Süddeutsche Zeitung

Grünwalder Nachbarschaftshilfe:Stilvolle Schnäppchen

Lesezeit: 2 Min.

Im Second Hand Laden gehen auch edle Stücke über den Ladentisch - zu günstigsten Preisen. Auf Kleiderkammer-Atmosphäre haben die Betreiber bewusst verzichtet

Von Claudia Wessel, Grünwald

Die Dame, die an diesem Nachmittag mit großem Hallo den Second-Hand-Laden im Haus der Begegnung betritt, ist zufrieden. "Der Stil wird konsequent fortgesetzt", stellt sie nach einem kurzen Blick in die Runde fest. Ruth Wenger ist Fachfrau auf dem Gebiet Kleidung. "Ich hatte mal einen Laden in Harlaching."

Hier in dem kleinen Geschäft der Nachbarschaftshilfe ist die Grünwalderin Kundin. Und was hat sie schon gekauft? "Aaaach" seufzt sie wohlig. "Die edelsten Sachen, etwa Kaschmirpullis." Auch ihre Freundin aus Harlaching, die sie heute wieder mitgebracht hat, berichtet über ein schönes Kleidungsstück, das sie beim letzten Besuch hier erworben hat: ein Strandkleid.

Echte Ladies können hier also durchaus auf ihrem Niveau fündig werden - ein Eindruck angesichts der sorgsam aufgehängten Kleidungsstücke, der nicht täuscht. Eins aber können sie hier nicht erwarten: dasselbe Preisniveau wie bei ihren Shoppingtouren durch edle Läden. Denn hier sind die Preise ein krasser Kontrast zur Ware.

Unterirdische Preise - im besten Sinne

Das teuerste Stück, das seit dem Bestehen des Ladens seit Juni verkauft wurde, kostete 40 Euro. Es handelte sich um eine "kleine Persianerjacke aus Leder mit echtem Fell", wie Alexandra Bitterwolf von der Nachbarschaftshilfe berichtet. Sie leitet das Team aus sieben ehrenamtlichen Verkäuferinnen und Verkäufern und erfährt dabei Unterstützung von Tobias Sichender, dem Geschäftsführer der Nachbarschaftshilfe. Ansonsten sind die Preise unterirdisch - im besten Sinne. Blusen, Kleider und Kaschmirpullis für acht Euro. Noch günstiger sind manche Teile in der kleinen Kinderabteilung, etwa ein kleiner blauer Badeanzug mit weißen Punkten und roten Schleifchen für drei Euro. T-Shirts kosten meist zwei Euro das Stück.

"Anfangs hatten die Gäste der Tafel ein wenig Schwellenangst", berichtet Bitterwolf. Die Bedürftigen waren wohl von der ein wenig vornehmen Ausstrahlung des Ladens geblendet. Es lohne sich jedoch für viele, die Schwelle zu überschreiten. "Eine ältere Dame mit Rollator kam kürzlich und suchte eine ärmellose Weste", erzählt Bitterwolf. Diese fand sie, aber noch viel mehr. Die Mitarbeiterinnen suchten sogar im Lager nach Passendem für sie. "Zum Schluss ging sie mit einer großen Tasche voll raus." Glücklich war auch der 16-jährige Sohn einer Grünwalder syrischen Flüchtlingsfamilie. Er konnte sich günstig mit einem Wiesn-Outfit ausstatten.

Schräge Muster à la Picasso

Überhaupt, die Dirndl: Die hingen nicht lange, denn der Höchstpreis lag bei 20 Euro pro Tracht. Übrigens gibt es natürlich auch eine komfortable Umkleidekabine mit Spiegel.

Lange wird sicher auch der graue Anzug mit dem passenden hellblauen Hemd nicht mehr dort hängen, denn auch für ihn soll man nur 20 Euro bezahlen. Für zehn Euro kann man ein schrilles Hemd erwerben, das in Münchner Edelläden sage und schreibe 103 Euro kosten soll. Das Stück, das aus einer Kollektionsauflösung stammt, ist blau-weiß kariert und mit unzähligen Papageien geschmückt. Andere Hemden aus derselben Spende zeigen schräge Muster mit Augen à la Picasso.

Eine Michael-Kors-Tasche ging jüngst für 35 Euro weg - sie kostet neu zwischen 300 und 500 Euro. Eine Sonnenbrille von Tom Ford, Preis normalerweise etwa 200 Euro, fand für 18 Euro einen neuen Besitzer. Bitterwolf ist begeistert: "Es läuft noch besser, als wir es uns vorgestellt hatten. Die Kunden kommen aus so vielen unterschiedlichen Milieus und Altersgruppen." Die Idee, keine Kleiderkammer-Atmosphäre im Laden haben zu wollen, war offensichtlich gut.

Kleiderspenden werden gerne angenommen, die Stücke sollten gut erhalten und gewaschen sein. Warenannahme ist nur montags. Die Öffnungszeiten sind Montag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 13 Uhr und Donnerstag von 15 bis 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2018
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