Gutachter im Solln-Prozess:Beide Angeklagte sind voll schuldfähig

Im Prozess um den Gewaltakt von Solln hat Franz Joseph Freisleder das psychiatrische Gutachten vorgestellt: Er hält beide Angeklagten für voll schuldfähig und fordert, das Jugendstrafrecht anzuwenden. Die Beweisaufnahme ist nun beendet.

Ch. Rost

"Ich sitz' hier in Stadelheim, so wird's die nächsten Jahre sein." Diese Zeile stammt aus einem Hiphop-Text, den Markus Sch. vor einigen Monaten in der Untersuchungshaft für seinen älteren, ebenfalls im Gefängnis sitzenden Bruder geschrieben hat.

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Sebastian L. (in weißem Hemd) kann mit einem milderen Urteil rechnen. Ihm konnten keine Tritte nachgewiesen werden.

(Foto: AFP)

Markus Sch. rechnet also längst mit einer Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe wegen seines tödlichen Angiffs auf Dominik Brunner am 12. September 2009. Am Sollner S-Bahnhof attackierte der damals 18-Jährige zusammen mit Sebastian L., zur Tatzeit 17, den Geschäftsmann. Brunner erlitt nach der Attacke einen Herzstillstand und starb.

Seit dem 13. Juli müssen sich Sch. und L. vor der Jugendstrafkammer des Münchner Landgerichts wegen ihrer Gewalttat verantworten.

Das psychiatrische Gutachten von Franz Joseph Freisleder setzte am Mittwoch den Schlusspunkt der Beweisaufnahme: Beide Angeklagten hält er für voll schuldfähig, auf beide sei das Jugendstrafrecht anzuwenden, das eine Höchststrafe von zehn Jahren vorsieht. Bei dem heute 18-jährigen L. stellte der Jugendpsychiater eine "lange, chronifizierte Störung des Sozialverhaltens" fest, auch Sch. weise eine solche ausgeprägte Störung auf, wobei bei beiden die schwierigen familiären Verhältnisse eine Rolle bei der Entwicklung spielten.

Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die Angeklagten auf Brunner heftig eingeschlagen haben. Zwar hat der Manager als erster seine Faust erhoben, weil er sich von den Jugendlichen bedroht gefühlt hatte. Die Staatsanwaltschaft wertet den Fausthieb, der Markus Sch. im Gesicht traf, aber als Präventivschlag in Notwehr.

Die Verteidigung - Maximilian Pauls und Hermann Sättler für Sebastian L. und Jochen Ringler sowie Roland Autenrieth für Markus Sch. - werden in ihren Plädoyers indes betonen, die Jugendlichen hätten nur an Brunner in Richtung Bahnsteigtreppe vorbei gewollt. Hätte der 50-Jährige nicht zugeschlagen, so die Logik der Anwälte, wäre es vermutlich nie zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung gekommen.

Schlüssel zwischen den Fingern

Schwieriger wird es für die Verteidiger, die folgende Reaktion ihrer Mandanten zu relativieren. Laut Zeugenaussagen bewaffnete sich Markus Sch. mit einem Schlüssel, den er sich zwischen die Finger einer Faust klemmte. Dann verabredete er mit Sebastian L. eine Taktik - "einer von vorne und einer von der Seite"-, um auf den Manager loszugehen.

22 Schlag- und Trittverletzungen zählte der Rechtsmediziner Wolfgang Keil später bei der Obduktion. Ein Abdruck des Profils von Markus Sch.s Sportschuhen war noch deutlich an der Schläfe der Leiche zu erkennen. Für den heute 19-Jährigen wird dieses Indiz womöglich entscheidend bei der Entscheidung über ein Strafmaß. Die Staatsanwaltschaft will eine Verurteilung wegen Mordes erreichen, ein nachgewiesener Tritt gegen den Kopf wiegt hier schwer.

Sebastian L. kann mit einem milderen Urteil rechnen. Ihm konnten keine Tritte nachgewiesen werden. Er soll auch der deutlich Passivere bei dem Gewaltexzess gewesen sein und versucht haben, Sch. von Brunner wegzuziehen.

Der Herztod, den Brunner infolge der Attacke erlitt, dürfte in den Plädoyers am 24. August eine weitere zentrale Rolle spielen. Die Staatsanwaltschaft wird sich auf den Rechtsmediziner berufen, der eindeutig eine "Kausalität zwischen der Gewalt und dem Tod" festgestellt hat.

Die Anwälte werden betonen, dass Sch. und L. erklärtermaßen Brunner nicht töten wollten. Zu berücksichtigen hat das Gericht in jedem Fall die Geständnisse der Angeklagten. Negativ werden sich die Vorstrafen wie Diebstahl bei L. und räuberische Erpressung bei Sch. auswirken. Die Jugendkammer will am 6. September ihr Urteil verkünden.

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