Das Ringen um Lärmschutz für die Anrainer der Brenner-Zulaufstrecke tritt in die entscheidende Phase. Die Deutsche Bahn eröffnet Anfang November unter Beteiligung der Gemeinde Haar und des Münchner Landratsamts einen Dialogprozess mit den an der Strecke München-Rosenheim angrenzenden Kommunen. Dabei soll sowohl der Verlauf notwendiger Neubautrassen zum Brenner-Basistunnel geklärt werden. Es wird aber auch um die Ertüchtigung von Streckenabschnitten gehen und vor allem um die Frage, wie viel Lärmschutz den Anrainern zustehen soll. Im Streckenabschnitt zwischen Trudering und Grafing, in dem auch Haar liegt, ist besonders umstritten, ob und wie viel in den Lärmschutz investiert werden muss.
Allzu große Hoffnungen machte die Deutsche Bahn bisher nicht. Vor eineinhalb Jahren verkündete sie auf Grundlage einer Studie, es werde in Haar lediglich auf der Nordseite der Trasse im Bereich Gronsdorf eine Lärmschutzwand errichtet. Auf 700 Metern Länge werde eine solche in die Pläne aufgenommen, hieß es. Weiterer Lärmschutz sei nicht zu erwarten. Doch nun wird erneut diskutiert und laut Aussage eines Bahnsprechers soll auch ergebnisoffen gesprochen werden. Es sei ein Dialog mit den Kommunen, aber auch mit dem Bund als Geldgeber, heißt es.
Im bereits viergleisig ausgebauten Abschnitt München-Trudering-Grafing plant der Bund als Auftraggeber eine sogenannte Blockverdichtung. Dabei soll die bestehende Strecke mit dem digitalen europäischen Zugsicherungssystem ETCS ausgerüstet werden. Mit Hilfe dieses einheitlichen, europäischen Standards soll einer Mitteilung der Bahn zufolge auf der gesamten Brennerachse zwischen München und Verona eine, wie es heißt, "flexible Betriebsführung mit ausreichenden Kapazitäten" ermöglicht werden. Während bei einer Neubaustrecke die Bahn als Verursacher des Lärms für die Folgen geradestehen und nach strengeren Grenzwerten Lärmschutz finanzieren muss, hängt bei einer Ertüchtigung alles von der Zahl der zusätzlichen Züge ab, die auf die Strecke geschickt werden können. Gerichte haben bei "wesentlichen Eingriffen" in eine bestehende Trasse schon geurteilt, dass Lärmschutzmaßnahmen zu finanzieren sind.
Zudem soll eine Petition angestrengt werden
Geladen sind zu dem Auftakttreffen des Dialogs am 6. November im Ebersberger Landratsamt die Vertreter der Landkreise, Städte und Gemeinden, über deren Gebiet die Strecke verläuft. Die meisten haben bereits Resolutionen an Bund, Freistaat und Bahn verabschiedet, in denen gefordert wird, die Strecke grundsätzlich wie einen Neubau zu behandeln.
Dabei herrscht durchaus eine Erwartungshaltung, dass auch ohne neue Gleise die Menschen an der Bahn nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) pochte im März 2017, als die Schutzwand in Gronsdorf zugesagt wurde, auf ein weiteres Entgegenkommen der Bahn. Ins gleiche Horn stößt Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Sie verschickte einen Protestbrief des Stadtrats an Bahn, Bund und Land gegen die "unzulänglichen angekündigten Schallschutzmaßnahmen". Susanne Höpler vom Arbeitskreis Bahnlärm sagt: "Die Strecke Grafing-Trudering muss beim Thema Lärmschutz wie eine Neubaustrecke behandelt werden."
Der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) begrüßt, dass die Bahn anbietet, betroffene Kommunen direkt zu informieren: "Nur so, im direkten und offenen Dialog, kann eine für alle Seiten tragfähige Lösung zum Schutz der Bürger realisiert werden." Zudem soll eine Petition dazu angestrengt werden, dass die Ertüchtigung des Lärmschutzes an der Bahnlinie Trudering-Rosenheim gemäß dem Neubaustandard erfolgen soll.
Bis zum Jahr 2022 soll die Trassenwahl von Rosenheim bis Grafing stehen, teilt ein Bahnsprecher mit. Für diesen Abschnitt "ist grundsätzlich Lärmschutz gemäß der Lärmvorsorge umzusetzen", da dort zwei zusätzliche Gleise gebaut würden. Zwischen Grafing und Trudering werde nur die bestehende Trasse ertüchtigt. Ob auch dort "Lärmschutzmaßnahmen wie bei Neubaustrecken umzusetzen sind und welchen Umfang diese hätten, ist Ergebnis detaillierter fachlicher Planungen", heißt es. So werde unter anderem auch erst ermittelt, wie stark die Zugkapazitäten auf bestehenden Trassen ausgeweitet werden müssten.