SZ-Serie "Schlüsselposition", Folge 5:Der Sport der anderen

Lesezeit: 4 Min.

Akrobaten der Lüfte: Manchmal wird dort Fußball gespielt und manchmal fliegen auch Turner durch die Helmi-Mühlbauer-Halle (Foto: Claus Schunk)

Harald Vorwerk managt seit 20 Jahren den Betrieb in der Helmi-Mühlbauer-Halle in Grünwald. Die Distanz zum Job wahrt er mit Hilfe des Lebensmottos von Winston Churchill.

Von Claudia Wessel, Grünwald

"No sports" soll Winston Churchill einst einem Reporter geantwortet haben, der das Rezept für sein hohes Alter wissen wollte, trotz Whiskey und Zigarren. Ob Churchill das wirklich gesagt und wenn ja, ob er es ernst gemeint hat, ist nicht sicher. Wenn Harald Vorwerk es jedoch zitiert, dann meint der es vollkommen ernst. "Ich war noch nie Sportler", ergänzt der schlanke Mann, während er lässig aufs Geländer gelehnt hinunter in die Sporthalle des TSV Grünwald schaut, wo gerade Kinder an Ringen turnen und auf einem Schwebebalken balancieren. Aber für seinen Job, findet er, sei das sogar "ganz gut". "Man hat Abstand und gibt nicht jedem die Hand."

Fußbodenheizung, Sportgeräte, Laubsaugen gehören zu Vorwerks Aufgaben

Die Helmi-Mühlbauer-Halle, die der Gemeinde Grünwald gehört und dem TSV Grünwald zur Nutzung überlassen wird, ist seit 20 Jahren - er begann am 1. Januar 1996 - das Revier von Harald Vorwerk. "Ich bin Inventar", sagt er. Und seine Frau Andrea natürlich auch, die seinen Vollzeit-Job mit vier Stunden täglich ergänzt. "Sonst käme ich auf zu viele Stunden", sagt der gelernte Schreiner, der vorher unter anderem bei Karstadt tätig war.

Weil die Halle der Gemeinde gehört, ist er bei dieser angestellt. Was einige Vorteile hat, auch bei der täglichen Arbeit. Etwa wenn es ums Laubsaugen geht. "Dann sprech ich mich mit den Kollegen ab und wenn die sowieso mit der Kehrmaschine kommen, blase ich das Laub mit dem Laubsauger einfach auf die Straße."

Hallenwart Harald Vorwerk ist seit 20 Jahren im Beruf. (Foto: Claus Schunk)

Auch wenn etwas zu reparieren ist, Bauarbeiten anstehen, oder wenn gerade die Fußbodenheizung gespült wird, dann geschieht das im Auftrag der Gemeinde. Vorwerk ist der Mann, der immer auch da sein muss, ansprechbar, anrufbar, allwissend, wenigstens annähernd. Wo ist die Heizung, wie geht die Lüftung an, wohin gehören die Sportgeräte, was passiert, wenn eines kaputt ist? Wo sind die Überwachungskameras, wohin gehören die Fundsachen, wo ist das Notruftelefon? Und vor allem: Wann kommt wer zum Sport? Dann muss er aufschließen.

Den Schlüsselbund würde der Hallenwart nie aus der Hand geben

Seinen Bund mit Schlüsseln - "Wie viele? Keine Ahnung!" - hat er immer in der Hand. "Da leg ich großen Wert drauf, dass ich die nie aus der Hand gebe", sagt er. Denn würden die beiden Generalschlüssel verloren gehen, einer für die Helmi-Mühlbauer-Halle und einer für die Grundschule gegenüber, wäre das unter anderem eine finanzielle Katastrophe. "Die Kosten für so ein Schließsystem gehen in die Zehntausende." Die Identifizierung der einzelnen Schlüssel an dem Riesenbund fällt Vorwerk leicht, obwohl diese für Außenstehende zum großen Teil gleich aussehen. "Nach 20 Jahren kein Wunder", sagt er.

Sein Tagesablauf wird vom Auf-und Zusperren der Hallen bestimmt. Um 7 Uhr früh werden die fünf Türen aufgeschlossen, damit der Reinigungsdienst herein kann. Um 22.30 Uhr ist endgültig Schluss mit Sport und alle werden rausgeworfen. Dazu muss Vorwerk immer zuerst einen Rundgang machen, um zu sehen, ob noch jemand drinnen ist. "Nicht dass du uns einsperrst", sagen manchmal Spätaktive zu ihm.

Doch das kann gar nicht passieren, versichert Vorwerk. Denn alle Türen seien Fluchttüren und somit von innen immer zu öffnen, nur nicht von außen. Trotzdem schaut er abends in die vier Umkleideräume, in den ziemlich abgelegenen Fitnessraum mit vielen Geräten und in die abgetrennten Hallenteile. Ein bisschen unheimlich kann das dann zu später Stunde schon werden, wenn kein Mensch mehr da ist, und man von einem leeren Raum in den nächsten geht. Wenn seine Frau das übernimmt, kommt der Hund mit.

Ein Sohn ist heute Sport- und Fitness-Ökonom

Wenn dann alle raus sind, hat Vorwerk, der mit seiner Frau im ersten Stock in der Dienstwohnung wohnt, eine ganze Halle für sich und einen eigenen Fitnessraum zur Verfügung. Während er selbst daran nie Interesse hatte, waren seine vier Kinder, die quasi in der Sporthalle großgeworden sind, ganz anders. Die haben manchmal am Wochenende, wenn sonst nichts los war, schon gesagt: "Papa, lass uns mal rein, wir wollen Fußball spielen." Auch seine Tochter hat da mitgemacht. Ein Sohn sei übrigens heute Sport- und Fitness-Ökonom, verrät Vorwerk.

SZ-Serie: "Schlüsselposition", Folge 1
:Der Eiskönig

Thomas Herrgott kümmert sich darum, dass Schlittschuhläufer im Ottobrunner Stadion ihre Kreise ziehen können. Am besten gefällt es dem Techniker des Sportparks jedoch, wenn die glatte Fläche ganz rein ist

Von Markus Mayr

Zehn Jahre lang haben Andrea und Harald Vorwerk auch die Vereinsgaststätte in der Halle als Wirte gemacht. Doch das wurde irgendwann zu viel, seit vier Jahren sind andere Wirte dort tätig. Mit der Betreuung der 4000 Mitglieder des TSV Grünwald haben die Vorwerks durchaus genug zu tun. Immer da zu sein und den Überblick zu behalten, ist das Wichtigste.

Denn irgendein Anliegen hat immer jemand von den vielen Menschen im Gebäude. Und seien es nur Temperaturwünsche in der Halle. "Den einen ist es zu kalt, den anderen zu warm." Doch eine Änderung geht nicht von einer Minute auf die andere, sagt Vorwerk. Er versucht, den Sportlern nahezubringen, dass 18 bis 21 Grad die ideale Temperatur sei.

Am Tag legt der Hallenwart einige Kilometer Wegstrecke zurück

Sein Job gefällt Harald Vorwerk seit 20 Jahren gleichbleibend gut. "Ich bin mein eigener Herr und kann mir die Arbeit einteilen", sagt er. Zwar muss er jeden Abend um 22.30 Uhr da sein und kann daher Treffen mit Freunden nur aufs Wochenende verlegen und im Winter nicht mal das, denn da wird die Halle auch am Samstag und Sonntag genutzt. Doch dafür kann er sich zwischendurch mal hinsetzen und einen Kaffee trinken.

Die meiste Zeit des Tages aber ist der "Hallenwart" nicht in seinem Büro, an dessen Türschild diese Bezeichnung steht. Darin sieht es aus wie in einer Werkstatt - bewacht übrigens von einem Bildnis von Franz Josef Strauß, welches das Kondolenzbild aus dem Rathaus aus dem Jahr 1988 sein soll und ihm einst geschenkt wurde. Die meisten seiner Arbeitsstunden ist der Hüter der Halle auf den Beinen, unterwegs von einer Ecke in die andere, auf den Fußballplatz gegenüber und in die Hallen der Grundschule, die auch vom TSV genutzt werden. In und um die Halle legt er sicher viele Kilometer pro Tag zurück. Von wegen "no sports".

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Serie "Schlüsselposition", Folge 3
:Zwischen Tontauben und Wildschweinen

In der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück trainieren ausschließlich Spitzenschützen. Darüber, dass auch mehr als 40 Jahre nach den Spielen technisch alles auf dem neuesten Stand ist, wacht Martin Riedl.

Von Stefan Galler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: