Kreis und quer:Selbstherrliche und Harmoniesüchtige

Die Opposition in Grünwald geht viel zu zahm mit der CSU und ihrem Bürgermeister um.

Kolumne von Wolfgang Krause, Grünwald

Grünwald ist in vielerlei Hinsicht anders als andere Gemeinden im Landkreis München. Nirgendwo sonst leben so viele Promis und haben so viele Briefkastenfirmen ihren Sitz. Nirgendwo sonst kann sich ein Anwohner über den Lärm der Trambahn beschweren, weil die - wenn nicht gerade die Schienen erneuert werden - einzig bei Geiselgasteig die Münchner Stadtgrenze überquert. Und nirgendwo sonst regiert ein CSU-Bürgermeister noch so selbstherrlich mit absoluter Mehrheit wie Jan Neusiedl im Rathaus von Grünwald.

Die Gemeinde schwimmt im Geld und spendiert dem Bürgermeister ohne Nachweis jeden Monat eine üppige Fahrtkostenpauschale. Als die Grünen das im vergangenen Jahr monierten, legte die CSU-Mehrheit sogar noch einen Fünfziger drauf, nur um sie zu ärgern. Ansonsten aber gibt sie die vielen Millionen, die Grünwald aus der Einkommensteuer und durch seine Dumping-Gewerbesteuer erwirtschaftet, im Zweifelsfall nicht aus, weil sich sonst ja etwas ändern könnte. Der Glamour, den man mit dem Münchner Nobelvorort gemeinhin verbindet, ist jedenfalls gut versteckt hinter den hohen Hecken der Villen.

In der Ortsmitte dagegen herrscht größtenteils die Tristesse vergangener Jahrzehnte, obwohl sich das eigentlich längst hätte ändern sollen. Vor knapp drei Jahren wurde bei der Bürgerversammlung auf Antrag eines Besuchers beschlossen, dass das Zentrum ansprechender gestaltet werden soll. Der Gemeinderat musste sich mit dem Thema befassen und entschied, sich Vorschläge verschiedener Architekten vorlegen zu lassen, um anschließend ein Konzept zu beschließen. Doch das ist nie passiert. Als die Grünen nach zweieinhalb Jahren vorsichtig nachfragten, erfuhren sie, dass die Rathausverwaltung mit einem einzigen Büro Kontakt aufgenommen, aber am Ende alle Ideen verworfen hatte. Erst Ende Oktober soll das Thema nun erneut in den Gemeinderat kommen. Es sieht also ganz so aus, als sei die Sache bewusst verschleppt worden. "Der Rathausfunk sagt, dass der Bürgermeister gerne alles beim Alten lassen möchte", sagte die Grünen-Gemeinderätin Ingrid Reinhart bereits vor einigen Monaten vieldeutig.

Doch diese Haltung ist Teil des Problems. Die Grünen, die Parteifreien und sogar die FDP beschweren sich zwar immer wieder über das Verhalten der Rathausführung. Aber sie haben sich schon daran gewöhnt und lassen sie letztlich gewähren, selbst wenn wie im aktuellen Fall ganz offensichtlich Beschlüsse des Gemeinderats missachtet werden. Sie müssten die Auseinandersetzung mit mehr Schärfe führen und öfter das Landratsamt einschalten, auch wenn es sicherlich frustrierend sein kann, dort ein ums andere Mal abzublitzen. Die Blockadehaltung der CSU und ihrer Verbündeten auf der anderen Seite der Isar in Pullach ist sicher kein Vorbild, aber sie zeigt, was auch eine Minderheit erreichen kann. Dort machen die Gegner der Grünen-Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund das Leben oft unnötig schwer. Der Grünwalder Bürgermeister dagegen hat es zu leicht. Man könnte fast sagen: Nirgendwo ist die Rathaus-Opposition so harmoniesüchtig und zahm wie in Grünwald.

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