Grünwald/Oberhaching:Baurecht geht vor Baumrecht

Grünwald/Oberhaching: Der Baum in Oberhaching hat Generationen von Kindern zum Klettern animiert (im Bild Angelica Lohr vergangenes Jahr).

Der Baum in Oberhaching hat Generationen von Kindern zum Klettern animiert (im Bild Angelica Lohr vergangenes Jahr).

(Foto: Peter Lohr/oh)

Nach Fällungen im Wald oder auf privaten Grundstücken schlagen regelmäßig Anwohner Alarm. Doch solange bestimmte Regeln eingehalten werden, können die Gemeinden Rodungen gar nicht verhindern.

Von Gregor Bauernfeind, Grünwald/Oberhaching

"Es sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen." Angela Arzberger aus Grünwald kann es kaum fassen. All die schönen, alten Bäume auf dem Nachbargrundstück in der Robert-Koch-Straße - einfach gefällt, von einem Tag auf den anderen. Fälle, in denen sich Bürger im Landkreis über rigorose Rodungen wundern, haben sich in letzter Zeit gehäuft. Viele fragen sich, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Oft stellen Bäume einen großen persönlichen Wert für Anwohner dar.

So auch in einem zweiten Fall im Landkreis, in Oberhaching. Dort wurde am Montag ein bei Einheimischen beliebter Baum am Fußweg zwischen Gleißentalstraße und S-Bahn-Unterführung gefällt. "Der Baum war legendär", sagt die Oberhachingerin Ulrike Sauer. Wegen seines besonderen Wuchses hätte er ganzen Generationen als Kletterbaum gedient. "Den gab es schon, als ich selbst noch klein war. Und auch meine Kinder haben darauf gespielt", erzählt Sauer, die beim Spazierengehen auf die Fällung aufmerksam geworden ist und den Fall auf der Facebookseite "Bürgerforum Oberhaching" geschildert hat, wo auch andere Bürger ihre Enttäuschung über die Rodung ausdrückten.

In Grünwald kann Bauamtsleiter Stefan Rothörl Entwarnung geben. Auf dem Grundstück in der Robert-Koch-Straße werde renoviert und neu gebaut. Dafür müssten Bäume weichen. Und das habe der Bauausschuss schon im Juni 2016 genehmigt und das Landratsamt im Januar dieses Jahres bestätigt, sagt Rothörl. Dass vor dem Fällen von Bäumen überhaupt um Erlaubnis gefragt werden muss, ist keine Selbstverständlichkeit. Grünwald hat eine eigene Baumschutzverordnung. Darin ist genau geregelt, welche Bäume entfernt werden dürfen. Grundsätzlich ist es demnach "verboten, lebende Bäume zu zerstören". Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen.

Baumschutzverordnungen sind für Gemeinden nicht vorgeschrieben

Grünwald/Oberhaching: Nun wurde er gefällt, so wie die Bäume auf einem Grundstück in Grünwald.

Nun wurde er gefällt, so wie die Bäume auf einem Grundstück in Grünwald.

(Foto: Claus Schunk)

In Grünwald dürfen beispielsweise Nadelhölzer sowie Laubbäume, die in einem Meter Höhe einen Stammumfang von 100 Zentimetern nicht überschreiten, gefällt werden. Dazu gehören auch die etwa 20 gerodeten Bäume in der Robert-Koch-Straße: "Douglasien, Kiefern, serbische Fichten und eine dünnere Birke", zählt Rothörl auf. Das Umweltamt überprüfe die Schutzwürdigkeit und unterstütze die Bauverwaltung, die bei Fällungen im Zuge von Bauvorhaben zuständig ist. Wird gebaut, müssten im Zweifel aber auch eigentlich geschützte Bäume weichen. "Dann geht Baurecht vor Baumrecht", sagt Rothörl. Das provoziert auch Beschwerden aus der Bevölkerung, zuletzt seien Rodungen in der Dr.-Max-Straße in der Kritik gestanden, berichtet Umweltamtsleiterin Silvia Fuchs. "Verstöße haben wir aber selten", sagt Rothörl.

Baumschutzverordnungen sind für Gemeinden nicht vorgeschrieben, nur etwa jede zweite Gemeinde im Landkreis hat eine. In Oberhaching fahre man ganz gut ohne, sagt Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). "Ortsbildprägende" Bäume seien zwar geschützt, ansonsten halte man es aber unbürokratisch: "In der Regel wird kurz bei der Gemeinde angerufen, bevor jemand einen Baum fällen will", sagt er. Das funktioniere gut. "Wenn wildes Fällen wirklich ein Problem wäre, hätten wir hier schon längst keinen Baum mehr", sagt er. Dass der beliebte Kletterbaum wegmusste, findet zwar auch er schade, die Aufregung könne er aber nicht verstehen. Die Gemeinde habe auch gar keine Handhabe, da sich der Baum im Außenbereich befinde und dieser wiederum als Wald gelte. Dort könne der Eigentümer verfahren wie er möchte, in diesem Fall ist es die Deutsche Bahn.

Auch in anderen Orten im Landkreis sind Baumfällungen Bürgern und Naturschützern zuletzt sauer aufgestoßen. Im Schopenhauer-Wald in Neubiberg wurden bis Ende Februar 30 Prozent des Laubbaumbestandes gefällt. In Feldkirchen mussten knapp 40 Buchen einem Neubaugebiet weichen. Die Rodungen waren rechtlich einwandfrei, lösten aber wie in Grünwald und Oberhaching Unmut in der Bevölkerung aus. Dass deren Sorgen nicht immer unbegründet sind, zeigt das Beispiel Taufkirchen. Eine ortsansässige Firma hatte dort im Herbst 2016 in der Willy-Messerschmitt-Straße ohne Genehmigung 80 Laubbäume umgesägt. Derzeit läuft ein Bußgeldverfahren. Es gehe um einen fünfstelligen Betrag, sagt der Zweite Bürgermeister Alfred Widmann (SPD).

Dass sich Rodungen und damit auch die Beschwerden darüber in den vergangenen Wochen gehäuft haben, hängt mit der Vogelschutzzeit zusammen, die am 1. März beginnt und erst am 30. September wieder endet. Rodungen mussten noch bis Ende Februar erledigt werden, danach sind sie an strenge Bedingungen geknüpft. Ausnahmen gibt es aber auch dann noch, etwa wenn von dem Baum eine Gefährdung ausgehen könnte.

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