Grünwald:Freibier und Hendl für die Polizei

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Ein Inspektionsleiter ist verurteilt, doch Wiesnwirt Roiderer ist sich keiner Schuld bewusst

Von Michael Morosow, Grünwald

Ein Bier und ein Hendl auf dem Oktoberfest können bereits mehr sein, als die Polizei erlaubt - wenn sie von einem Polizeibeamten konsumiert und mit Gutscheinen bezahlt werden, die von einem Gönner stammen. Diese Erfahrung hat der Leiter der Grünwalder Polizeiinspektion machen müssen. Weil er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zwischen 2014 und 2019 in 17 Fällen Champagner und andere Geschenke von örtlichen Unternehmen sowie Wertgutscheine für das Oktoberfest entgegen genommen hatte, um sie unter den Mitarbeitern zu verteilen oder auf Weihnachtsfeiern zu verlosen, wurde gegen ihn ein Strafbefehl im fünfstelligen Bereich erlassen.

Ins Visier der Ermittlungsbehörden sind aber auch die Sponsoren geraten, denen in den vergangenen Wochen Strafbefehle ins Haus flatterten. Darunter Wiesnwirt Anton Roiderer, der 90 Tagessätze Strafe dafür zahlen soll, dass er im Jahr 2018 je 50 Hendl- und Biergutscheine für das Oktoberfest "als kleines Dankeschön" in der Inspektion abgegeben hat. Er werde sich mit Händen und Füßen dagegen zur Wehr setzen, sagte Roiderer am Mittwoch zur SZ.

Roiderer ist dabei nicht der einzige Wiesnwirt, der sich wegen Bestechung verantworten muss: Der Sprecher des Münchner Amtsgerichts, Klaus-Peter Jüngst, hat laut Nachrichtenagentur dpa bestätigt, dass Strafbefehle gegen Roiderer und dessen Sohn Thomas (Hackerzelt) sowie das Ehepaar Steinberg (Hofbräuzelt) ergangen sind. "Ich hab' mir gedacht, dass die einen Vogel haben, als der Strafbefehl kam", sagt Roiderer, denn einer Schuld sei er sich überhaupt nicht bewusst. Eine Mass Bier und ein Hendl pro Person bewegten sich seiner Meinung nach im Bagatellbereich. In Bayern sei das üblich, so die Überzeugung des Gastronoms. Dagegen sprechen indes die sogenannten Compliance-Richtlinien des Innenministeriums, die solche Vorteilsannahmen verbieten und die für alle Polizeidienststellen gelten - aber unterschiedlich gehandhabt werden, wie jedenfalls Roiderer behauptet. "Ich bin seit 30 Jahren Wiesnwirt, und die Polizei in München durfte immer schon Hendl- und Biergutscheine annehmen."

Wenn er gewusst hätte, dass die Polizeiinspektionen auf dem Land das nicht dürften, dann hätte er auch keine Gutscheine bei der Grünwalder Inspektion abgegeben, erklärt der Wiesnwirt.

Er werde daher in jedem Fall Rechtsmittel gegen den Strafbefehl einlegen, kündigt Roiderer an. Andere Sponsoren haben das laut Staatsanwaltschaft schon getan. Ein Termin für die Hauptverhandlung sei noch nicht bestimmt, heißt es von dort.

Mit der Behauptung des Wiesnwirts, in München sei es üblich, dass Bier- und Hendlgutscheine an Polizeistellen vergeben würden, beschäftigt man sich jetzt bei der Münchner Polizei. Eine angekündigte Stellungnahme dazu sei in Vorbereitung, heißt es von dort. Bis Mittwochabend war eine solche nicht in der Redaktion eingegangen.

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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