Großvereine in der Corona-Krise:Sport auf Krücken

Die Corona-Pandemie trifft Sportvereine hart. Seit Monaten ruht auch in Unterschleißheim, Garching und Haar weitgehend der Betrieb. Der SV-DJK Taufkirchen setzt auf Online-Angebote.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Es dürfte ziemlich einmalig sein: Beim SV Lohhof hat sich mitten im Lockdown eine neue Sportabteilung gegründet. Seit dem 1. Januar kann man bei dem großen Verein im Norden von München offiziell auch Cricket spielen. Einige vor allem indischstämmige Sportler haben sich zusammengetan, um in Unterschleißheim den in ihrer alten Heimat so populären Schlagballsport auszuüben. Ein Training oder Spiele finden aber nicht statt. Der SV Lohhof befindet sich mit seinen etwa 5000 Mitgliedern in 13 Abteilungen so wie alle großen Sportvereine im Landkreis im Kampf gegen die Pandemie praktisch im Winterschlaf. Die Folgen sind noch gar nicht komplett absehbar.

Die Lage ist ernst und die Botschaft der Vereine ist unmissverständlich. Beim SV-DJK Taufkirchen etwa heißt es auf der Homepage schlicht: "Ab dem 2. November findet durch den Lockdown vorerst kein Vereinssport mehr statt!" Das gilt jetzt bald zweieinhalb Monate und die Frage stellt sich, wie die Vereine diese herausfordernde Zeit überstehen können. Beim SV-DJK Taufkirchen sah man sich dank richtiger Weichenstellungen schon vor drei Jahren auf die Krise vorbereitet. Der Verein hatte die Digitalisierung vorangetrieben, die Homepage neu aufgezogen und für Smartphones nutzbar gemacht. Vor dem ersten Lockdown gab es Online-Konferenzen.

Small Businesses Cope During The Coronavirus Crisis

Sport findet derzeit vor allem im Wohnzimmer statt. Der SV-DJK war auf diese Herausforderung gut vorbereitet.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Und mit dem Lockdown wurde ein breites Online-Sportprogramm präsentiert. Aktuell wird "Bewegung am Morgen" angeboten, Yoga, Taekwondo, Mami-fit und ein Ganzkörper-Workout. Klaus Hübner, stellvertretender Vorsitzender, sagt, der Verein sei auf diese Weise gut durch die Krise gekommen. Man habe etwas anbieten können und so die Mitgliederzahl "recht konstant gehalten". Der Schwund liegt bei unter zehn Prozent. Corona werde die Arbeit dauerhaft verändern, glaubt er. Online-Sport biete Vorteile und tendenziell stelle man sich darauf ein, das weiter anzubieten. Ein Ersatz für das Vereinsleben, für den Charme, Sport in der Gemeinschaft zu erleben, sei das aber nicht.

Die Neueintritte fehlen

Beim SV Lohhof trainieren nach einem strengen Hygienekonzept mit Testungen zur Zeit nur die in der zweiten Bundesliga spielenden Volleyballerinnen, weil für die als Profis eingestuften Sportlerinnen besondere Regeln gelten. Wie in Taufkirchen bieten einige Abteilungen Online-Sport an, wobei Brigitte Weinzierl zufolge der Verein das Thema auch aus Datenschutzgründen zurückhaltend behandelt hat. Präsidentin Weinzierl versucht, den SV Lohhof ohne größeren Schaden durch die Krise zu manövrieren. Es sei viel Arbeit damit verbunden, sagt sie, die zudem mäßig Freude bereite. Bis Oktober, November, als sie sich die letzten Zahlen hat vorlegen lassen, hätten relativ wenige Mitglieder dem Verein den Rücken gekehrt gehabt. Gravierend findet sie aber alleine, dass 2020 - von den Cricketspielern abgesehen - kaum Neue zum Verein dazugestoßen sind. Und das bei einer natürlichen Fluktuation von 15 Prozent. "Es fehlen uns die Neueintritte. Das sind gar nicht so wenige."

Uwe Cygan, Präsident beim zuletzt gut 2000 Mitglieder zählenden VfR Garching, rechnet damit, dass im Zuge der Krise bis zu 400 Mitglieder verloren gehen, ein Minus von 20 Prozent. Er äußert Verständnis dafür, dass Familien Mitgliedschaften kündigen, bei denen wegen Kurzarbeit Einkommen weggebrochen sei. Viele hätten nicht die Wahl, sagt er. Den Verein sieht er trotz des finanziellen Ausfalls solide aufgestellt. Man sei sogar mit einem Plus aus dem Jahr 2020 rausgekommen, sagt Cygan. Auch Weinzierl berichtet trotz hoher Ausgaben für den Unterhalt der Tennishallen von geordneten Finanzen. Es habe Staatszuschüsse gegeben und Kosten, etwa für Turniere, seien weggefallen.

Großvereine in der Corona-Krise: Brigitte Weinzierl, 67, ist begeisterte Sportlerin und Präsidentin des SV Lohhof. Für die CSU sitzt die Unterschleißheimerin im dortigen Stadtrat und auch im Kreistag.

Brigitte Weinzierl, 67, ist begeisterte Sportlerin und Präsidentin des SV Lohhof. Für die CSU sitzt die Unterschleißheimerin im dortigen Stadtrat und auch im Kreistag.

(Foto: Claus Schunk)

Cygan und Weinzierl fürchten insbesondere die gesellschaftlichen Folgen der verordneten Sportauszeit. Das Freizeitverhalten ändere sich, sagt Cygan. Viele merkten gerade, dass es auch ohne Plackerei auf dem Trainingsplatz gehe. Sie entwöhnten sich vom Sport. "Die Leidtragenden sind die Jugendlichen und Kinder." Weinzierl schmerzt, dass der nicht originär beim SV Lohhof angesiedelte Schwimmunterricht für Grundschüler ausgefallen ist.

Betroffen ist jede Sportabteilung, und jede etwas anders. Die hochklassig in der Regionalliga spielenden Fußballer des VfR Garching kämpfen darum, dass Sponsoren bei der Stange bleiben und müssen schauen, dass ihnen nicht bessergestellte, profimäßig arbeitende Vereine talentierte Spieler abwerben. Andere Probleme hat der TSV Haar. Jihad Lamaa ist dort Abteilungsleiter Fußball, wo in normalen Zeiten 20 Mannschaften trainieren und im Spielbetrieb stehen. Schon beim ersten Lockdown fingen die mit einer Ehrenamts-Pauschale vergüteten Übungsleiter an, mit Online-Training die Teams zusammenzuhalten und Fitnessprogramme anzubieten. Von September bis November wurde gespielt und trainiert. Und jetzt sitzen wieder alle zuhause.

Fußballer laufen 6000 Kilometer

Acht Mannschaften beteiligten sich über zwei Monate an einer Lauf-Aktion, die über eine App angeboten wurde und joggten zusammen 6000 Kilometer. Aber das sind nur Krücken. "Wir werden das schon spüren", prophezeit Lamaa, "da bleibt viel auf der Strecke." Manche Spieler hörten auf, der Mitgliederschwund sei noch tragbar, sagt er, weil beim Fußball die Beiträge niedrig seien. Aber eine eigentlich notwendige, kontinuierliche Trainingsarbeit gerade mit Kindern sei unmöglich. Die Aussichten übrigens für die Cricket-Abteilung, für deren Gründung seit Monaten die Vorarbeit lief, sind nicht schlecht. Gerade werden die Ausrüstungsgegenstände angeschafft, sagt Weinzierl. Und sobald es möglich ist, sollen zwei Mannschaften zum Spielbetrieb angemeldet werden. Ein Vorteil, sagt die SV-Präsidentin, sei dabei, dass Cricket kontaktlos gespielt werde. Man kommt sich nicht zu nahe.

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