterhin Schülerpodcasts veröffentlicht. Denn das Team aus der Q12 hat dann schon die Abiturzeugnisse in der Tasche.

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