Grünwald:Zwischen den Tönen lesen

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Professor Thomas Böckheler arbeitet an der Musikakademie an den Feinheiten, hier mit Momoko Nomura. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Internationale Musikakademie veranstaltet Sommerkurse. Eine japanische Pianistin sieht entscheidende Unterschiede zwischen den Ländern

Von Anna-Maria Salmen, Grünwald

"Das, was zwischen den Tönen liegt, ist das Entscheidende", sagt Thomas Böckheler. Der Professor der Hochschule für Musik und Theater München sitzt an einem der zwei großen Flügel, die in einem Übungsraum der Grünwalder Musikschule aufgestellt sind. Aufmerksam lauscht Momoko Nomura aus Japan seinen Anweisungen. Böckheler beginnt zu spielen, es ertönen Klänge aus einer Klaviersonate von Franz Schubert. Er führt zwei Möglichkeiten vor, dieselbe Tonabfolge zu spielen: Zunächst eine bloße Aneinanderreihung von Noten, dann eine Variante, die weicher, runder klingt. Nun wiederholt Nomura die Passage, konzentriert und mit einem Lächeln im Gesicht. Der Professor summt leise mit. "Um das auf diesem Niveau weiter zu entwickeln, müssen wir an den Feinheiten arbeiten", sagt der 61-Jährige. Um genau diese Feinarbeit geht es beim Sommerkurs der Internationalen Musikakademie München, der heuer zum ersten Mal in Grünwald stattfindet.

Vor zwei Wochen probten bereits die Violinisten und die Kammermusiker, vier Tage lang üben nun zehn Schüler im Alter von 15 bis 31 Jahren am Klavier. Einige sind wie die 21-jährige Momoko Nomura aus Japan angereist, auch chinesische und deutsche Musiker sind dabei. Kumi Konaga, Vorsitzende der Musikakademie, stammt selbst aus Japan und übersetzt die Anweisungen von Professor Böckheler simultan. "Wir sprechen eine gemeinsame Sprache - die Musik", betont die 52-Jährige. Im Sommerkurs möchte Böckheler mit seinen Schülern daran arbeiten, am Klavier nicht einfach nur gut zu spielen, sondern auch die "Vielfalt von feinen Gefühlsschattierungen" zu vermitteln, die klassische Musik bietet. Böckheler achtet darauf, dass bei jedem Klang eine Empfindung mitschwingt. "Das ist es, was Musik wertvoll macht. Die Töne sind nur ein Transportmittel." Um die Feinheiten zu entdecken, müsse man zunächst sein Ohr dafür öffnen. Erst dann kämen die "technischen Werkzeuge" wie die Handbewegungen hinzu. Immer wieder erstaunt es den Professor, wie seine Schüler sich innerhalb kürzester Zeit verbesserten. "Viele stehen kurz davor, den entscheidenden Schritt zu machen. Man muss ihnen nur eine kleine Hilfe geben", sagt Böckheler und vergleicht den Prozess mit einer Blume im Knospenstadium, die blüht, wenn man sie ins Sonnenlicht stellt.

Momoko Nomura spielt bereits seit ihrem vierten Lebensjahr Klavier, doch in ihrer Heimat sei der Unterricht anders verlaufen. "Hier lernt man das, was man in Japan nie lernt: Zwischen den Tönen zu lesen." Dieser Unterschied ist auch Böckheler bereits aufgefallen. "In Asien wird der gymnastische Aspekt, also die Bewegungen der Finger, sehr gut unterrichtet. Das ist natürlich wichtig, aber das Entscheidende ist damit noch nicht getan." Deutsche Kinder hingegen hätten schon früh zu viel Entscheidungsfreiheit. Das führe dazu, dass vielen die "Gymnastik" komplett fehle. Böckheler plädiert daher für eine Kombination beider Ansätze: "Bei den grundlegenden Fertigkeiten ist die asiatische Methode besser, bei der weiteren Entwicklung sind mehr Freiheiten nötig."

Zwei Mal jährlich organisiert Konaga die Kurse der Musikakademie für verschiedene Instrumente. Ob der Unterricht auch in Zukunft in den Räumen der Musikschule in Grünwald stattfinden kann, ist unklar. Wie deren Leiter Markus Lentz erzählt, hat das Rathaus nur heuer eine Nutzungsgenehmigung erteilt. Lentz hofft daher auf die Unterstützung von Musikschulen in der Umgebung, damit weiterhin junge Menschen aus verschiedenen Kulturen gemeinsam an der Musikakademie üben können.

Das Abschlusskonzert des Klavierkurses findet am Samstag, 10. August, von 15 Uhr an im Richard-Strauss-Saal der Musikschule Grünwald statt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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