Freundlich und bescheiden, so wie man es den Schweden nachsagt, und ordentlich und pünktlich, wie die Deutschen vielfach gesehen werden. Susanna Schneeberger ist „lagom“, also gerade recht, wie die Schweden es nennen, eine Mixtur aus beiden Kulturen. Die Aufsichtsrätin und Beraterin bei mehreren internationalen Firmen lebt wieder in Münchner Vorort Grünwald. In der bayerischen Landeshauptstadt hat sie einst ihren ersten, großen Job erhalten. Um Karriere und Kinder besser vereinbaren zu können, ging sie zwischenzeitlich zurück nach Schweden.
Die Liebe zu Deutschland begann in der Kindheit. Mit ihrer Familie besuchte die heute 51-jährige Deutschland auf der Durchreise in den Urlaub nach Frankreich. Damals wartete ein Kulturschock auf die kleine Susanna. Morgens, vor der langen Autofahrt, wollte sie im Schwimmbad planschen, doch die erste halbe Stunde gehörte den Anhängern der Freikörperkultur. „Man sagt, die Schweden wären freizügig, aber wir haben getrennte Saunen“, berichtet Schneeberger, sie sei damals leicht schockiert gewesen.
Das hielt sie nicht davon ab, nach dem Abitur ein halbes Jahr, als Reiseführerin in Osttirol zu arbeiten. Dort führte sie nicht nur Menschen aus der ganzen Welt durch Städte und Berge der Region, sondern lernte auch ihren Mann Andreas kennen. Anschließend folgten Studium, Praktika, Master, Traineeprogramm und Jobs in Schweden, Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich. Ihre Liebe zu Deutschland erlosch nicht. Und so war es eines Tages ihr erster Vorgesetzter, der sagte: „Sie sprechen Deutsch? – Dann gehen Sie nach München!“
Dort kommt 2005 Tochter Louise auf die Welt. Lange Elternzeit kann sich Susanna Schneeberger nicht leisten. Sie würde ihre Führungsposition verlieren, Elterngeld bekam sie nicht. Ein neugeborenes Baby, der Vater selbständig, die Mama nach acht Wochen Mutterschutz wieder berufstätig. „Das war nicht einfach“, erzählt Schneeberger. Einen Kita-Platz haben sie nicht ergattert. Ihr Heimatland Schweden sollte die Erlösung für die junge Familie sein. Ein spannendes Jobangebot in der Nähe ihres Heimatortes und ein eigenes Haus lockten die Schneebergers ins Königreich. Und vor allem: der schwedische Wohlfahrtsstaat. Für etwa 120 Euro im Monat konnte Louise in der „Dagis“ spielen und essen, von morgens bis abends, auch in den Ferien. „Wir mussten uns keine Gedanken mehr machen, der Stress war weg“, berichtet Schneeberger erleichtert. „Erst nach dem Umzug habe ich gemerkt, welche Last von den Schultern fiel.“
Acht Jahre lange lebte sie ihr Bullerbü-Leben. Leopold und Ferdinand kamen nahe Malmö auf die Welt, Susanna Schneeberger arbeitete als CEO weiter. Das wäre in München kaum möglich gewesen, glaubt sie. Mehrere Kinder? Nur für wenige Frauen in einer gehobenen Position in Deutschland sei das eine Möglichkeit. Du musst dein Kind aus der Kita abholen, zum Arzt oder zum Kindergeburtstag bringen? Kein Problem: „Schweden liebt Kinder“, davon ist Schneeberger überzeugt. Man habe Verständnis für private Termine parallel zur Karriere.
Und manchmal gibt es Angebote, die man nicht ausschlagen kann. Eine solche Möglichkeit bot sich Susanna Schneeberger 2015. Ein Job als CEO in Düsseldorf. Für ihre Familie hieß es wieder: Koffer packen, ab nach Deutschland. Zurück zu teuren, raren Kita-Plätzen? „Nein“, gibt Schneeberger zu. „Ich war erstaunt. Es hat sich etwas getan!“ Das Elterngeld wurde eingeführt, die Elternzeit neu geregelt, der Kindergarten war in Düsseldorf sogar gratis. Louise ging auf die internationale Schule, für Ferdinand gab es zwei Kita-Plätze zur Auswahl. Nur der Hort von Leopold sei unflexibel gewesen. Es gab bestimmte Abholzeiten. „Hier ist der Hort eine Pflicht, in Schweden ein Service für dich, damit deine Kinder nicht allein sind, während du arbeitest“, meint die Schwedin. „Und in puncto Digitalisierung und Bürokratie kann sich Deutschland einiges von Schweden abschauen“, sagt Schneeberger. Vor mehr als zehn Jahren konnte sie ihre Steuererklärung innerhalb von Minuten per SMS abschicken, in Deutschland muss man sich tagelang mit dem Papierkram beschäftigen.
„München ist ein großes Dorf“
Dennoch fühlen sich die Schneebergers in München wohl. „München ist ein großes Dorf“, schwärmt Schneeberger. Wenn sie an die Vorteile der bayerischen Landeshauptstadt denkt, fällt der Geschäftsfrau zuerst die strategisch gute Lage mitten in Europa ein. Von hier kann sie Geschäftsreisen schnell antreten. Aus Schweden ist sie viel Platz, Grün und Ruhe gewohnt. Im Umkreis von München hat sie auch das gefunden. Trotzdem zieht es die Familie jeden Sommer in ihr Haus an der schwedischen Westküste. „Das besten an Schweden ist der Sommer“, sagt Susanna Schneeberger. Dieses Jahr ist ihr besonders aufgefallen, wie viele Deutsche dort Urlaub machen. Das kann sie verstehen: „Die Krone sinkt, es ist kühler, die Natur ist schön und man darf überall zelten.“
Dennoch glaubt sie das viele das Land von Astrid Lindgren romantisieren: gute soziale Absicherung, süße Holzhäuser, einsame Seen. Doch Drogenhandel, Schießereien, Bandenkriminalität und weniger Karrieremöglichkeiten sind nur einige Nachteile, die Schneeberger in den Sinn kommen. Deswegen besitzt sie nach insgesamt 19 Jahren in Deutschland neben dem schwedischen auch den deutschen Pass. Damit kann sie als Geschäftsführerin Dokumente ohne Notar zertifizieren. Sie denkt effizient an Job und Familie. „Und im Notfall kann uns ein Land mehr aus dem Ausland retten“, freut sich Schneeberger.
Diese deutsch-schwedische Verbundenheit lebt die Businessfrau nicht nur in ihrem Beruf. Zu Hause sprechen sie ein Mix aus Deutsch, Englisch und Schwedisch. Ihre Kinder haben die schwedische Staatsbürgerschaft der Mutter und die österreichische des Vaters. Aber beim Fußball wird es ernst. Als Erstes feuern sie meistens die Blau-Gelben an. Fliegen die bei einem Turnier heraus, drücken sie Österreich und Deutschland die Daumen.
Bald zehn Jahre lebt Familie Schneeberger nun in Deutschland, länger als in Schweden. Geht es bald wieder zurück? „Nein, aber vielleicht fahren wir öfter nach Schweden, wenn wir in Rente sind“, antwortet Schneeberger. „Schweden ist ab vom Schuss, hier habe ich mehr berufliche Möglichkeiten“, ist Schneeberger überzeugt. So vereint sie stets das aktuell Beste aus beiden Ländern – für ihre Familie und ihre Karriere.