Ortsgeschichte:Eine besondere Verbindung

Grünwald, Grünwalder Brücke, Stefanie Helmes und Christine Mohaupt waren als Kinder bei der Einweihung der Brücke dabei,

Wiedersehen auf der Grünwalder Brücke: Stefanie Helmes und Christine Mohaupt (von links).

(Foto: Angelika Bardehle)

Stefanie Helmes und Christelies Mohaupt sagten vor 70 Jahren bei der Einweihung der Grünwalder Brücke ein Gedicht auf. Jahrzehnte später haben sie sich zufällig wiedergetroffen und sofort erkannt

Von Claudia Wessel, Grünwald

Gott zum Gruß Hoher Herr Kardinal / Ein kleines Mädchen ruft es aus dem Isartal / Und bittet Dich sehr mit kindlichem Blicke / Breite Deine segnenden Hände über unsere neue Brücke / Dass ihr ja nie mehr ein Unheil widerfahre / Und uns erhalten bleibe ewige Jahre / Alle Menschen möge Gottes Segen begleiten/ Die jahraus, jahrein über diese Brücke schreiten". Nein, auswendig können Stefanie Helmes und Christelies Mohaupt das Gedicht nicht mehr, das sie vor mehr als 70 Jahren als kleine Mädchen zur Einweihung der neuen Grünwalder Brücke aufgesagt haben. Sie lesen es jetzt aus einem Artikel im Isar-Anzeiger von 1949 vor, der im vergangenen November zum Jubiläum nochmals gedruckt wurde. Damals wurden die Frauen nämlich rein zufällig bekannt.

Die beiden waren am 24. Oktober 1949 bei der offiziellen Einweihung der neuen Brücke - die alte war am 30. April 1945 in den letzten Kriegstagen zerstört worden - fünf und vier Jahre alt. Weil Mohaupts Opa Martin Kneidl seit 1948 Bürgermeister war, bekam seine erste Enkelin Christelies die große Ehre. Die kleine Steffi wurde wohl ausgewählt, weil sie schon damals als Kind eine kleine Rolle als Engel im Brandner Kaspar gehabt hatte und ihre Eltern als Ärzte bekannt waren. Das vermutet Stefanie Helmes, die damals noch Fischer hieß, jedenfalls heute. So ganz genau kann sie es nicht mehr sagen.

Auch von dem großen Tag weiß sie nicht mehr allzu viel. Aber dass sie bei der Einweihung dabei war, hat sie nie vergessen. Christelies Mohaupt erinnert sich noch, dass der Tag ziemlich aufregend war. Und dass das Gedicht, das die Mädchen vortragen durften, von ihrer Oma mütterlicherseits geschrieben worden war. Das Auswendiglernen war wohl keine große Sache, denn sie erinnern sich nicht mehr an mühsame Lernstunden.

Die beiden Mädchen - ein drittes, das ebenfalls dabei war, haben Mohaupt und Helmes bisher vergeblich ausfindig zu machen versucht - waren damals zwar keine Freundinnen, wie sie sagen, kannten sich aber aus der katholischen Schule vom Sehen. Die katholische und die evangelische Schule waren damals zwar unter einem Dach in dem Gebäude der heutigen Martin-Kneidl-Grundschule untergebracht, wie die Frauen berichten, doch waren die Eingänge strikt getrennt und außerhalb gegenseitiger Sichtweite. Es gab sogar auch einen evangelischen und einen katholischen Fahrradkeller. Den katholischen seien die evangelischen Kinder sehr suspekt gewesen, erinnert sich Helmes. "Aber wir haben uns ja praktisch nie gesehen." Im Turnverein aber kamen dann beide Konfessionen zusammen.

Auch nach dem großen Auftritt hatten die Mädchen nur lockeren Kontakt. Später zog Christelies Mohaupt ins Ruhrgebiet, wo sie 30 Jahre lang lebte. Stefanie Helmes verließ Grünwald nur einmal für eineinhalb Jahre. Als sich die beiden Grünwalderinnen nach Mohaupts Rückkehr zufällig am Kiosk an der Eierwiese trafen, erkannten sie sich sofort. "Wir haben die Grünwalder Brücke eingeweiht!", sagten sie stolz. Und damals beschlossen sie, dass sie dies beim nächsten Jubiläum zu zweit ein wenig feiern würden.

Gesagt, getan. Zum 70. Jahrestag der Einweihung begaben sich die beiden mit einem kleinen Blumenstrauß auf die Brücke und lasen sich das Gedicht von damals vor. Dann warfen sie den Strauß mit guten Wünschen in die Isar. Eine Radlerin kam in diesem Moment zufällig vorbei und war qua Amt neugierig: Es war die Grünen-Gemeinderätin Ingrid Reinhart. Sie befragte die Frauen nach dem Wieso und Warum und fand die Geschichte toll. So wurde die private Feier quasi öffentlich. Ein kleines Stück Grünwalder Geschichte wurde durch sie wieder lebendig und so mancher erinnert sich jetzt wieder an die Zeiten, als man dringend einen neuen Übergang benötigte.

Um dies damals möglichst bald zu erreichen, dachte man anfangs an einen Holzbau. Doch Holz hätte nicht lange gehalten und der Bau wäre wegen der benötigten großen Holzmenge unverhältnismäßig teuer geworden. Der Grünwalder Ingenieur und Statiker Gustav Sauerteig, der in der Dr.-Max-Straße 10 wohnte, machte dem Bauherrn der Brücke, dem Bayerischen Staat, vertreten durch das Straßen- und Flussbauamt, den Vorschlag, wieder eine Betonbrücke zu bauen und das Gerüst aus Mannesmann-Stahlrohren zu konstruieren. Dieses System des Stahlrohrbaues stammte aus Italien und Frankreich, wurde jedoch in diesen Ländern nur mit senkrecht gestellten Rohren angewandt. Die Grünwalder Brücke verlangte aber den Bau eines Bogengerüstes. Ingenieur Sauerteig konstruierte ein Gerüst aus Mannesmann-Rohren. Nachdem diese Bauweise in Grünwald zum ersten Male in der Baugeschichte angewendet wurde, entwickelte sich die Grünwalder Brücke zu einer technischen Sehenswürdigkeit.

Nach vier Jahren ohne Isarübergang wurde die Brücke wieder dem Verkehr übergeben. Es war ein bedeutungsvoller Tag für Grünwald, an dem die Häuser mit Fahnen und Girlanden geschmückt waren, wie sich die beiden Frauen erinnern. Ein Festzug aus rund 450 Schulkindern, der Grünwalder Feuerwehr, dem Gemeinderat und allen Vereinen, den Schwestern vom Schwesternheim und vielen Bürgern zog auf die Brücke. Es war ein richtig großer Feiertag in dem Ort, an dem sich alle beteiligten.

Unter den Klängen des Einzugsmarsches aus "Aida" rollten die Autos der Staatsregierung, der Volksvertretung und der geladenen Festgäste den Pullacher Brückenberg herunter, wie 1949 die Zeitungen berichteten. Unzählige wichtige Persönlichkeiten waren anwesend.

Die drei kleinen Mädchen durften dem höchsten Gast, Kardinal Michael von Faulhaber Blumen überreichen, nachdem sie ihr Gedicht vorgetragen hatten. Am Abend wurde noch in zahlreichen Grünwalder Gaststätten weitergefeiert. Der Konditor vom Café Fischer hatte die Brücke aus Zucker und Süßigkeiten nachgebaut. Die Hoffnung, dass das dritte Mädchen vielleicht doch noch gefunden werden kann, besteht übrigens immer noch.

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