Vielleicht liegt es ja an den Sondierungen zwischen Union und SPD in Berlin. Jedenfalls klingt Joachim Herrmann, auch wenn er dort gar nicht am Verhandlungstisch sitzt, am Donnerstagabend im Grünwalder Sportpark gar nicht mehr nach jenem Schwarzen Sheriff, als den ihn seine Partei mitunter inszeniert. Der bayerische Innenminister, in dessen Zuständigkeit auch der Sport fällt, ist ins Isartal gekommen, um beim 7. Kamingespräch der Deutschen Olympische Gesellschaft im örtlichen Freizeitpark über den Plan der Staatsregierung zu sprechen, sich um die Olympischen Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 zu bewerben. Dabei wird er flankiert von Holger Preuss, Sportökonom und Sportsoziologe an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.
Und so rühmt der CSU-Politiker die Nachhaltigkeit der Spiele von 1972, da ja so gut wie alle Sportstätten von damals noch immer in Betrieb sind, und verspricht, dass im Falle einer erfolgreichen Bewerbung „nicht quadratkilometerweise Grünflächen vernichtet“ würden. Er lobt die Paralympics, die seit London 2012 von vornherein gemeinsam mit den Olympischen Spielen geplant werden – „das ist ein wichtiges Zeichen für die Bevölkerung“, so der Minister. Und überhaupt hätten Sportveranstaltungen eine Völker verbindende Wirkung. Es sei „besser, Olympische Spiele vorzubereiten als einen Krieg“, sagt Herrmann, und die Deutschen müssten sich ohnehin in puncto Menschenrechte „nicht verstecken, auch wenn der US-Präsident andere Maßstäbe anlegt, aber damit wird er sich nicht durchsetzen“.
Herrmann gibt den großen Umarmer und würde es mit seinen Ansagen sogar schaffen, jene „grünen und linken Spinner“ von seiner Argumentation zu überzeugen, die Unionskollege Friedrich Merz noch vor einer Woche in bester Trump-Manier rhetorisch vor die Tür gesetzt hatte – doch die dürften am Donnerstagabend im Publikum ohnehin eher in der Minderheit gewesen sein. Sportfunktionäre wie Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landessportverbands (BLSV), oder die Chefin des Olympiaparks München, Marion Schöne, lauschten den Worten von Herrmann und Preuss, dazu Repräsentanten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Grünwalder Lokalprominenz – nicht allerdings Bürgermeister Jan Neusiedl, den eine Erkältung erwischt hat.
Auf dem Podium machen es sich die beiden Ehrengäste in schweren Sesseln bequem, und auch einen Kamin gibt es hier, doch der ist nicht angeheizt, die Atmosphäre auch so warm genug. Herrmann referierte staatsmännisch, die Staatsregierung habe sich „klar dazu entschieden, wir wollen uns bewerben“. Und zwar um Olympia in München, „mit massiver Unterstützung durch den Freistaat“, so der Minister. Bis Mai werde man dem DOSB ein Rohkonzept vorlegen, doch damit müsse man sich erst einmal gegen die innerdeutsche Konkurrenz durchsetzen; auch das Ruhrgebiet, Berlin und Hamburg haben ihren Hut in den Ring geworfen.
Der größte Trumpf seien die bestehenden Sportanlagen, so Herrmann, etwa die Schießanlage in Garching, die Ruderregatta in Oberschleißheim, der Wildwasserkanal in Augsburg, dazu Olympiastadion und -halle unter jener Zeltdach-Konstruktion, bei deren Anblick „von der ersten Sekunde an klar wird, dass das München ist“. Lediglich die Schwimmhalle im Olympiapark sei nicht mehr zeitgemäß, weil das Becken dort nur acht statt der heute vorgeschriebenen zehn Bahnen habe. „Da brauchen wir was Neues.“ Oder etwas Innovatives. Laut Herrmann ist es sogar möglich, einen gewaltigen Pool in der Fröttmaninger Arena aufzustellen, wo dann Schwimmwettbewerbe vor 75 000 Zuschauern stattfinden könnten.
Laut Sportwissenschaftler Holger Preuss hat München gegenüber Hamburg „die Nase vorn“
Sportwissenschaftler Preuss zufolge hat Münchens Bewerbung zumindest gegenüber Hamburg und Nordrhein-Westfalen „weit die Nase vorn“. Der Grund sei, dass es hier wie in Berlin bereits ein Olympiastadion mit Leichtathletik-Laufbahn gibt; solche Arenen seien die teuerste Investition für Sommerspiele. Das Münchner Olympiastadion werde zudem ohnehin zeitnah saniert, ganz unabhängig von einer Bewerbung, ergänzt Herrmann.
Moderator Christian Nitsche, Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, leitet seine beiden Gesprächspartner durch allerlei Themenfelder. Zum Aspekt Beteiligung der Bevölkerung etwa stellt Preuss zur Diskussion, ob es überhaupt einen fünf Millionen Euro teuren Bürgerentscheid für die Olympiabewerbung brauche. Schließlich gebe es derzeit laut einer Forsa-Umfrage satte 72 Prozent Zustimmung. An Support habe es schon bei früheren Anläufen nicht gemangelt, doch bei der eigentlichen Abstimmung sei es dann meist so gewesen, dass die Gegner von Großveranstaltungen ihre Klientel besser mobilisiert hätten. Wenn eine Umfrage genüge, um die Unterstützung der Bevölkerung zu dokumentieren, solle es an ihm nicht scheitern, verspricht Herrmann.
Gegen Ende geht es dann noch um die eigenen sportlichen Erfolge der Ehrengäste. Während Uni-Professor Preuss sich selbstbewusst als Volleyballer und Skifahrer outet, der den praktischen Teil im Sportstudium „locker geschafft“ habe, muss der CSU-Politiker zugeben, „nie ein toller Fußballer“ gewesen zu sein. „Das wussten alle, deshalb hat mich auch nie jemand ausgebuht.“ Im Grünwalder Freizeitpark erntet er an diesem Abend ohnehin keine Buhrufe, sondern geradezu frenetischen Applaus.