Als Lothar Matthäus im für einen Fußballer fast schon biblischen Alter von nahezu 40 Lenzen über die Zeit nach seiner sportlichen Karriere sinnierte, gelang es ihm mit nur einem einzigen Satz, eine ganze Berufsgruppe zu entehren. Schiedsrichter, gab Deutschlands Rekordnationalspieler damals zum Besten, komme für ihn nicht infrage - "schon eher etwas, das mit Fußball zu tun hat". Rückblickend kann man sagen, das ist dem Mann gelungen. Ihm, dem lange Zeit das Image anhing, vor allem Frauen nachzustellen. Und zwar jenen, deren Namen auf den Buchstaben "A" endeten: Silvia, Lolita, Marijana, Liliana, Anastasia. Seit zwei Jahren aber frönt Matthäus weniger der Weiblichkeit als seiner eigentlichen Berufung. Und zwar als Trainer.
Böse Zungen werden nun bestimmt behaupten, dass der Weltmeister von 1990 genau dort angekommen ist, wo er hingehört: in den Niederungen des Jugendfußballs beim TSV Grünwald vor den Toren Münchens. D-Jugend, vorpubertierende Elf- und Zwölfjährige in der Kreisliga Zugspitze. "Für mehr reicht's halt beim Loddar nicht", wird sich manch Spötter angesichts der bisherigen Trainerkarriere des heute 63-Jährigen denken, die so illustre Stationen wie Rapid Wien, Partizan Belgrad oder den brasilianischen Klub Paranaense bereithielt. Alles Jobs, auch jene als Nationaltrainer Ungarns und Bulgariens, mit eher bescheidenem Erfolg.
Und geht es nach Uli Hoeneß, dem noch immer Alles-Entscheider beim FC Bayern, der Matthäus groß gemacht hat (oder war es nicht doch eher andersherum?), hätte Lothar, der gelernte Raumausstatter, es nicht einmal zum Platzwart gebracht. Vor mehr als 20 Jahren ließ der damalige Bayern-Manager den ehemaligen Bayern-Kapitän wissen, dieser werde - solange er und Karl-Heinz Rummenigge etwas zu sagen hätten - "nicht einmal Greenkeeper im neuen Stadion".
Zwei Jahrzehnte später muss der Grünwalder Jugendtrainer sicher still in sich hineinlachen. Denn just in einer Zeit, in der die beiden Herren bei den Bayern wieder so mitreden wie lange nicht mehr, würde es dem deutschen Rekordmeister womöglich nicht einmal gelingen, einen begabten Rasenpfleger zu rekrutieren. Geschweige denn einen Trainer von Weltrang - seit Wochen hagelt es Absagen. Zuletzt auch noch von Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick - der laut Hoeneß ohnehin nur dritte Wahl war. Aber auch dem war das Theater bei den Bayern offensichtlich zu viel.
Rangnick wird in Wien bleiben und Matthäus in Grünwald. Ein Glück für die Ösis und für die Grünwalder Kids, die sich weiter über einen Trainer freuen dürfen, der seinen (Neben-)Job mit Freude und Leidenschaft ausübt. Und endlich die Wertschätzung erfährt, die er verdient. Als Trainer einer D-Jugendmannschaft.